Bilanz des Krisenmanagements in der 2. Phase der Corona-Pandemie
Von: mm/f24.ch
Das Wesen einer Krise bestehe darin, dass sich die zu bewältigende Situation stets verändert. Der Verlauf einer Krise sei in der Regel geprägt durch Unvorhersehbares und gehe einher mit der Notwendigkeit, rasch Entscheide fällen zu müssen, oft ohne alle hierzu notwendigen Informationen zur Hand zu haben, so Bundeskanzler Walter Thurnherr an der gestrigen Medienkonferenz. «Auch in der Covid-19-Krise wurden die Schweiz und ihre Bevölkerung immer wieder von neuen Entwicklungen überrascht. Wenn ein Ende der Krise nahe schien, traf eine neue heftige Infektionswelle oder eine neue Virus-Variante auf, die für Verunsicherung sorgte.»
Bundeskanzler Walter Thurnherr
Auch wenn es in einer Pandemie und bei einem stark anpassungsfähigen Virus nicht möglich ist, vor-herzusagen, wie sich die Lage entwickeln wird, so ist es dennoch möglich, sich anhand wahrscheinlich eintreffender Szenarien auf etwaige Entwicklungen vorzubereiten. Der vorliegende Bericht zeigt auf, dass das Krisenmanagement der Bundesverwaltung insgesamt relativ gut funktioniert hat, dass es aber insbesondere auf strategischer Stufe teilweise an einem vorausschauenden Krisenmanagement respektive an einer Antizipation möglicher Entwicklungen gefehlt hat.
Das Krisenmanagement der Bundesverwaltung hat über den gesamten betrachteten Zeitraum hinweg relativ gut funktioniert. Die einzelnen Zeitabschnitte innerhalb der besonderen Lage wurden jedoch unterschiedlich bewertet. Das Krisenmanagement zu Beginn der besonderen Lage im Herbst / Winter 2020 wurde deutlich schlechter beurteilt als in den darauffolgenden Zeitabschnitten. Aus der Auswertung der Daten hat die BK 9 Handlungsfelder (Bereiche mit Handlungsbedarf) identifiziert und entsprechend 13 Empfehlungen formuliert.
An seiner Sitzung vom 22. Juni 2022 hat der Bundesrat den Bericht der Bundeskanzlei zur Auswertung des Krisenmanagements der Bundesverwaltung in der zweiten Phase der Covid-19-Pandemie zur Kenntnis genommen. Er hat die dreizehn Empfehlungen des Berichts angenommen und die Departemente und die Bundeskanzlei mit deren Umsetzung beauftragt. Der Schwerpunkt liegt auf der künftigen Organisation des Krisenmanagements in der Bundesverwaltung, der Koordination im föderalen System und der Institutionalisierung der wissenschaftlichen Politikberatung.
Die 13 Empfehlungen an den Bundesrat
Empfehlung 1
Die BK und das VBS sollen gemeinsam mit den anderen Departementen Varianten für die Organisation des Krisenmanagements der Bundesverwaltung auf strategischer und operativer Ebene erarbeiten und dem Bundesrat bis Ende März 2023 ein entsprechendes Aussprachepapier vorlegen. Dabei soll insbesondere ausgewiesen werden, wie auf der strategischen Ebene
• ein vorausschauendes und ganzheitliches Krisenmanagement gefördert,
• mögliche Auslösekriterien für eine überdepartementale Krisenstruktur definiert,
• Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten besser verteilt und
• die Anschlussfähigkeit für Akteure aus dem föderalen System und Dritte sichergestellt werden können.
Für die operative Ebene soll ausgewiesen werden,
• wie die künftige Krisenmanagementunterstützung zu Gunsten der federführenden Verwaltungseinheiten organisiert,
• wie bedarfsorientierte, fachliche Unterstützungsleistungen koordiniert,
• wie die Arbeiten der eingesetzten Krisengremien synchronisiert, verbindlich koordiniert und
• wie der überdepartementale beziehungsweise nationale Informationsaustausch in einer Krise verbessert werden können.
Empfehlung 2
Der Bundesrat soll den Kantonen (in einem Schreiben) bis Ende September 2022 das erkannte Verbesserungspotenzial in der Zusammenarbeit im föderalen System aus dem vorliegenden Bericht erläutern, zu den Forderungen aus dem KdK-Bericht vom 29. April 2022 beziehungsweise dem Schreiben der Kantone vom 5. Mai 2022 Stellung nehmen und das weitere Vorgehen für die Besprechung und Umsetzung von Massnahmen vorschlagen, damit die Zusammenarbeit Bund – Kantone in einer Krise verbessert werden kann.
Empfehlung 3
Die BK soll zusammen mit dem WBF (SBFI) und dem EDI (BAG) sowie in Absprache mit den anderen Departementen, im Rahmen der Beantwortung des Postulats Michel 20.3280, bis Ende 2022 ein Aussprachepapier an den Bundesrat mit verschiedenen Varianten für die Organisation der wissenschaftlichen Politikberatung erarbeiten. Neben den im Postulat erwähnten Modellen sind Alternativen – unter Berücksichtigung bestehender Strukturen und Prozesse – darzulegen und zu evaluieren. Im Aussprachepapier werden mögliche Auswirkungen auf die Organisation des Krisenmanagements der Bundesverwaltung aufgezeigt (siehe Empfehlung 1).
