Wehmütiger Abschied vom Keramikweg Oeschgen
Von: Hans Berger
„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreissen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit.“ Was der Herrscher des vereinigten Königreichs Israels Salomo bereits im 10. Jahrhundert v. Chr. zur Kenntnis nehmen musste, muss – so schmerzlich es ist - nun auch die Fricktaler Kulturszene bezüglich des Keramikweges von Oeschgen verkraften. Die einst vom ortsansässigen Keramikkünstler Mathies Schwarze lancierte und zwischenzeitlich 16. Auflage des am 19. Mai eröffneten und bis 10. Juni begehbaren Keramikwegs von Oeschgen ist gleichzeitig auch der Letzte. Gemäss Flyer ist er das goldene Finale.
Chaoten von Susan Agustoni
Was für Muslime Mekka war in den vergangenen sechzehn Jahren für viele Keramikliebhaber - zumindest der Region - Oeschgen. Daher geht mit der diesjährigen Dernière des Keramikweges ein zur Tradition gewordenes Kulturgut des Fricktals von besonderer Güte verloren.
Ein Verlust, der sich zwar in den vergangen Jahren bereits abzeichnete, aber seitens des angeblichen Kulturkantons offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen wurde, obwohl dessen Kulturminister dort heimisch ist.
Moderne Vielfalt
Die Produktion von Keramik gehört zu den ältesten Kulturtechniken der Menschheit, die auf dem Keramikweg auf Vorplätzen, Rasenflächen, Fenstersimsen, Bäumen, Mauern, in Bauerngärten, unzähligen Nischen und Ecken zu entdeckenden Objekte sind jedoch alles andere wie antiquarisch verstaubt - im Gegenteil - sie zeugten von repräsentativem, modernem, vielfach humorvollem Design.
Je mehr Zeit sich die Keramikfreunde für den Weg einräumen, umso mehr wächst die Erkenntnis, dass Töpfern nicht gleich Töpfern, Keramik nicht gleich Keramik ist und sich die Handwerkskunst nicht nur aufs Erstellen von edlen Vasen und Schalen beschränkt. Es ist ein Weg zum Verweilen, zum Schmunzeln, zum Sinnieren, der zudem den Eindruck vermittelt, dass Oeschgen das Weltzentrum für die Keramikkunst sein muss.
Existenziell
Das dem chinesischen Philosophen Konfuzius (551-479 v.Chr.) zugedachte Zitat: „Der Weg alleine ist das Ziel“ wird den Besuchern sprichwörtlich vor Augen geführt. Wer den Lehrsatz nicht beherzigt, verpasst den inhaltlichen Kern des Weges.
Ja sicher, der Mensch versäumt vieles in seinem Leben und die drolligen Zwerge, der wohl das Ende einläutende Glockenbaum, das dazu passende Tor zum Himmel, oder die ihr Kätzchen liebevoll steichelnde Frau sind nicht existenziell, aber sie muntern auf, lenken ab, erquicken Seele wie Geist, bringen Licht ins Dunkel und sind daher, entgegen der vorherigen Behauptung doch wieder lebensnotwendig.
Wie recht hatte doch Goethes Mutter (1731 - 1808) mit ihrer Analyse: „Es gibt doch viele Freuden in der Welt! Nur muss man sich aufs Suchen verstehen, – sie finden sich gewiss, – und das Kleinste nicht verschmähen. Wie viele Freuden werden zertreten, weil die Menschen meist nur in die Höhe gucken, und was zu ihren Füssen liegt, nicht achten.“
Der ausführlichen Fotoreportage kann entnommen werden, was es sonst noch alles zu sehen gibt. Da die Fotos aber weder die Farben, noch die Intensität der Werke zu wiedergeben vermögen, ersetzen sie einen gemütlichen Spaziergang auf dem Keramikweg nicht. Wie sagte doch gleich wieder dieser Chinese? … Ach ja! „Der Weg alleine ist das Ziel“, welcher aber heuer in dieser Art leider zum letzten Mal begangen werden kann.
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