Wenn Bäume und Felder gut zusammenpassen
Von: Renate Hodel
Agroforst prägt die Schweiz seit Jahrhunderten und hat in einigen Regionen eine lange Tradition. Vor Herausforderungen wie dem Klimawandel, Biodiversitätsverlust oder Bodenerosion bringen moderne Agroforstsysteme auch in der produzierenden Landwirtschaft zunehmend Vorteile.
Rund neun Prozent der landwirtschaftlichen Fläche werden heute agroforstlich genutzt. Dies hauptsächlich in Form von traditionellen Agroforstsystemen wie den Wytweiden im Kanton Jura, den Kastanienselven im Tessin oder in Form von klassischen Hochstammobstgärten.
Auf intensiven bewirtschafteten Ackerflächen ist diese Mischform allerdings verschwunden, erhält durch die Klimaerwärmung aber wieder neuen Aufschwung: Je länger, je mehr, stösst die Agroforstwirtschaft, bei der Bäume und verschiedene Kulturen miteinander kombiniert werden, auch in der produzierenden Landwirtschaft verstärkt auf Interesse und entwickelt sich allmählich zu einer ökologischen Alternative mit durchaus ökonomischen Vorteilen.
Ökologische sowie ökonomische Vorteile
Die ökologischen Vorteile der Agroforstwirtschaft liegen auf der Hand: Agroforstwirtschaft leistet unter anderem einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz, denn im Holz der Bäume und Sträucher werden beachtliche Mengen an CO2 gebunden. Ausserdem sorgen die Gehölzstreifen für vielfältige Lebensräume und fördern damit die Biodiversität. Nicht zuletzt verstärken die Bäume und Sträucher auch die ästhetische Aufwertung der Kulturlandschaft.
Aber auch ökonomisch sind die Systeme vielversprechend und darum liegen diese neuen Formen solcher Doppelnutzung von Land mit Bäumen und Sträuchern einerseits und als Acker- oder Grünland andererseits zunehmend auch bei der produzierenden Landwirtschaft im Trend.
Die modernen Agroforstsysteme unterscheiden sich von den alten und traditionellen Systemen dadurch, dass sie an die aktuelle landwirtschaftliche Produktionstechnik angepasst sind. Die landwirtschaftliche Nutzung soll dabei möglichst wenig durch die Bäume beeinträchtigt werden, sodass eine ökonomisch konkurrenzfähige Produktion von tierischen, ackerbaulichen und forstwirtschaftlichen Produkten möglich ist.
Ein wesentlicher Vorteil von Agroforstsystemen in der produzierenden Landwirtschaft ist, dass sie länger anhaltende Trockenperioden besser überstehen, indem im Schutz der Bäume das Mikroklima auf dem Feld verbessert und die Verdunstung verringert wird. Die Förderung der Biodiversität begünstigt ausserdem die Rückkehr von Nützlingsarten, die Pflanzenschutzmittel wie Insektizide und Pestizide ersetzen. Darüber hinaus spenden die Bäume Schatten sowohl in Kombination mit Tierhaltung als auch in Verbindung mit Ackerkulturen und begrenzen die Bodenerosion.
Ausserdem tragen der Laubfall, abgestorbene Feinwurzeln sowie Wurzelausscheidungen der Bäume dazu bei, dass Humus angereichert wird und so die Bodenfruchtbarkeit gesteigert wird. So konnte das landwirtschaftliche Forschungsinstitut Agroscope in einem Versuch eine Humusanreicherung von 18 Prozent in nur sieben Jahren unter Agroforstsystemen feststellen.
Schlussendlich kann mit Agroforstwirtschaft die Produktpalette der Landwirtschaftsbetriebe erhöht werden – beispielsweise durch den Verkauf von Holzschnitzeln, Obst oder durch den langfristigen Kapitalaufbau in Form von Wertholz.
Agroforst im Aufschwung
Immer mehr Landwirtinnen und Landwirte entdecken diese Vorteile für sich und integrieren Agroforst in ihre Produktionssysteme. Und die Agroforstwirtschaft gibt es in allen Variationen, was in erster Linie vor allem von den Merkmalen des Betriebs abhängt, den man verändern will, sowie von den Fähigkeiten und Zielen der Landwirtinnen und Landwirte.
So gibt es in der Westschweiz Winzerinnen und Winzer, die in ihren Rebzeilen Obst- und andere Laubbäume gepflanzt haben. Der sogenannte Vitiforst soll den Boden nähren, die Biodiversität erhöhen und die Reben vor Frost und Hitze schützen. Und im zürcherischen Rickenbach setzt Landwirt Jürg Strauss auf die Kombination von Agroforst mit Ackerkulturen wie Sonnenblumen: «Unser Ziel ist es, längerfristig pro Fläche die Biodiversität und die Produktion zu vereinen und beides zu steigern.» Ähnliche Ziele verfolgt auch Landwirt Matthias Roggli, der mit der Agroforstfläche auf seinem Betrieb oberhalb von Mamishaus anstrebt, ebenfalls die Biodiversität zu erhöhen, ohne die Produktion von Nahrungsmitteln zu reduzieren.
Sechzig junge Apfel- und Birnbäume – nicht mehr als zwei von der gleichen Pro-Specie-Rara-Sorte – hat Matthias Roggli in fünf langen Reihen auf sein Ackerland gepflanzt. Zwischen zwei Baumreihen gedeiht Urdinkel; auf einem anderen Streifen weiden Hühner, die später als Weidepoulet verkauft werden.
Er hätte auch andere Baumarten wie Linden pflanzen können, welche die höhere Biodiversität aufweisen, aber der wirtschaftliche Anreiz wäre so zu gering gewesen. Denn wenn das Vorgehen nachhaltig sein soll, muss es auch finanziell nachhaltig sein. So werden die Obstbäume, wenn sie dann mal grösser sind, nicht nur Schatten spenden und den Wind abschwächen oder mit ihren Wurzeln den Boden und Wasserhaushalt verbessern, sondern auch Früchte für die Direktvermarktung als Tafel-, Most- und Trockenobst hervorbringen.
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