Susan Schell und Jutta Wurm begegnen Franz von Assisi
Von: Hans Berger
Vier Mal in ihrer Karriere stand Susan Schell zusammen mit Peter Reber und Marc Dietrich auf der wohl grössten Showbühne der Welt - jener vom Eurovision Song Contest – und sang vor einem Millionenpublikum, 1981 waren’s gar 10,14 Millionen. Die Bühne und Zuhörerschaft sind zwischenzeitlich kleiner geworden, ihre Stimme aber umso grösser, fester, feinfühliger, poetischer wie vergangenen Sonntag in der Olsberger Stiftskirche unschwer festzustellen war, wo Susan Schell im Duett mit ihrer langjährigen musikalischen Gefährtin Jutta Wurm einen Evangelisch-reformierten Abendgottesdienst im Zeichen des Sonnengesangs von Franz von Assisi nachhaltig untermauerte.
(v.l.) Susan Schell und Jutta Wurm begegnen Franz von Assisi (Das älteste, noch zu Lebzeiten entstandene Bild Franziskus’ von Assisi,Fresko im Sacro Speco in Subiaco Foto: Parzi) (Fotomontage)
Susan Schell hat die stimmliche Qualität der Nana Mouskouri, kristallklar, eine betörende Klangfarbe und wechselt wie der griechische Weltstar mühelos von der Brust- in die Kopfstimme. Nicht minder gut ist die Stimme von Jutta Wurm, im Duett mit Susan Schell nimmt sie sich aber zugunsten der Klangfarbe zurück, dominiert aber als Gitarristin des Duos. Die beiden Musikerinnen haben dann auch bereits eine CD „Breathe, you are alive“ (Atme, du lebst) mit sechzehn Titeln herausgebracht.
Wort und Gesang
Während Jutta Wurms Ehemann, der Kaiseraugster Pfarrer Andreas Fischer und Catherine Berger, Präsidentin der Kirchgemeinde Rheinfelden, Magden, Kaiseraugst, Olsberg mit Worten auf den Heiligen Franz von Assisi eingingen, machten dies Susan Schell und Jutta Wurm mit Songs wie „If you want to live life free“ (Wenn Du frei leben willst), „Gentle Warrior“ (Sanfter Krieger), „Brother Sun, Sister Moon“ (Bruder Sonne, Schwester Mond) und „Nicht müde werden“.
Diskrepanz
Nebst dem Gesang des Duos, der Atmosphäre der Stiftskirche war aus reformierter Sichtweise aussergewöhnlich, dass in einem Gottesdienst ein Heiliger thematisiert wurde, wo doch die Reformierten ansonsten eine sehr distanzierte Haltung zu Heiligen innehaben. Catherine Berger meinte dann auch diesbezüglich: „Für uns ist Franz von Assisi kein Heiliger, aber wir haben einen grossen Respekt gegenüber ihm und seinem Lebenswerk.“
Revolutionär und Gottesmann
Und tatsächlich, Franz von Assisi ist aus heutiger Sicht eine interessante Person, zu seiner Zeit (1181 bis 1226) jedoch ein Revolutionär, der die damalige Gesellschaftsordnung in etwa genauso auf den Kopf stellte wie rund 750 Jahre später die 68er-Bewegung. Wie Viele der 1968er kam auch Assisi aus einem guten Haus und hätte als Sohn eines reichen Tuchhändlers Zeit seines Lebens eine ruhige Kugel schieben können.
Anfänglich lief bei ihm ja auch alles in geordneten Bahnen, genoss eine gute Ausbildung und führte einen ausschweifenden Lebensstil. Bis angeblich zu jenem Moment (darüber gibt es verschiedene Versionen), als dem Abenteurer in einem Traum Gott erschien und ihm empfahl: „Kehre zurück in die Heimat, denn ich will dein Gesicht in geistlicher Weise erfüllen.“ Das Leben von Franz von Assisi änderte sich schlagartig. Er zog sich immer mehr zurück und widmete sich seinem Glauben.
Der Vater hatte kein Verständnis für den Wandel seines Sohnes. Der Streit zwischen Vater und Sohn fand dann 1207 sein Ende vor Gericht: Dort verzichtete der junge Assisi auf sein Erbe und jegliche Unterstützung seines Vaters. Er wolle von nun an ohne Vermögen und nach dem Vorbild Jesu Christi leben. Als seinen Vater bezeichnete er von nun an nur noch Gott.
Türöffner
Ähnliche Brüche gab‘s auch in den 1968er-Jahren, in denen mancher Vater, manche Mutter kein Verständnis für das Handeln ihrer Kinder aufbringen konnte. Wen wundert’s also, dass der Volksdichter, Folksänger und Weltveränderer Donovan, nebst Bob Dylan ein grosses Idol der 68er-Bewegung, sich für diesen Franz von Asissi interessierte und den vom Duo vorgetragenen Titelsong zum - die Jugendjahre Assisis, gleichzeitig aber auch das Lebensgefühl und die Sehnsüchte der Hippies skizzierenden - britisch-italienischen Spielfilm „Brother Sun, Sister Moon“ schrieb. Während das Hauptwerk von Donovan der Song „Atlantis“ (Übersetzung) ist, ist selbiges bei Franz von Assisi dessen Sonnengesang.
Assisi und Donovan waren zu ihren Zeiten über den eigenen Tellerrand guckende Türöffner in eine andere Welt, die jeweils die Hoffnung schürte, besser zu sein wie die herrschende. Auch Pfarrer Andreas Fischer ist solch ein Türöffner, indem er, wie vergangenen Sonntag, die Gottesdienstbesucher immer wieder zu neuen Horizonten führt.
«Fürs Fricktal – fricktal24.ch – die Internet-Zeitung»