Flohmarkt Rheinfelden im Trend der Zeit
Von: Hans Berger
Um ihren Feinden vor der Stadtmauer zu beweisen, dass sie trotz Belagerung noch immer im Überfluss leben und meilenweit von einer Hungersnot entfernt sind, schickten die Rheinfelder vor 381 Jahren eine wohlgenährte Ziegen-Attrappe auf die Mauer. Mit demselben Effekt hätte der pfiffige Schneider, welcher damals die List ersann, vermutlich am vergangenen Samstag ein Video vom traditionellen Flohmarkt gedreht und diesen ins Netz gestellt; bestimmt hätten sich die Schweden auch wieder schnurstracks zurückgezogen, zumal den Nordländern die sommerlichen Temperaturen sowieso zu schaffen gemacht hätten.
Flohmarkt Rheinfelden im Trend der Zeit
Allerdings ist auch nicht völlig auszuschliessen, dass die Üppigkeit des Warensortiments vom Flohmarkt die plündernden Schweden zur Spekulation erwogen hätte: „Ja, wenn die Rheinfelder intakte Utensilien einfach so verscherbeln, muss deren Reichtum enorm sein.“ Gut, gab’s damals noch kein Internet, denn wer weiss, vielleicht würde das Zähringerstädtchen noch heute von den gierigen Schweden belagert... Nicht auszudenken, wie dann die Geschichte der letzten Jahrhunderte verlaufen wäre!
Äquivalent
Allerdings scheint diese an der Rheinfelder Altstadt (architektonisch) spurlos vorbeigezogen zu sein. Ein Eindruck, den besonders der Flohmarkt verstärkt. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass im Mittelalter, als das Marktrecht noch ein wirtschaftlich massgebender Faktor war, genauso viele Händler mit einem kunterbunten Sortiment ins Städtchen strömten wie am Flohmarkt. Mangels anderweitigen Möglichkeiten fehlte es damals gewiss auch nicht an potentiellen Kundinnen und Kunden.
Allerdings wären damals Secondhandartikel kaum ein so grosser Renner gewesen wie am Flohmarkt. Denn zur damaligen Zeit war der „ökologische Fussabdruck“ noch minimal, weil die Wegwerfgesellschaft X irgendwo noch im tiefsten Tiefschlaf lag.
Stimulierend
Heute allerdings trägt ein Flohmarkt dazu bei, den „ökologischen Fussabdruck“ zumindest ein wenig einzudämmen, aber dennoch ändert er nichts daran, dass beinahe dreimal die Erde erforderlich wäre, wenn alle Menschen dieser Welt wie die Schweizer Bevölkerung leben würden.
Nichtsdestotrotz, ein Flohmarkt hebt die Stimmung, einerseits weil nicht alles weggeschmissen werden muss, nur weil es nicht mehr gebraucht wird und andererseits, weil er ermöglicht, für wenig Geld Sachen zu erwerben, die eigentlich nicht zwingend gebraucht werden, deren Besitz aber Glückshormone zu stimulieren vermag, denn letztendlich braucht die Welt um weiterzukommen nicht verdrossene, sondern ausschliesslich glückliche Menschen.
Der Flohmarkt Rheinfelden vermochte diesen Kreis - jedenfalls für einen kurzen Moment - zu erweitern und dies erst noch jeweils im Doppelpack, da der zustande gekommene Handel sowohl Käufer wie Verkäufer beglückte.
Nachhaltigkeit
An Flohmärkten wechseln viele Objekte die Besitzer und nach einigen Jahren werden sie vielleicht erneut an einem Flohmarktstand feilgeboten. Diese Entwicklung passt zu vielen weiteren Trends unserer Zeit. Darunter fallen beispielsweise die Themen Nachhaltigkeit, Authentizität und Sharing.
Beim Sharing geht es beispielsweise nicht darum, etwas Neues alleine zu besitzen, sondern zu teilen. Dazu zählt auch der Trend, von einem Gegenstand einen Teil seiner Lebensdauer zu nutzen und ihn dann weiterzugeben.
Aus Sicht der Nachhaltigkeit ist es absurd, für jeden Lebensabschnitt alles neu zu kaufen und danach wieder zu entsorgen. So macht es beispielsweise bei Kinderwagen, -velos oder Spielsachen doch viel mehr Sinn, wenn sie den Besitzer wechseln. Dieses Bewusstsein entwickle sich zunehmend stärker.
Das Alter der Angebote spielt meist keine Rolle beim Flohmarkt, auch der finanzielle Aspekt nicht zwingend. Es geht darum, im heutigen Überfluss und bei dem kommerziellen Massenkonsum noch etwas mit einem guten Gefühl kaufen zu können. Nicht zu vergessen ist der zwischenmenschliche Aspekt. Es entstehen Kontakte mit Menschen - man lernt vielleicht die Geschichte des Stücks kennen, welches man kaufen will.
Ja, der Trödlermarkt von einst ist längst aus seinem Schatten getreten und reflektiert die Gesinnung eines stetig wachsenden Teils der heutigen Gesellschaft.
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