„Theater Echad“ - hautnah anders
Von: Hans Berger
Die Kunst, dass Schauspieler auf der Bühne und vor Publikum ein Stück aufführen ist relativ jung, die Welt kennt sie erst seit etwa 2‘500 Jahren. Die Idee, zusammen mit behinderten Menschen Theater zu spielen wurde jedoch erst vor rund fünfzig Jahren verwirklicht. Noch jünger ist das vor vier Jahren vom Sozialpädagogen Hans Furrer für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gegründete „Theater Echad“, welches vergangenen Samstag im Gemeindesaal der Kath. Kirche Stein die Uraufführung seiner neusten Produktion „Uf die anderi Site gah“ hatte.
Theater Echad spielt, singt und tanzt
„Uf die anderi Site gah“ müssen auch jene Besucher, welche zum ersten Mal einer derart gemischten Aufführung beiwohnen, denn schliesslich wurde einem ja eingetrichtert, behinderte Menschen nicht anzustarren, was sich bei einem Theater jedoch kaum vermeiden lässt. Das zweite Handicap der unbeeinträchtigten Besucher ist das Lachen, weil ein ungeschriebenes Gesetz das Auslachen von Behinderten schlichtweg untersagt.
Bedenken, welche sich schon während der ersten Szene in Luft auflösen. Theater bleibt eben Theater. Die SchauspielerInnen, egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung, wollen die Aufmerksamkeit ihres Publikums. Nicht zu starren, nicht zu lachen, Emotionslosigkeit wäre für die DarstellerInnen eine Brüskierung. Die Crew vom „Theater Echad“ hatte vergangenen Samstag diesbezüglich nichts zu klagen, im Gegenteil.
Fürsorgepflicht
Ja, es gibt kritische Stimmen, welche in solchen Ensemblekonstellationen eine Manipulation eines behinderten Menschen und dessen Zur-Schau-Stellen sehen. Ja, sie haben Recht, genauso wie bei jedem nichtbehinderten Schauspieler. Wer auf die Bühne geht, ob behindert oder nicht, muss sich der Konsequenzen bewusst sein, die damit verbunden sind. Brigitte Bardot wurde auch nicht wegen ihrer Intelligenz in bestimmten Rollen eingesetzt, so wie auch Arnold Schwarzenegger nie Shakespeares Hamlet anvertraut wurde.
„Aber das sind doch Behinderte! Da gilt eine besondere Fürsorgepflicht!“ Auch behinderte Menschen, selbst wenn sie geistig behindert sind, können sehr wohl für sich selbst entscheiden, wenn man ihnen entsprechende Hilfestellung gibt und auf das hört, was sie sagen.
Dies ist auch das A und O für Hans Furrer. Wohl hat er das Stück „Uf die anderi Site gah“ verfasst und die Musik dazu geschrieben, mitgestaltet haben es indes auch die DarstellerInnen.
Spontanität
Und noch ein Zweites ist aufgefallen. Das Besondere beim Theater mit behinderten Darstellern, und hier gerade mit sogenannten lern- und geistig Behinderten, ist die Spontanität. Hans Furrer geht es offensichtlich nicht darum, einen ganz bestimmten Text auf diese - und nur diese - Weise, wie ein gut dressierter Papagei, nachzuplappern. Vielmehr scheint ihnen Hans Furrer sowohl als Autor wie Regisseur einen spielerischen Rahmen vorzugeben, den die Akteure mit ihrer Kreativität ausfüllen.
Was, obwohl er seine Truppe im Griff hat und ihr mit kleinen Blick-, Finger- oder Kopfzeichen laufend Regieanweisungen gibt, dazu führen kann, dass er ab und an sein Werk als Neuschöpfung und Neuinszenierung erleben darf und vielleicht auch mal muss.
Evaluierung
Weil der Mensch von Grund auf nun mal neugierig ist, neigt er als Zuschauer auch dazu, herausfinden zu wollen, wer von den zehn Spielleuten mit oder ohne Beeinträchtigung ist. Da jedoch der Autor Hans Furrer die Rollen den SchauspielerInnen quasi auf den Leib geschrieben hat, ist die Evaluierung einerseits schwieriger als gedacht und andererseits das Resultat nicht eindeutig.
Das „Theater Echad“ praktiziert, was der österreichische Lehrer und Dichter Ernst Ferstl mit „Das Wesentliche im Umgang miteinander ist nicht der Gleichklang, sondern der Zusammenklang“ umschrieb. Allein diesen Zusammenklang erleben zu können, macht den Besuch vom „Theater Echad“ zum grossen Erlebnis.
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