Empfehlung 4
Die Bundeskanzlei soll bis Ende 2022 die Ergebnisse der vorliegenden Auswertung anlässlich eines Ratspräsidientreffens vorstellen und weitere Schritte diskutieren, um die Zusammenarbeit von Bundesverwaltung und Parlament in einer Krise zu verbessern.
Empfehlung 5
Das EDA, das EDI (BAG) und das VBS sollen in Zusammenarbeit mit den anderen Departementen darlegen, welche Mechanismen, Netzwerke und Plattformen der EU für ein effektives Krisenmanagement der Bundesverwaltung notwendig sind. Sie erstatten dem Bundesrat darüber bis Mitte 2023 Bericht.
Empfehlung 6.1
Die Departemente und die BK sollen die Erkenntnisse des vorliegenden Berichts in ihren laufenden Revisionsprojekten gemäss Beschreibung im Handlungsfeld 6 berücksichtigen. Beim Abschluss der jeweiligen Projekte sollen dem Bundesrat Lehren aufgezeigt werden, die für das Krisenmanagement relevant sein können, um das diesbezügliche Wissensmanagement innerhalb der Bundesverwaltung zu pflegen.
Empfehlung 6.2
Das EDI soll im Rahmen seiner personellen und finanziellen Möglichkeiten sicherstellen, dass das durch das Projekt e-Vernehmlassung («Consultations») erarbeitete digitale Instrument auch für dringliche Konsultationen eingesetzt werden kann (zum Beispiel rasche Anpassung von Fristen und Adressaten möglich). Es soll dem Bundesrat bis Ende 2023 gegebenenfalls Massnahmen vorschlagen, welche die Umsetzung des Projekts erleichtern und beschleunigen.
Empfehlung 6.3
Die BK und das VBS sollen bei der Umsetzung der Gesamtplanungen grosser Übungen die Über-prüfung bereits gewonnener Erkenntnisse aus Krisensituationen und Übungen sowie internationale Aspekte vorsehen. Sie sollen dem Bundesrat in den Konzepten zur integrierten Übung von 2025 und für den Planungszeitraum 2026–2029 darlegen, wie ausgewählte internationale Aspekte und zentrale Erkenntnisse aus den Auswertungen des Krisenmanagements der Bundesverwaltung in der Covid-19-Pandemie sowie aus der SVU 14, SFU 17, SVU 19 beim Übungszweck und den Übungs-zielen berücksichtigt werden.
Empfehlung 7.1
Das EFD (EPA) soll zusammen mit dem VBS, dem EDA (KMZ), dem EJPD (fedpol) und der BK bis Ende 2022 in Konsultation mit allen Departementen Krisenmanagementkompetenzen definieren und das Kompetenzmodell des Bundes entsprechend erweitern. Zudem soll es bis Mitte 2023 zusammen mit der Human Resources Konferenz Bund einen Prozess festlegen, um bei Bedarf innerhalb der Bundesverwaltung rasch Personalressourcen temporär für andere Aufgaben vermitteln beziehungs-weise in anderen Verwaltungseinheiten einsetzen zu können. Dafür wird auch eine künftige Nutzung des IPDM geprüft.
Empfehlung 7.2
Das EDA soll mit dem EFD (EPA), dem VBS und dem EDI (BAG) klären, wie und durch wen der Gesundheitsschutz des Bundespersonals im Ausland künftig gewährleistet wird. Es informiert den Bundesrat bis Mitte 2023 über die Resultate der Abklärungen.
Empfehlung 8
Das EDI (BAG) soll im Rahmen der Revision des EpG die rechtlichen Grundlagen schaffen, damit die Verwendung einheitlicher, international anerkannter Standards für den digitalen Informationsaus-tausch zu übertragbaren Krankheiten verpflichtend wird und die technischen Voraussetzungen hierfür festgelegt werden.
Empfehlung 9.1
Die BK soll zusammen mit den Departementen Möglichkeiten erarbeiten, um in Krisen mit der Kommunikation des Bundesrates und den Informationskampagnen breitere Bevölkerungsschichten über mehr Kanäle (zum Beispiel soziale Medien, Applikationen, zentrale Website) und in mehr Sprachen unter Berücksichtigung sozialer und kultureller Unterschiede zu erreichen. Sie soll den Bundesrat bis Ende 2023 über entsprechende Massnahmen informieren.
Empfehlung 9.2
Das EDI (BAG) soll die Impfkampagne des Bundes hinsichtlich der Impfpromotion und der Erhöhung der Impfbereitschaft evaluieren und den Bundesrat bis Ende 2023 über die entsprechenden Erkennt-nisse und Empfehlungen für künftige Gesundheitskrisen informieren.
«fricktal24.ch – die Online-Zeitung fürs Fricktal
zur Festigung und Bereicherung des Wissens»