Theater Stein – fulminant, spritzig, frech, erotisch
Von: Hans Berger
Das Ensemble vom Theater Stein verkörpert die Personen im Stück „Schlüssel für zwei“ so authentisch, dass das Publikum durchaus zur irrigen Auffassung gelangen kann, sich mitten in einem wahrhaftigen Drama zu befinden, das daraus resultiert, wenn zwei adrette, durchaus liebenswerte, jedoch äusserst durchtriebene Luder und zwei erotische Abwechslung suchende, treulose Ehemänner mit dem Feuer der Liebe spielen.
Das fantastische, spielfreudige Ensemble vom Theaterverein Stein
Dabei hatte doch, vorgängig des verwirrenden Lügengespinsts, der Abend im gemütlichen Theaterstübli so harmonisch angefangen und wohl kaum jemand unter dem Premierepublikum hatte erwartet, dass der Theaterverein Stein mit seinem aktuellen Stück „Schlüssel für zwei“ eine solch abgrundtiefe, von Verlogenheit strotzende, erotische Kost servieren würde.
Ein Stück jedenfalls, bei dem kein Stein auf dem anderen bleibt und trotz dessen „Niedertracht“ herzhaft gelacht werden kann.
... und zweitens als man denkt
Zugegeben, im Leben läuft nicht immer alles rund, alleinstehende, geschiedene Frauen können davon ein Lied singen. Aber wohl nur wenige greifen so tief in die Trickkiste, um ein lukratives Einkommen zu haben wie Harriet (Katrin Gisler). Denn die Dame bestreitet ihren Unterhalt mittels zwei vermögenden, spendablen Liebhabern, die bis zum grossen Eklat aber nichts voneinander wissen. An dieser Situation findet auch Harriets Freundin Anne (Christel Wernli), deren Ehe kurz vor dem zerbersten steht, Gefallen. Daraus entwickelt sich sukzessive ein absurdes, aberwitziges Spektakel, gespiesen mit tiefschwarzem englischem Humor.
Das „Ewig-Weibliche“
Zumindest aus Männersicht beweist das Stück eindeutig: Frauen haben hinter ihrem sanften Auftreten einen Willen aus Stahl. Frauen bringen Freude und Lachen in diese Welt. Frauen sagen: Du bist heute wirklich nett zu mir“ und meinen damit „Kann es sein, dass Du immer an Sex denkst?“ Frauen Fragen: „Liebst Du mich?“ mit der Absicht: „Ich möchte Dich nach etwas Teurem fragen.“
Das „Ewig-Weibliche“, dies berühmte, vom Chorus mysticus ausgesprochene Schlusswort des Goetheschen Faust (1832) ist zum schlagenden und geflügelten Wort zugleich geworden. Goethe, der an dieser Stelle das in weiblicher Hoheit am reinsten verkörperte Ideal der hinanziehenden Liebe versteht, hatte schon vorher (1805) über Winkelmann mit ähnlicher Prägnanz geschrieben: "Nun geniesst er im Andenken der Nachwelt den Vorteil, als ein ewig Tüchtiger und Kräftiger zu erscheinen, denn in der Gestalt, wie der Mensch die Erde verlässt, wandelt er unter den Schatten, und so bleibt uns Achill als ewig strebender Jüngling gegenwärtig."
Seit vergangenen Freitag allerdings hat dieser Achill in den beiden untreuen Ehemännern Gordon (André Schnider) und Alec (Markus Hofmann) starke Konkurrenz bekommen, sodass das deren Publikum wohl eher das Duo wie Goethes Jüngling in Erinnerung behalten wird.
Männer ticken anders
Die von den englischen Autoren John Chapman und Dave Freemaner erdachte Komödie zeigt eindeutig: Männer ticken anders: Beispiele gefällig? Ein Mann zahlt, ohne mit der Wimper zu zucken, zwei Franken für ein Teil, das nur ein Franken kostet, wenn er es dringend braucht. Eine Frau hingegen zahlt einen Franken für ein Teil, das zwei Franken kostet, obwohl sie es überhaupt nicht braucht, nur weil es Aktion ist. Ein erfolgreicher Mann verdient mehr Geld, als seine Frau ausgeben kann. Eine erfolgreiche Frau findet so einen Mann.
„Nein, nie und nimmer sind Gordon und Alec ein Spiegelbild von uns Männern“, denkt wohl die Mehrheit des maskulinen Publikums, während für die Damen die beiden Herren die männliche Eigenart exemplarisch repräsentieren. Ja, ja Männer ticken anders, Frauen aber auch…..
Sintflut
Doch damit nicht genug, mit dem Auftauchen von Anne’s Ehemann Richard (Peter Dietwyler), Gordons Ehefrau Magda (Sabine Serschen) und Alec’s Ehefrau Mildred (Claudia Rehmann) kommt das Fass zum Überlaufen. Harriet und Anne wären aber nicht Harriet und Anne, wenn sie die drohende Sintflut nicht mit weiteren, an den Haaren herbeigezogenen Lügengespinsten zu verhindern wüssten.
Wie und noch vieles andere sei jedoch an dieser Stelle nicht verraten, sondern ist am kommenden Wochenende im Saalbau Stein in Erfahrung zu bringen.
Fazit
Diesen bitteren, zugleich zuckersüssen Hintergrund nutzt die brillante Regisseurin Esther Ammann zusammen mit dem Schauspielensemble als Spielwiese für eine herrliche Boulevardkomödie. Wieder einmal beweist der Theaterverein Stein, dass er zumindest im Fricktal zu Recht als Meister der leichten Komödie gilt.
Mit gutem Gespür fürs Timing inszeniert Esther Ammann diese frivole Komödie, in der niemand des Ensembles hintenansteht. Mit viel Engagement stürzen sich alle Akteure in ihre Rollen, landen jede Pointe, Mimik bis hin zum Augenaufschlag und kleinsten Fingerzeig punktgenau und schaffen es so, jede Menge Sympathien für sich und den Verein zu erspielen, was seitens des begeisterten Publikums mit vielen Szenen- und einem riesengrossen Schlussapplaus quittiert wird.
«fricktal24.ch – die Online-Zeitung fürs Fricktal
zur Festigung und Bereicherung des Wissens»