Bundesrat „bittet“ Google & Co. zur Kasse
Von: mm/f24.ch
Medienunternehmen sollen für die Nutzung journalistischer Leistungen durch grosse Online-Dienste künftig eine Vergütung erhalten. Davon sollen auch die Medienschaffenden profitieren. Der Bundesrat hat am 24. Mai 2023 die Vernehmlassung zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (URG) eröffnet. Sie dauert bis zum 15. September 2023.
Die öffentliche Debatte ist ein wichtiger Bestandteil von Demokratien. Mit der Digitalisierung habe sich diese zu einem wesentlichen Teil ins Internet verlagert. Die Angebote von Suchmaschinen, sozialen Medien und Multimedia-Plattformen basiere dabei weitgehend auf den journalistischen Leistungen klassischer publizistischer Medien.
Aufgrund ihrer Kürze sind die verwendeten Text- und Bildvorschauen (sogenannte Snippets) bisher nicht durch das Urheberrecht geschützt. Daher erhalten Medienunternehmen und Medienschaffende von den Anbietern der Online-Dienste heute keine Vergütung für die Nutzung ihrer Leistungen.
Anspruch auf Vergütung
In seinem Bericht «Revision des Urheberrechtsgesetzes. Überprüfung der Wirksamkeit» vom 17. Dezember 2021 hat der Bundesrat das Recht auf Schutz journalistischer Leistungen anerkannt. Weil gemäss Definition de Bundesrates Online-Dienste in hohem Mass von Leistungen der journalistischen Medien profitierten, erachtet er eine Abgeltung der journalistischen Medien für deren Leistungen grundsätzlich als berechtigt.
Der Bundesrat berücksichtigte dabei auch die internationale Entwicklung. Die EU hatte 2019 eine Richtlinie erlassen, die es Medienunternehmen erlaubt, ihre Interessen gegenüber Online-Diensten durchzusetzen. Die meisten Mitgliedstaaten haben die Richtlinie inzwischen umgesetzt.
Aufgrund dieser Analyse beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. Diese hat er am 24. Mai 2023 verabschiedet.
Auch kleine Medienunternehmen sollen profitieren
Der Bundesrat schlägt vor, dass grosse Online-Dienste den Medienunternehmen für die Nutzung von Snippets eine Vergütung entrichten müssen. Zeigt beispielsweise eine grosse Suchmaschine in ihren Suchresultaten Ausschnitte aus Zeitungsartikeln, soll der Online-Dienst dafür künftig eine Vergütung bezahlen.
Vergütungspflichtig wären ausschliesslich Online-Dienste, die eine durchschnittliche Zahl von Nutzerinnen und Nutzern von mindestens 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung pro Jahr aufweisen.
Die Verwertung der Rechte an den Medieninhalten soll über eine Verwertungsgesellschaft erfolgen. Diese vertritt die Interessen der Medienunternehmen und Medienschaffenden kollektiv und handelt mit den vergütungspflichtigen Online-Diensten die Höhe und Modalitäten der Vergütung aus.
Zwei Varianten für soziale Medien
Offen lässt der Bundesrat die Frage, ob auch das Teilen von Snippets durch die Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien zu einer Vergütungspflicht der Anbieter führt. Er hat dazu zwei Varianten in die Vernehmlassung geschickt. Vergütungsfrei bleibt das Setzen von reinen Hyperlinks.
Für die Internetnutzerinnen und Internetnutzer sollten die neuen Regelungen keine Konsequenzen haben. Die Mehreinnahmen für Medienunternehmen und Medienschaffende lassen sich derzeit nicht abschätzen, da diese von den Verhandlungen zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Nutzerverbänden abhängen. Die vereinbarten Tarife müssen von der Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (ESchK) genehmigt werden. Diese sind verbindlich.
Kommentar
Eine Linksteuer ist insofern widersprüchlich, als die Medienverlage enorm von der Reichweite der Internetplattformen und dem kostenlosen Traffic profitieren. Dank der Verlinkung auf ihre Newsportale erzielen sie ein Vielfaches an Leserinnen und Leser und damit an Werbeeinnahmen. Deshalb richten sie ihr Angebot konsequent auf Internetplattformen aus.
Hingegen schalten Plattformen ihrerseits keine Werbung auf den Suchresultaten nach Medieninhalten. Zudem entfällt nur ein geringfügiger Anteil ihrer Inhalte auf Verlinkungen zu journalistischen Inhalten: nur gerade 2% bis 4% der Suchanfragen betreffen journalistische Inhalte.
Der Bundesrat bestätigt, dass die Vergütungen an Medienverlage derzeit nicht zuverlässig einschätzbar sind und spricht von einem zweistelligen Millionenbetrag. Im ungleich grösseren Nachbarland Deutschland, das ein Leistungsschutzrecht eingeführt hat, hat das zuständige Schiedsgericht die Gesamtvergütung auf rund 3 Mio. Euro pro Jahr festgelegt. Umso unverständlicher ist, dass der Bundesrat entgegen den Ergebnissen der Regulierungsfolgeabschätzung an der Einführung des Leistungsschutzrechts festhält.
Swico, der Verband der digitalen Schweiz, lehnt das Leistungsschutzrecht aus grundsätzlichen Überlegungen ab. Zunächst ist es befremdlich, dass der Bundesrat die vom Stimmvolk verworfene staatliche Medienfinanzierung nun mit einem Leistungsschutzrecht auf Private abwälzen will. Ferner widerspricht die angestrebte Linksteuer dem Wesen eines freien Internets, das seine Vielfalt der Beisteuerung von Inhalten und Links verdankt.
Dass der Bundesrat per Randnotiz eine Regulierung von Künstlicher Intelligenz auf dem Weg eines ohnehin umstrittenen Leistungsschutzrechts in der Schweiz spontan zur Disposition stellt, führt zu einer Konfusion von Themen und unausgegorenen Zusatzforderungen.
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