Weltweiter Gletscherschwund hat sich beschleunigt
Von: mm/f24.ch
Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der ETH Zürich zeigt auf: Fast alle Gletscher weltweit werden immer dünner und verlieren an Masse – und das immer schneller. Die Untersuchung ist die bisher umfassendste und genaueste ihrer Art.
Rasante Gletscherschmelze: Ein tosender Schmelzwasserbach verbindet die noch vor wenigen Jahren zusammenhängenden Morteratsch- und Pers-Gletscher (r.), Engadin, Schweiz. (Foto: P. Rüegg / ETH Zürich)
Gletscher sind ein sensibler und augenfälliger Indikator für den Klimawandel. Ungeachtet der Höhenlage oder der geografischen Breite schmilzt das Gletschereis seit Mitte des 20. Jahrhunderts rasant. Doch das Ausmass des Eisschwundes wurde bislang nur lückenhaft erfasst und war unvollständig bekannt.
Nun legt ein internationales Forschungsteam unter der Federführung der ETH Zürich und der Université de Toulouse eine umfassende Studie zum weltweiten Gletscherschwund vor, die in der online Fachzeitschrift «Nature» veröffentlicht wurde. Diese Untersuchung ist die erste, die alle Gletscher der Welt – rund 220'000 – mit Ausnahme der Eisschilde Grönlands und der Antarktis umfasst. Sie ist von noch nie dagewesener räumlicher und zeitlicher Auflösung – und sie zeigt, wie schnell die Gletscher in den vergangenen zwei Jahrzehnten an Dicke und an Masse verloren haben.
Ansteigender Meeresspiegel und Wasserknappheit
Fast überall schrumpfte das Volumen des einst ewigen Eises. Zwischen 2000 und 2019 büssten die Gletscher weltweit pro Jahr im Durchschnitt insgesamt 267 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) Eis ein. Mit diesem Volumen hätte die Landesfläche der Schweiz alljährlich sechs Meter unter Wasser gesetzt werden können. In diesem Zeitraum hat sich zudem der Masseverlust stark beschleunigt.
Verloren Gletscher zwischen 2000 und 2004 noch 227 Gigatonnen Eis pro Jahr, so lag der Masseverlust zwischen 2015 bis 2019 bei 298 Gigatonnen pro Jahr. Die Gletscherschmelze verursachte dabei bis zu 21 Prozent des gemessenen Meeresspiegelanstiegs, also jährlich etwa 0,74 mm. Fast die Hälfte des Meeresspiegelanstiegs ist auf die thermische Ausdehnung des sich erwärmenden Wassers zurückzuführen, das übrige Drittel auf Schmelzwasser von den Eisschilden Grönlands und der Antarktis sowie Veränderungen bei Wasserspeichern auf den Landmassen.
Zu den am schnellsten schmelzenden Gletschern gehören jene in Alaska, Island oder den Alpen. Auch die Hochgebirgsgletscher des Pamirs, Hindukuschs und Himalajas sind stark betroffen. «Die Situation im Himalaja ist besonders besorgniserregend. Die grossen Ströme wie Ganges, Brahmaputra und Indus werden in der Trockenzeit zu einem grossen Teil durch Gletscherschmelzwasser gespeist.
Zurzeit wirkt die Zunahme des Schmelzwassers für die Menschen der Region wie ein Puffer. Schrumpfen die Himalaja-Gletscher jedoch weiterhin mit steigendem Tempo, könnten bevölkerungsreichen Staaten wie Indien oder Bangladesch in wenigen Jahrzehnten Wassernot oder Nahrungsmittelengpässe drohen», sagt Erstautor Romain Hugonnet von der ETH Zürich und der Universität Toulouse.
Die Resultate können nun verwendet werden, um hydrologische Modelle zu verbessern und genauere Vorhersagen auf lokaler und globaler Ebene zu machen, beispielsweise um abzuschätzen, wie viel Schmelzwasser von Himalaja-Gletschern in den kommenden Jahrzehnten zu erwarten ist.
Zu ihrer Überraschung identifizierten die Forschenden auch Gegenden, in denen sich die Schmelzraten zwischen 2000 und 2019 verlangsamten, etwa an der Ostküste Grönlands, in Island und Skandinavien. Die Forscher führen dies auf eine Wetteranomalie im Nordatlantik zurück. Diese sorgte von 2010 bis 2019 lokal für höheren Niederschlag und tiefere Temperaturen, was den Eisschwund bremste.
Das Forschungsteam deckte zudem auf, dass die sogenannte Karakorum-Anomalie am Verschwinden ist. Vor 2010 waren die Gletscher in diesem Gebirge stabil oder sie nahmen gar zu. Die aktuelle Studie zeigt auf, dass nun aber auch die Karakorum-Gletscher an Masse einbüssen.
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