Männerchor „Sängerbund“ Wittnau öffnete erfolgreich neue Türen
Von: Hans Berger
Wer sich in der Musikszene ein bisschen auskennt und auf einem Konzertprogramm solch grosse Bandnamen wie Münchener Freiheit, Prinzen, Dschingis Khan, Rammstein oder Opus liest, der denkt allenfalls an ein Rockkonzert, aber doch nie und nimmer, dass es sich dabei um jenes eines gestandenen, traditionellen Männerchors handeln könnte. Die BesucherInnen des Jahreskonzertes „Sing a Song“ des Männerchors „Sängerbund“ Wittnau wurden vergangenen Freitag und Samstag jedoch eines besseren belehrt.
Männerchor „Sängerbund“ Wittnau Teil 1
Unter der bewährten Leitung von Monika Sturm-Schmid rockten die 28 Wittnauer Sänger durch die Musikszene der letzten neunzig Jahre und liessen dabei selbst die
Düsseldorfer Punkrocker „Die Toten Hosen“ nicht einfach links liegen.
Grundelement
Mit dem ersten - wie alle übrigen ebenfalls - auswendig gesungenen Stück „Ein Freund, ein guter Freund“ gab sich der Sängerbund allerdings noch recht traditionell. Da der Hit aus den 1920er Jahren des Vokalensemble Comedian Harmonists einige knifflige, harmonische und rhythmische Passagen hat, demonstrierten die Sänger von der ersten Minute an, dass es nicht reicht, ein Lied einfach nur auf den Lippen zu haben, sondern dafür der Mund geöffnet, die Kehle aktiviert, die Zunge zur Bildung von Vokalen und Konsonanten eingesetzt werden muss und…, dass der Rhythmus das Grundelement jeglicher Art von Musik ist. Grosse Unterstützung bekamen die Sänger diesbezüglich nebst von ihrer Dirigentin vor allem auch von der eigens aus Lausanne angereisten Pianistin Viktoria Roubtsova.
Motivation
Es ist nicht völlig auszuschliessen, dass die Sänger bei den Proben ihres anspruchsvollen Jahres-Konzertes wie die Münchener Freiheit oft gedacht haben: „Das grosse Ziel ‚ist‘ (war) viel zu weit, für uns're Träume zu wenig Zeit“, sie jedoch von der Dirigentin mit den Worten: „Versuchen wir es wieder, so lang' man Träume noch leben kann“ zum Weitermachen motiviert wurden. Dies äusserst erfolgreich, das Wittnauer Publikum jedenfalls quittierte den sensibel, gefühlvoll, pointiert gesungenen, 1987 die Hitparade stürmenden Hit mit frenetischem Applaus.
Hätten sich in der Mehrzweckhalle in Wittnau Thurgauer befunden, wäre es bestimmt zum grossen Eklat gekommen, als ausgerechnet der aus Mostindien stammende Hans Landolt als Solist eines Sextetts den Prinzen-Hit „Alles nur geklaut“ sang und obendrein ihm das Plenum mittels heftigen Beifall noch beipflichtete.
Klang des Schweigens
Genauso wie das US-amerikanisches Folk-Rock-Duo Simon & Garfunkel es schaffte, mit seinem Song „The Sound of Silence“ - trotz dessen gesellschaftskritischen Textes - die Herzen seiner Zuhörerschaft zum Schmelzen zu bringen, schaffte selbiges auch der „Sängerbund“ Wittnau. Nach einer Sekunde berührender Stille durchbrach das Auditorium enthusiastisch applaudierend den „Klang des Schweigens“. Davon angesteckt schlossen sich die Sänger der Empfehlung der Gruppe Dschingis Khan an und deklarierten feurig: „Moskau Moskau, wirf die Gläser an die Wand, Russland ist ein schönes Land“
Highlights
Zu den grossen Hits der traditionellen Männerchorlieder gehört zweifelsfrei „La Montanara“, dessen gefühlvolle Interpretation zu den Highlights des Jahreskonzertes der Wittnauer Sänger gehörte. Nebst dem Outfitwechsel gehörten zu den Prämissen des Sängerbundes auch kleine Showeinlagen, was sie wie vorgängig auch schon beim „Sing a Song“ tanzend machten.
Wenn überhaupt vorhanden, so waren in der Wittnauer Mehrzweckhalle die Fans der deutschen Hardrockband „Rammstein“ bestimmt eine kleine Minderheit. Nach dem beinah symphonisch, mindestens fünfstimmig gesungenen Vortrag, deren Song „Engel“ war dies vermutlich nicht mehr der Fall. Und sicherlich hat dieser weitere Höhepunkte des Konzertes die eine oder den anderen dazu bewogen, sich etwas näher mit der Band zu befassen.
Türöffner
Nachdem acht Wittnauer Prinzen es ihren fünf adeligen Kollegen aus Leibzig gleichtaten und auf den „Mann im Mond“ aufmerksam machten, öffnete der Chor dem entflammten Publikum mit dem Song „Altes Fieber“ der Düsseldorfer Punkrocker „Die Toten Hosen“ eine weitere Tür in eine ihm mehrheitlich wohl eher fremde Musikszene.
Sittenwächter
Um das Publikum bei der Textpassage „der Spargel wächst“ des Evergreens „Veronika, der Lenz ist da“ vor unmoralischen, sexistischen Gedanken zu bewahren, verwies der Chor explizit auf die Gemüsepflanze.
Ob in den 1950er Jahren der von den Chordettes angeflehte Mr. Sandman den vier Damen ihren ersehnten süssesten Traummann mit Lippen wie Rosen und Klee je zukommen liess, ist nicht bekannt. Dem selbigen Flehen der 28 Wittnauer Männer wird „Mr. Sandman“ indes bestimmt nicht versagen, sofern es denn wirklich auch deren innigster Wunsch ist, woran allerdings zurecht gezweifelt werden kann. Na ja, vielleicht sangen sie das Lied auch stellvertretend für ihre Dirigentin Monika Sturm-Schmid.
Live is Life
Es wäre allerdings ein gehöriger Affront gegen die Lebenspartnerin gewesen, wenn auch das Dezett sein „Only You“ (Nur Du) der Dirigentin gewidmet hätte. Vermutlich um ja keine diesbezüglichen Vermutungen aufkommen zu lassen, zerstreute der Chor etwaige Gedanken mit dem im „Rama Lama Ding Dong“ gemachten Bekenntnis: „Ich werde sie nie, nie gehen lassen, eins ist sicher, sie gehört mir, nur mir, die ganze Zeit“. Ja - und mit dem abschliessenden Bekenntnis des Männerchors „Sängerbund“ Wittnau „Live is Life“ (Lebendig ist Leben) lieferte er - gewollt oder ungewollt - das Fazit seines Jahreskonzertes.
Denn mit ihrem „Live is Life“ meinte die österreichische Rockband Opus sinngemäss: „Das (wahre) Leben passiert jetzt, zu dieser Minute, in diesem Augenblick.“ Daraus wiederum lässt sich die Empfehlung ableiten: „Lebe den Augenblick“, „Geniesse den Augenblick“ und dem konnte in der Mehrzweckhalle Wittnau unbeschwert, in vollen Zügen nachgegangen werden.
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