Effizienzsteigerung bei Kantonen im Milliardenbereich möglich
Von: mm/f24.ch
Um die Effizienz der Schweizer Kantone objektiv und quantifiziert beurteilen zu können, haben das Institut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) der Universität Lausanne und PwC Schweiz gemeinsam das Effizienz-Monitoring entwickelt. Es setzt die kantonalen Leistungen in den Bereichen Bildung, Kultur, Sozial- und Strassenwesen in Relation zum Ressourceneinsatz.
Das Monitoring zeigt: In den vier untersuchten Gebieten besteht erheblicher Spielraum zur Effizienzsteigerung. Potenziell entspricht die Abweichung zur vollen Effizienz 10,8 Milliarden Franken, die sich anderweitig einsetzen liessen. Aufgrund externer, kaum beeinflussbarer Faktoren dürfte sich dies allerdings nie vollkommen ausschöpfen lassen. Dennoch könnten Kantone ihre Leistungen mit sinnvollen Massnahmen ohne Steigerung der Ausgaben erhöhen.
Weniger effiziente Kantone kommen im Bildungswesen kaum voran
Das Bildungswesen stellt mit 27% den grössten Ausgabeposten von Kantonen und Gemeinden dar. Die Studienautoren untersuchten hierzu die Anzahl Lehrabschlüsse sowie die der Handels- und Fachmittelschule und der gymnasialen und Berufsmaturität. Die potenzielle Effizienzsteigerung über alle Kantone hinweg beträgt 21% im Jahr 2019, was 4,5 Milliarden Franken entspricht.
Am effizientesten zeigten sich die Kantone Appenzell Innerrhoden, Graubünden und Schaffhausen. Der Kanton Glarus konnte im Vergleich zum Vorjahr ganze sechs Prozentpunkte gutmachen und schaffte es auf Rang vier. Insgesamt betrachtet zeigt das Bildungswesen allerdings eher wenig Handlungsspielraum, die Kantone liegen nah beieinander.
Dennoch gibt es eine Gruppe weniger effizienter Kantone, die sich kaum steigern können. Allerdings haben soziodemografische Faktoren einen grossen Einfluss. Eine starke Fragmentierung des Gemeindegefüges oder ein grosser Anteil bildungsferner Einwohnenden kann die Effizienz eines Kantons beeinflussen.
Viel Handlungsspielraum im Kulturwesen
Für Kantone und Gemeinden ist die Kultur kaum reguliert und bietet daher grösseren Handlungsspielraum für Effizienzsteigerungen. Insbesondere weniger effiziente Kantone konnten sich innerhalb eines Jahres erheblich verbessern. Die potenzielle Effizienzsteigerung im Kulturbereich liegt im Jahr 2019 bei 38%, was 1,1 Milliarden Franken entspricht.
An der Spitze stehen die Kantone Solothurn, Aargau, der Jura, Thurgau und Glarus (in absteigender Reihenfolge). Berücksichtigt wurden hier die Anzahl geschützter Baudenkmäler, Anzahl Museen, Anzahl verkaufter Museumseintritte und Anzahl Teilnehmenden an J+S-Kursen und -Lagern.
Ländliche Kantone im Sozialwesen an der Spitze
Im Sozialwesen zeigen sich zwischen den Kantonen im Jahr 2019 grosse Effizienzunterschiede, doch zeitlich gesehen geschahen keine nennenswerten Verschiebungen zum Vorjahr. Die potenzielle Effizienzsteigerung beträgt 37% im Jahr 2019, also rund 2,9 Milliarden Franken. Auf den vordersten Plätzen rangieren das Tessin, das Wallis, Uri, Fribourg und der Jura (in absteigender Reihenfolge).
«Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass gewisse Kantone ihre Aufgaben im Sozialwesen aufgrund der ländlichen Prägung effizienter erbringen können, erklärt Pirmin Bundi, Professor am IDHEAP. «Auch hier können externe Faktoren wie beispielsweise die für Ballungszentren typischen hohen Lebenshaltungskosten die Effizienz negativ beeinflussen.»
Die Studie berücksichtigte hierfür die Bevölkerungszahl, die Anzahl Bezüger:innen für Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe sowie die Wiedereingliederungen.
Enorme Unterschiede zwischen den Kantonen im Strassenwesen
Die mittlere Effizienz im Strassenwesen liegt bei 65%. Über alle Kantone hinweg betrachtet, beträgt die potenzielle Effizienzsteigerung 38% im Jahr 2019, also 2,2 Milliarden Franken. Während die drei effizientesten Kantone Luzern, Thurgau und Aargau Effizienzwerte von knapp 80% und höher aufweisen, kommt der ineffizienteste Kanton auf lediglich 29%.
Dies kann einerseits auf die Topografie zurückgeführt werden: Der Strassenbau und -unterhalt ist durch das unwegsame und weitläufige Gelände sowie verstärkten Schneefall und Frost in Bergkantonen weit aufwändiger. Dennoch sind auch städtische Kantone unter den weniger effizienten, weshalb dies nicht als alleiniger Erklärungsfaktor greift. Die Studienautoren untersuchten im Strassenwesen die Länge der Kantons- und Gemeindestrassen, die Anzahl registrierter Fahrzeuge und die Unfälle, die sich aufgrund der Strassenlage und ungenügend geräumter Strassen ereignet haben.
Konkrete Massnahmen erforderlich
Aufgrund der vielschichtigen topografischen und sozialdemografischen Zusammensetzungen der Kantone sowie der zahlreichen politischen Vorgaben bleibt eine Einsparung von 10,8 Milliarden Franken wohl utopisch. Die Leistungen der Kantone sind meist gesetzlich vorgeschrieben oder durch die Nachfrage der Bevölkerung definiert. Es empfiehlt sich somit eher eine Effizienzsteigerung bei geringerem Ressourceneinsatz.
«Die Realisierung dieser Effizienzsteigerungen bedarf konkreter Massnahmen, bei der jeder Kanton eine individuelle Analyse benötigt. Dazu gehören unter anderem eine finanzielle Simulation, eine Identifikation von Ansatzpunkten durch Befragung von Kader-Verwaltungsmitarbeitenden und eine Priorisierung durch (politische) Entscheidungstragende», sagt Philipp Roth, Leitender Partner Government & Public Sector bei PwC Schweiz.
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