„Die göttliche Ordnung“ des Teunis Wijker
Von: Hans Berger
Es ist schon irgendwie grotesk, während Petra Volpes der den Kampf ums Frauenstimmrecht thematisierende Film „die göttliche Ordnung“ in aller Munde ist und die Kinosäle füllt, wurde im Vergleich dazu vergangenes Wochenende im Pfarreisaal vom Stift Olsberg die von Teunis Wijker - dem ehemaligen christkatholischen Pfarrer von Magden - mit Ikonen und kalligraphierten liturgischen Texten illustrierte, wahrhaftigere „göttliche Ordnung“ geradezu ignoriert. Womit das Sprichwort: „Wenn zwei das Gleiche tun ist das noch lange nicht dasselbe“ einmal mehr bestätigt wurde.
Teunis Wijker, Künstler und Pfarrer
Ikonen sind Kult- und Heiligenbilder der Orthodoxen Kirche und sind nicht nur zahlreich in den Kirchen zu finden, sondern jede Familie, die sich zum Orthodoxen Glauben bekennt, hat eine Ikone in der Wohnung, vor der gebetet und gesungen wird. Die Geschichte der Ikonen ist sehr komplex und hat eine bewegte Zeit hinter sich.
Die ersten Ikonen gehen schon auf das sechste Jahrhundert zurück. In dieser Zeit kam auch der Bilderstreit auf, denn nach Exodus 20.4 ist es streng verboten, Bilder und Darstellungen Gottes anzufertigen. Das Ökumenische Konzil von Konstantinopel beendete 787 die Zwistigkeit.
Augenfällig
Was bei den Ikonen sofort ins Auge sticht ist der, die dargestellte Person oder biblische Szene umhüllende, das göttliche Licht symbolisierende, Goldhintergrund. Wie Pfarrer Teunis Wijker erklärte, spielen aber auch die übrigen Farben eine zentrale Rolle. So ist auf einer Christus-Ikone das Untergewand (Chiton) rot und das Obergewand (Himation) grün. Damit ist schon farblich eine wesentliche Glaubensaussage gemacht, dass Christus Gott und Mensch zugleich ist. Rot steht für göttlich, grün für irdisch. Ikonen sind also gemalte Glaubensbekenntnisse und verkünden so in aller Stille wichtige Aspekte des christlichen Glaubens.
Die orthodoxe Liturgie bemüht sich im Unterschied zu der westlich-katholischen Liturgie, nicht das Göttliche auf die Erde herabzuholen, sondern die Teilnehmer in den Himmel zu erheben. Genauso bemühen sich die Ikonen, die keine reale Darstellung des Göttlichen zeigen und eine tiefe Spiritualität enthalten, den Betrachter in die unsichtbare Welt des Göttlichen zu erhöhen.
Kreativität und Phantasie sind inopportun
Die Ikonen werden, so Pfarrer Teunis, im strengen Sinn nicht gemalt, sondern beschrieben. Das komme davon, dass man nur Ikonen alter Meister abschreibe, also Ikonen, die im Kanon der Orthodoxen Kirche aufgelistet sind. So würden z.B. nur die Erzengel Michael und Gabriel auf echten Ikonen zu finden sein, während der Erzengel Raphael fehle.
Der individuelle Ikonenmaler spielt in der Orthodoxen Kirche also keine grosse Rolle. Die meisten Ikonenmaler bleiben anonym. Die Ikonenmalerei ist also nicht mit der Tätigkeit eines Künstlers im westlichen Sinne zu vergleichen, sie ist vielmehr ein Kunsthandwerk, das zu Beginn der Ikonenverehrung überwiegend nur in Klöstern ausgeübt wurde. Kreative Einflüsse sind beim Ikonenmalen nicht erwünscht. Pfarrer Teunis Wijker allerdings erlaubt sich, ab und an von der Norm abzuschweifen, wie er offen eingestand.
„Die Kunstwerke aus dem Mittelalter sind in einem grossen Ganzen eingeordnet, das von Gott bestimmt wird. Die Werke wollen darauf hinweisen und die göttliche Wirklichkeit hinter unserer realen Welt sichtbar machen. Darum sind die Arbeiten nie realistisch“, erklärte Pfarrer Teunis Wijker. Die Kunsthandwerker stünden im Dienste einer grösseren geistigen Ordnung, die alles durchdringe und umfasste, darum seien auf den Ikonen auch keine Signaturen zu finden. In der säkularisierten westlichen Gesellschaft werde jedoch mehr die ästhetische Seite der Kunstwerke und besonders der Ikonen betont, so der Künstler, der kein Künstler sein will.
Innere Einkehr
Das Ikonenmalen kommt für Pfarrer Teunis Wijker einem Gebet gleich, indem er sich der verehrenswürdigen Ikone zuwende und konzentriert mit seinem Werk beginne. Dabei sei die innerliche Ruhe sehr wichtig, ansonsten erschliesse sich die Ikone dem Betrachter nicht.
Zuächst wird meist das Gold auf den geschliffenen Kreidegrund aufgebracht. Dann kann mit dem Malen begonnen werden. Ikonen werden immer vom Dunklen ins Helle gemalt. Mit der Zugabe von meist weissen Farbpigmenten wird die aufzutragende Farbe etwas heller. Durch mehrfache Wiederholung wird dann die Ikone "aufgehellt". Körperteile, auch das Gesicht, werden mit stark lasierend-transparenten Farbmischungen so lange bearbeitet, bis der immaterielle Ausdruck entsteht. Da können schon mal bis zu vierzig Lasurschichten nötig sein.
Felsen oder Gebäude auf einer Ikone haben eine bestimmte Bedeutung; es ist kein freies Beiwerk, um das Bild zu füllen. Ein kahler Fels steht für Wüste und Berg, die Wüste ist der Ort der Prüfung und Versuchung und der Gottesferne. Durch das Hell-Dunkel der Farben und die Art der Konturen wird die gewünschte Lichtstimmung im Zusammenwirken mit dem Goldgrund erzeugt. Hauptziel ist es, den Blick auf die dargestellte Person oder Personengruppe zu lenken.
Die Farbgebung auf einer Ikone ist nicht frei wählbar, da jede eingesetzte Farbe eine eigene Bedeutung, eine geistliche Botschaft in sich trägt. Ästhetische Gründe spielen dabei gar keine Rolle.
Die Farbe Weiss steht für Auferstehung, Verklärung und göttliches Licht, Purpur für die geistliche Herrschaft, göttliche Macht und Würde, Brauntöne deuten das irdische-menschliche an, dunkelbraun und schwarz steht für Askese und Mönchtum, rot für das Blut Christi, der mit seinem Sterben den Tod besiegt hat und mit goldgelb wird das Göttliche betont. Dies ist allerdings nur eine ganz grobe Ausführung zur Praxis der Ikonenmalerei.
Sehenswert und nicht weniger beeindruckend waren auch die kalligraphierten liturgischen Texte. Auf diese näher einzugehen würde jedoch den Rahmen des Berichtes sprengen. Einige der Kunstwerke sind jedoch in der ausführlichen Fotoreportage zu sichtigen.
Fazit
Auch „Die göttliche Ordnung“ des Teunis Wijker war faszinierend und eindrucksvoll. Schade, dass die Ausstellung nur drei Tage dauerte.
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