Viel Tohuwabohu in der Amtsstube von Münchwilen
Von: Hans Berger
Der vergangenen Dienstag publizierte neuste Bericht von Transparency International über Korruption im öffentlichen Sektor stellt der Schweiz zwar erneut ein gutes Zeugnis aus. Das bedeutet aber nicht, dass die Schweiz sich zurücklehnen kann. Exemplarisch dafür dürfte das sein, was in der Amtsstube von Münchwilen beinah stündlich passiert, sofern denn das, was das ortsansässige Theaterensemble auf die Bühne bringt, keine Fake-News sind, woran eigentlich nicht zu zweifeln ist, ansonsten hätte Gemeindeammann Bruno Tüscher nach der erfolgreichen Premiere des Theaters „D Gedächnislücke“ vom vergangenen Samstag bestimmt rechtliche Schritte dagegen unternommen, wenn diese erfolgsversprechend wären.
Spekulationen
Andererseits ist allerdings auch nicht völlig auszuschliessen, dass das Stück - wie dem Flyer zu entnehmen ist – tatsächlich der Feder von Bernd Gombold entspringt. Da dieser aber im rund 130 Kilometer entfernten badenwürttembergischen Inzigkofen wohnt, ist kaum davon auszugehen, dass er das relativ kleine Dorf Münchwilen und erst recht nicht dessen Verwaltungsstruktur kennt.
Wenn dem dann so wäre, dann konstruiert das Theaterensemble Münchwilen - den amerikanischen Präsidenten Donald Trump nachahmend - eine perfekt inszenierte Lügengeschichte und präsentierte diese als die einzig geltende Wahrheit.
Die wahrscheinlichste Variante aller Spekulationen ist indes: das Theaterensemble spielt, ohne jegliche Hintergedanken, einfach nur das nach, was sich der Autor für seinen dörflichen Schwank ausgedacht hat.
Wobei wiederum zu berücksichtigen wäre, Bernd Gombold ist nicht nur ein begeisterter Volksschauspieler und Stückeschreiber, sondern auch Bürgermeister seiner Heimatstadt Inzigkofen. Insofern spielen die zehn Schauspieler*innen Szenen, die – wie Journalisten dies auszudrücken pflegen – „aus gut unterrichteten Kreisen“ - stammen.
Zwieträchtig und Korrupt
Wenn das Sprichwort des französischen Schriftstellers, Diplomaten, Staats- und Geschichtsphilosophen Joseph Marie de Maistre (1753-1721 „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient“ tatsächlich stimmt, so ist jenem, dem der in allen Belangen überforderte Gemeindeammann Franz (Hanspeter Wirz) seit fünf Jahren vorsteht, kein gutes Zeugnis auszustellen. Zumal er das korrupte Verhalten seines, zum eigenen Vorteil Lügengeschichten verbreitenden Sekretärs Sepp (Sven Kungler) wissentlich deckt. Was die beiden in der Amtsstube fabrizieren, ist dem Oberbegriff „Säuhäfeli-Säudeckeli-Politik“ zuzuordnen. Diesbezüglich ist die Gemeindeschreiberin Hanni (Claudia Adler) geradezu ein Engel, obwohl auch sie ein wenig schlitzohrig ist.
Aber weder der cholerische Gemeindeammann, noch sein auf übelste Weise intrigierender Schreiberling werden wohl je zu erkennen vermögen: Korruption untergräbt die rechtsstaatliche und demokratische Ordnung; sie führt zum falschen Einsatz öffentlicher Mittel; sie verzerrt den Wettbewerb; sie erschwert den Handel und sie hält von Investitionen ab. Deshalb sind sich heute mit Ausnahme von Franz und Sepp alle einig: Korruption ist ein schwerwiegendes Übel.
Margaret Thatcher
Aufgrund der abstrusen, von Inkompetenz geprägten Sachlage, ist die Frustriertheit der geradezu bedauernswerten Ehefrau Helene (Beatrix Ben Kheder) durchaus verständlich, zumal ihr Angetrauter, bevor er Gemeindeammann wurde, ein ganz normaler, braver, verständiger Ehemann gewesen sein muss.
Nicht auszuschliessen, dass Margaret Thatcher Gemeindeammann Franz im Visier hatte, als sie lakonisch feststellte: „Das Rückgrat ist bei manchen Politikern unterentwickelt - vielleicht weil es so wenig benutzt wird.“ Selbst wenn Helene mit der einstigen britischen Premierministerin wenig am Hut hat, ist anzunehmen, dass sie aufgrund ihrer Erfahrung diesem Zitat vorbehaltlos beipflichtet.
Chancenlos
Wären alle Menschen solche sensationslüsterne Plappermäuler wie die Ladenbesitzerin Emma (Gerdi Woodtli), hätten die Social Media keinen Nährboden für ihre rasante Entwicklung gefunden, ja selbst das Internet würde vermutlich noch in den Kindeschuhen stecken.
Ein typischer Professor wie er im Buche steht ist Gottlieb; ob jedoch seine Studie über die vollendete Weiblichkeit jemals fertig oder gegebenenfalls in wissenschaftlichen Kreisen Furore machen wird, darf ebenso stark bezweifelt werden wie eine lang anhaltende Liebschaft zwischen ihm und der etwas dusseligen Hermine (Zita Burkart).
Diskrepanzen
So richtige Nervensägen, die auch anständige Gemeindevorsteher*Innen zum Wahnsinn treiben können, sind Louise (Brigitte Schneider) und ihr unterjochter Ehemann Karlheinz (Frank Glienke). Mit ihrer strikten Abneigung gegen Glocken, Hühnergegacker und die Dorfmusik stossen sie im Dorf auf keine Gegenliebe. Der Einzige, der ihnen die Stange hält ist ausgerechnet Gemeindeammann Franz, was wiederum seinen Freund Anton (Rainer Borer) in Rage bringt.
Evaluation
Ob die aktuelle Produktion „D Gedächnislücke“ vom Theater z’Münchwile nun tatsächlich nur eine Posse oder eventuell doch ein - zugegeben etwas arg verzerrtes Spiegelbild der Politik ist - kann morgen Samstag um zwanzig Uhr in der Mehrzweckhalle von Münchwilen evaluiert werden, arg strapazierte Lachmuskeln sind dabei aber eher ein- wie auszuschliessen.
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