Stadtmusik Rheinfelden brillierte und betörte
Von: Hans Berger
Immer, wenn im Dezember die Stadtmusik Rheinfelden zu ihrem Konzert in die röm.-kath. St. Josefskirche einlädt, ist damit seitens des Publikums aufgrund der gemachten Erfahrungen ein grosses musikalisches Erlebnis verquickt. Um es vorwegzunehmen: am vergangenen Sonntag wurden die Erwartungen einmal mehr gar übertroffen.
Schon beim ersten Stück „Godspeed“ (gute Reise), mit dem die Stadtmusik Rheinfelden unter der Leitung von Heinz Schoeneberg im Gotteshaus auftrumpfte, vermochten die Musikantinnen und Musikanten nebst dem Auditorium auch die Heiligen auf dem Wandfresko zu begeistern, wie deren aufleuchtenden Augen zu entnehmen war, dies obwohl aus deren Sicht das Kartenspiel ein Werk des Teufels ist. Das Stück von Stephen Melillo ist voller Elan und unbändiger Energie, dessen virtuosem, kaleidoskopischem, manchmal gar rockigem Klangbild sich wohl kaum jemand zu entziehen vermochte.
Magier
Zu faszinieren vermochte während des ganzen Konzertes Heinz Schoeneberg. Ein Magier am Dirigentenpult mit präziser Schlagtechnik und einer nonverbalen Kommunikation mit einzelnen Registern und Musikern während des Stücks, so als ob er der Telepathie mächtig wäre. Mit Taktstock, Körperhaltung und Blickkontakten setzt er Phrasierung, Dynamik und Artikulation einer Komposition durch.
Gaststar
Ganz den Erwartungen des begeisterten Publikums entsprechend reihte sich ein Highlight ans andere. Dazu gehörte der erst fünfzehnjährige Rheinfelder Euphonist Valerian Alfaré.
Die in dem äusserst anspruchsvollen Stück „The Legend of Spirit Island“ beschriebene harmonische, glückselige, leidenschaftliche, tragische Liebesgeschichte zwischen der Häuptlingstochter Wetona und dem Häuptlingssohn Chaska spielte Valerian Alfaré so authentisch, als wäre er selber ein Teil der Geschichte.
Die von Philip Sparke erdachten, ausdrucksvollen, melodischen Sequenzen und energiegeladenen, technischen Abschnitte meisterte der junge Euphonist so bravourös, dass ihm eine grosse Zukunft prophezeit werden kann, so er dann auch daran arbeitet.
Prachtvolles Spektakel
Die charmant und informativ durchs Programm führende Moderatorin Davina Benkert umschrieb den Inhalt des vom japanischen Komponisten Satoshi Yagisawa geschriebenen Konzertwerkes „Moses und Ramses“ wie folgt: „Die musikalischen Bilder zeigen den Königshof, die architektonische Pracht des alten Ägypten, das versklavte Volk Israel und natürlich die Flucht mit dem Höhepunkt, als Moses das Meer teilt.“
Und tatsächlich, es war ein prachtvolles Spektakel, was die Stadtmusik dem Auditorium bot. Was die „Prophetin“ Davina Benkert verkündete, erfüllte sich in den vom Orchester musikalisch gemalten Bildern.
Liebes- und Seemannslust
Nach so viel Dramatik widmete sich die Stadtmusik zwei verliebten Turteltauben, respektive dem britischen Volkslied „The Turtle Dove“, in dem er seinem „Täubchen“ verspricht, er werde es so lange lieben, bis die Sterne vom Himmel fallen, das Meer versiegt und die Felsen geschmolzen seien. Das Lied wurde vom Schweizer Komponisten Etienne Crausaz kunstvoll arrangiert und von der Rheinfelder Stadtmusik stilgemäss gespielt.
Eigentlich fehlte nur noch das englische Bier und das Publikum hätte zu hundert Prozent die Stimmung nachvollziehen können, in welcher sich die Matrosen befinden, wenn sie die englischen Seemannslieder „Princess Royal, Admiral Benbow, Portsmouth“ singen, welche das Orchester im Medley „Sea songs“ fröhlich, munter temperamentvoll spielte.
Grandioses Finale
Der „Mondsee“ ist ein Salzsee, wo die alten Azteken sich einst nach langer Wanderung niederliessen. Heute liegt an dieser Stelle Mexico City. Die Geschichte um die Ureinwohner inspirierte Kevin Houben zu seinem grandiosen Werk „Lake of the Moon“. Das wiederum nutztedie Stadtmusik Rheinfelden, um sein begeistertes Publikum mit einem glanzvollen Schlussbouquet zu beehren und betören.
Das Werk mit Schwierigkeitsgrad vier (zweithöchster) enthält Fragmente orientalischer Musik und südamerikanische Rhythmen; hier und da klingen auch russische Kosaken durch. Die Gefahren der Völkerwanderung werden in der Musik mit bedrohlichen Klängen wiedergegeben. Der letzte Abschnitt reflektiert die Freude der Azteken, die sie verspürten, als sie endlich ihr Ziel erreicht hatten.
Quittiert wurde die grosse Leistung der Stadtmusik Rheinfelden seitens des Publikums mit einem frenetischen, Zugabe fordernden Applaus, was das Orchester wiederum mit dem andächtig gespielt und gesungenen „Du fragsch mi wär i bi“ verdankte.
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