Blütenvielfalt könnte Insektizid-Effekte auf Wildbienen ausgleichen
Von: Thomas Richter / f24.ch
Der Grossteil unserer Pflanzen ist auf tierische Bestäubung angewiesen. Dabei stellen Bienen weltweit die wichtigste Bestäubergruppe unter den Insekten dar. Weil sie sowohl für die eigene, als auch für die Ernährung ihrer Nachkommen grosse Mengen an Pollen und Nektar benötigen, sind sie vergleichsweise häufige Blütenbesucher. Wissenschaftler*innen beziffern den Gegenwert der Bestäubungsleistung alleine nur von den Honigbienen auf 153 Milliarden Euro pro Jahr. Wildbienen sind indes aufgrund physiologischer, morphologischer oder verhaltensbiologischer Eigenschaften im Vergleich zur Honigbiene oftmals ebenbürtige, effizientere oder gar alleinige Bestäuber bestimmter Blütenpflanzen. Für die Stabilität von Bestäubungsleistungen spielt dabei nicht nur die Anzahl, sondern auch die Artenvielfalt der Bestäuber eine wichtige Rolle.
Etwa dreissig Prozent aller Wildbienen-Arten sind auf bestimmte Pflanzenarten, -gattungen oder -familien spezialisiert und sammeln nur bei diesen Pollen. Im Verlaufe der Evolution haben sich bestimmte Blüten auch an bestimmte Wildbienen angepasst. Die einen können nicht ohne die anderen überleben. Diese Ko-Evolution bedeutet: Verschwindet diese Bienenart, wird auch die entsprechende Pflanze nicht überleben oder bedeutend weniger werden – und umgekehrt. Um es auf den Punkt zu bringen: Wildbienen sind zur Erhaltung der Artenvielfalt bei den Pflanzen unverzichtbar.
Eine höhere Blühpflanzenvielfalt erhöht also den Bruterfolg von Wildbienen und könnte helfen, negative Effekte von Insektiziden auszugleichen. Das haben Forschende der Universitäten Göttingen und Hohenheim sowie des Julius-Kühn-Instituts in einem gross angelegten Experiment festgestellt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Ecology Letters erschienen.
Für ihren Versuch untersuchten die Forschenden, wie erfolgreich sich die ökologisch und ökonomisch bedeutsame Wildbiene Osmia bicornis (Rote Mauerbiene) vermehrte. In mehr als fünfzig Flugkäfigen wurden die Wildbienen hierbei mit verschieden artenreichen Blühmischungen und insektizid-behandeltem Raps zusammengebracht. Anschliessend wurde über mehrere Monate der Reproduktionserfolg der Wildbienen, gemessen an der Zahl ihrer Brut und geschlüpfter Nachkommen, untersucht.
Das Forschungsteam fand heraus, dass sich die Zahl der angelegten Brutzellen der Wildbienen, bei denen artenreiche Blühmischungen verfügbar waren, im Vergleich zu den Tieren, bei denen nur Raps-Monokulturen verfügbar waren, verdoppelte. Der Reproduktionserfolg der Wildbienen, die ihre Nachkommen mit Pollen und Nektar versorgen müssen, erhöhte sich sowohl in Käfigen mit einer grossen Blühpflanzenvielfalt als auch durch das Vorhandensein einzelner, besonders wichtiger, Pflanzenarten.
War für die Tiere hingegen nur Raps verfügbar, der mit Clothianidin, einem Insektizid aus der Klasse der Neonicotinoide, gebeizt war, wirkte sich dies negativ auf den Reproduktionserfolg aus. Jedoch trat dieser negative Insektizid-Effekt nur in Käfigen mit Raps-Monokulturen auf, was auf eine Kompensation solcher Effekte in Käfigen mit alternativen Nahrungsressourcen aus artenreichen Blühmischungen schliessen lässt.
Die Studie zeigt, dass sowohl die Vielfalt von Blühpflanzen als auch Insektizide die Reproduktion von Wildbienen massgeblich beeinflussen, wobei eine hohe Blühpflanzenvielfalt die negativen Effekte von Insektiziden ausgleichen könnte.
„Eine mögliche Erklärung ist, dass die Bienenlarven weniger Insektiziden ausgesetzt sind, und sie von zusätzlichen Nährstoffen profitieren, wenn ihnen neben Raps auch Pollen anderer Pflanzenarten zur Verfügung steht“, erläutert Felix Klaus, Erstautor der Studie und Doktorand in der Abteilung Agrarökologie der Universität Göttingen.
„Unsere Ergebnisse betonen die wichtige Rolle von artenreichen Blühressourcen für Wildbienen“, ergänzt Prof. Dr. Ingo Grass, Leiter der Abteilung Ökologie Tropischer Agrarsysteme an der Universität Hohenheim.
„Wenn ausreichend diverse Blühressourcen in der Agrarlandschaft vorhanden sind, dann könnte dies den negativen Effekten von Monokulturen und Insektiziden entgegenwirken“, so Prof Dr. Teja Tscharntke, Leiter der Abteilung Agrarökologie an der Universität Göttingen.
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