Fidele Stimmung beim „Hosenlupf“ in Möhlin
Von: Hans Berger
Einmal mehr hatte vergangenen Samstag der Schwingklub Fricktal sein traditionelles Abendschwinget auf der Allmend in Möhlin bestens vorbereitet. Einen schönen Festplatz hergerichtet, beschattete Tribünen aufgestellt und verschiedene Verpflegungsstände aufgebaut. Ein Bild, wie es das Volkslied „Mir Senne hei's lustig, mir Senne hei's guet“ suggeriert. Die einzigen „Chrampfer“ waren 137 Jung- und 57 Aktivschwinger, die „Rechenmannen“ sowie das Personal. Alle anderen im idyllischen Schwingerdorf Versammelten aber taten es den Sennen gleich und genossen den Sommertag und nahmen den kurzen, aber heftigen nachmittäglichen Platzregen gelassen.
19. Abendschwinget vom Schwingklub Fricktal in Möhlin
Schwingen ist eben nicht nur ein Sport, Schwingen ist, ähnlich wie in den chinesischen Kampfsportarten, eine Lebensphilosophie und obwohl das Schwingen der eigentliche Grund für das Zusammenkommen ist, werden die Kämpfe nicht so verbissen verfolgt wie in anderen Sportarten. Oft scheint es, dass der Gemütlichkeit, dem Gespräch, dem Spass die höhere Priorität beigemessen wird wie dem, was gerade im Sägemehlring abgeht.
Nichts für „Warmduscher“
Kämpferisch geht’s dort allerdings recht zur Sache. Auch wenn an so heissen Tagen wie vergangenen Samstag der Sägemehlring ab und zu benetzt wird - ein Sport für „Warmduscher“ ist das Schwingen nicht. Böse Fouls sind zwar so gut wie unbekannt, trotzdem - Knie, Schultern, Nacken, Daumengelenke und Füsse können schon mal in Mitleidenschaft gezogen werden.
Zumal die Bewegungen der Athleten gänzlich gegen die Anatomie sind. Da ist der im Sägemehl liegende Kämpfer, der seinen Rücken mit aller Kraft durchdrückt und dabei seinen Kopf als Stütze nutzt. Da ist der Schwinger, der seinen Kontrahenten hochhebt, zu Boden schleudert und sich mit seinem ganzen Körpergewicht, welches nicht selten über hundert Kilo beträgt, drauf wirft.
Respekt
Egal, ob jung oder alt - stehen die Schwinger erst mal im Sägemehl, sind sie Draufgänger, die nichts zu verschenken haben, sind sie dann aber gebodigt, akzeptieren sie das Ergebnis ohne zu murren. Kein Kampf beginnt, ohne dass sich die Gegner die Hand geben, kein Kampf endet, ohne dass der Gewinner dem Verlierer das Sägemehl vom Rücken wischt. Die „Kraftprotze“ begegnen sich eben mit sehr viel Respekt.
Eine wohltuende Bescheidenheit ist Trumpf bei den Schwingern. Protzigkeit hat hier keinen Platz, ebenso wenig auch beim, auf den ersten Blick durchschaubaren Sport selber. Zwei gehen aufeinander zu, packen sich gegenseitig an den Schwingerhosen und versuchen wortlos, den Kontrahenten auf den Rücken zu legen. Auch diesbezüglich ist die Beziehung zum Kampfsport der Chinesen und Japaner frappant.
Unspektakulär spektakulär
Der Beobachter sieht sehr bald, welche körperliche Leistung und Anstrengung ein solcher „Kampf“ abverlangt. Es ist ein Mix von Aktion, Reaktion und Duldsamkeit. Egal, in welcher Lage sich die Kämpfenden befinden - fühlen, beobachten und auf die ultimative Chance warten sind Devisen, die unabdingbar mit dem Schwingen verbunden sind. Und dann gibt es doch immer wieder die kurzen spektakulären Szenen: wenn der Zuschauer glaubt, der eine hat den anderen so fest im Griff, dass der Sieger bereits feststeht, nimmt das Ganze doch eine andere Wende wie kurz zuvor prognostiziert.
Es ist die Andersartigkeit, respektive die Ursprünglichkeit dieses Sportes, abseits von Glimmer, Prestige und Stress, welche den besonderen Reiz ausübt und auch in den „unteren Ligen“, anders wie in sonstigen Sportarten, bereits schon tagsüber viele Zuschauer anlockt.
Finalissima
Anders wie erwartet war dann auch das Resultat vom 19. Abendschwinget bei den Aktiven. Hofften die Fricktaler im Vorfeld noch, dass David Schmid als Sieger die Schwingerarena verlässt, musste er sich mit dem dritten Platz begnügen und den Sieg inklusive Rindli Melina dem Freiämter Andreas Döbeli vor Joel Strebel neidlos zugestehen (Rangliste).
Beim Fricktaler Nachwuchs hingegen wurde in der Kategorie Jahrgang 2008-2009 dem Wegenstetter Tim Schreiber die Ehre zuteil, auf den Schultern der Kollegen durch die Arena getragen zu werden (Rangliste).
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