Auffahrt ist nicht gleich Ausfahrt
Von: Hans Berger
Mit Ausnahme vom 1. Januar, 1. Mai und 1. August haben alle anderen Feiertage einen religiösen Ursprung, deren Kern in unserer säkularisierten Hemisphäre kaum noch wahrgenommen, geschweige denn nachvollzogen werden kann. Dazu gehört gewiss auch der heutige Auffahrts- respektive Christi Himmelfahrtstag. Soviel zum Voraus: Auch wenn die Staus am Gotthard einen anderen Eindruck vermittelt, Auffahrt und Ausfahrt sind zwei Paar Stiefel.
Der Feiertag bezieht sich auf eine Episode in der Apostelgeschichte, nach der Jesus Christus vierzig Tage nach seiner Auferstehung seinen Jüngern erschienen und in den Himmel aufgefahren ist. Daher wird der Tag auch Auffahrt genannt. Jedes Jahr wird Christi Himmelfahrt an einem Donnerstag, 40 Tage nach Ostersonntag und zehn Tage vor dem Pfingstfest gefeiert.
Was wird an Christi Himmelfahrt gefeiert?
Mit Ostern schliessen drei von vier Evangelien ihren Bericht vom Leben und Wirken Jesu. Die Auferstehung ist das Schlusskapitel der Evangelien und der Schlüssel zur Deutung der Lebensgeschichte Jesu. Der Verfasser des Lukasevangeliums entfaltet diesen Schluss durch die Erzählung von der „Himmelfahrt“ des auferstandenen Christus.
Danach hat sich Jesus Christus nach seiner Auferstehung 40 Tage lang den Aposteln gezeigt, bevor er von ihnen schied und in den Himmel fuhr (Apostelgeschichte 1,1-11; Lukas 24,51). Ein Vers im Markusevangelium fügt dem im Anschluss an Psalm 110,1 hinzu, dass Jesus sich „zur Rechten Gottes“ gesetzt hat (Markus 16,19). Das wiederholt der Artikel zu Jesus Christus im apostolischen Glaubensbekenntnis, wo es über Jesus Christus heisst: „aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters“.
Das Fest Christi Himmelfahrt ist erst seit dem Ende des 5. Jahrhunderts fester Bestandteil des kirchlichen Festkalenders. Seiner theologischen Bedeutung nach ist es das Bindeglied zwischen dem Oster- und dem Pfingstfest.
Missverständniss
Der theologische Sinn von Christi Himmelfahrt erschliesst sich nur schwer, wenn man versucht, sie als historisches Ereignis zu fassen. In der Malerei der Renaissance und des Barock wurde sie zwar oft als leibliche Aufnahme Jesu in den buchstäblichen Himmel jenseits der Wolken dargestellt. Doch leben auch solche Gemälde vom Gleichnischarakter des „Himmels“.
Schon Martin Luther hat gegen Missverständnisse betont, dass dieser Himmel des Glaubens kein räumlicher Ort „über uns“ ist. Der Himmel, der etwa in der Gottesanrede „Vater unser im Himmel“ gemeint ist, ist die metaphorische Bezeichnung eines Anderswo, eines Jenseits, in denen die Beschränkungen der geschaffenen Welt nicht gelten.
Theologische Interpretation
Aus christlicher Sicht wurde Jesus durch die „Himmelfahrt“ von den Bedingungen der Endlichkeit befreit. Er geht nicht, wie er gekommen ist. Der Sohn Gottes, der sich für die Menschen in die Endlichkeit begeben, erniedrigt und sein Erlösungswerk vollbracht hat, wird erhöht und kehrt heim zum Vater.
Diese Erhöhung wurde in der Theologiegeschichte im Anschluss an Markus 16,19 und Psalm 110,1 auch als Inthronisation verstanden. Jesus Christus, der für die Menschen zum Knecht geworden ist, erlangt am Ende die Königswürde. So kommt sein Erlösungswerk zum Abschluss. Es wird besiegelt und ist nun ewig und universal gültig. Die ganze Schöpfung soll durch Jesus Christus erlöst werden. Er ist Herr und König über diese Welt. Christi Himmelfahrt bedeutet daher: Jesus Christus ist nicht mehr hier, aber er lebt. Sein Geist bleibt und kehrt ständig wieder.
Wie er erhöht und verwandelt wurde, sollen auch die Menschen verwandelt werden – zu Gottes Kindern, die im Geist Christi leben. Am Himmelfahrtsfest sollen Christinnen und Christen dem scheidenden Jesus daher nicht wehmütig nachschauen, sondern verstehen, wie er die Welt verändert hat.
Christi Himmelfahrt ist, wenn man so will, die Erinnerung daran, dass Jesus Christus den Himmel auf die Erde geholt hat. Oder anders: Seit Christi Himmelfahrt ist der Himmel dort, wo Jesus Christus ist. Die Menschen sollen nicht nach dem jenseitigen Gott „über uns“ fragen. Denn Gott ist aus christlicher Sicht in Jesus Mensch geworden und in ihre Mitte getreten. So öffnet er ihnen schon jetzt hier und heute seinen Himmel.
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