Ein andersartiger Karfreitag
Von: Hans Berger
So, nun ist er wieder da, der besondere Tag, welcher in jener Geschichte vor rund 1'930 Jahren wurzelt, als ein ans Kreuz genagelter jüdischer, eine Dornenkrone tragender „Revoluzzer“ dem Tod in die Augen blickte und verzweifelt ausrief: „Eli, Eli, lama asabtani?“, das heisst: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Mitten am Tag soll sich damals der Himmel verdüstert und als der Gekreuzigte starb soll die Erde gebebt und gleichzeitig im Tempel den Vorhang von oben bis unten in zwei Teile zerrissen haben. Ein Tag, der hierzulande unter „normalen“ Umständen die Menschen einerseits in den Süden treibt oder für fröhliche Grillpartys genutzt wird. Nur dieses Jahr wird es wohl etwas anders sein. Corona zwingt alle, christlich gesinnte, wie ebenso der Religion ferne Menschen, den Tag anders anzugehen.
Aufbruch ins digitale Zeitalter
Religiöse Praxis verlagert sich derzeit aus den Sakralräumen in die eigenen vier Wände – und wird dort vielfach mit Hilfe des Internets am Laufen gehalten. Es gibt also Home-Religion und eine immens gesteigerte religiöse Praxis im digitalen Raum. Die Kreativität, die sich zeigt, ist bewundernswert: Gottesdienste in ganz unterschiedlichen Formaten werden entwickelt – als You-Tube-Videos, Live-Streams, Audio-Podcasts, Chat-Rooms. Gemeinsame Gebete im Netz, religiöse Chat- und Online-Seelsorge-Formate, die es auch bisher schon gab, werden weit intensiver nachgefragt.
Gottesdienste am Schreibtisch
Bisher war es eher ein kleiner Teil der Pfarrer- oder Priesterschaft, die sich an der Entwicklung solcher Angebote beteiligte. Nun werden viele aktiv. So wird es zum Beispiel auch in der Reformierten Kirchgemeinde Region Rheinfelden über die Ostertage mehrere Stay at home-Gottesdienste geben.
So ein Gottesdienst via Internet aus der eigenen Kirchgemeinde ist allerdings nicht vergleichbar mit jenem in der Kirche, einerseits ist er intimer, andererseits kann es einem Mühe bereiten, selbst gängige Kirchenlieder alleine oder im kleinen Familienkreis mitzusingen. Ein grosser Vorteil ist jedoch die zeitliche Ungebundenheit der Teilnahme am Gottesdienst und die Möglichkeit, nicht verstandene Predigtpassagen wiederholen zu können.
All diese Angebote bieten eine grosse Chance: Sie ermöglichen einen niederschwelligen Zugang zur Religion. Jede und jeder kann via Internet sehen, was andere Konfessionen, Religionen derzeit sagen und anbieten. Da aber der Individualismus der Gemeinschaft wenig dienlich ist, wäre wünschenswert, dass YouTube-Gottesdienste nicht zum Standard werden.
Ein zusätzliches Problem ist, dass digitale Formate an manchen vorbeigehen, die uns am dringendsten bräuchten: die älteren Menschen, die kaum oder gar nicht im digitalen Raum unterwegs sind. Aber auch darüber hinaus gibt es grosse Herausforderungen – etwa wenn es darum geht, Sterbende zu begleiten oder Beerdigungen zu organisieren.
Die Gemeinschaft und die face-to-face-Kommunikation spielen für den Abschied und die Trauer eine immense Rolle. Dass Vieles jetzt nur noch telefonisch möglich ist und Beerdigungen in kleinstem Kreis gefeiert werden müssen, ist belastend.
Fazit
Ja, die Ostertage machen einem so richtig bewusst, zumindest momentan ist nichts so, wie es mal war. Aber sobald die Coronakrise überwunden und die Wirtschaft wieder im Takt ist, wird vermutlich innert Kürze alles wieder so sein wie es immer war. Auch wenn sich derzeit viele Menschen wünschen, dass dies nicht der Fall sein wird.
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