Ein Specht zeigt die Vielfalt eines Waldes
Von: Bettina Jakob
Einer steht für viele. So funktioniert das Prinzip einer Schirmart. Eine Rolle, die der seltene Weissrückenspecht für die totholzfressenden Käfer einnimmt. Er zeigt so indirekt Biodiversität an, wie Forschende der BFH-HAFL belegen.
Der Weissrückenspecht mag Totholzkäfer. (Foto: Simon Niederbacher)
Laub- und Mischwälder mit viel Totholz – das ist der bevorzugte Lebensraum des Weissrückenspechts. Wegen intensiver Waldnutzung seit Anfang des 19. Jahrhunderts war die Vogelart vielerorts verschwunden.
«Heute besiedelt der Weissrückenspecht wieder die Wälder der Ostschweiz, Vorarlbergs und Liechtensteins, weil die Waldbewirtschaftung in Europa in den letzten Jahrzehnten extensiver geworden ist; man lässt mehr Totholz stehen und liegen», erklärt Romain Angeleri, Ökologe an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL.
Mehr Käfer im Lebensraum des Spechts
Da der Weissrückenspecht hauptsächlich totholzfressende Insekten verzehrt, steht er mit dem Vorhandensein von grösseren Mengen an Totholz in Wäldern in Verbindung.
Die Forschenden wollten nun herausfinden, ob es folglich in Wäldern, wo der Specht vorkommt, auch mehr Totholzkäfer hat; diese sind nicht nur «Spechtfutter», sondern wichtig für den Wald: Die totholzfressenden Insekten zersetzen das abgestorbene Holz und tragen damit zum natürlichen Kreislauf des Waldökosystems bei und sind ein Zeichen für Biodiversität.
Hat es tatsächlich mehr Totholzkäfer, kann der Specht als Schirmart von Totholzkäfern gelten, die sich in ökologisch wertvollen Lebensräumen aufhalten. Eine Schirmart ist eine Art, bei der vom Schutz deren Lebensraums auch andere Arten profitieren können, die denselben Lebensraum teilen.
Schützt man einen, schützt man viele
Den Zusammenhang Specht-Käfer können die Waldökologen Romain Angeleri und Thibault Lachat in ihrer neuen Publikation in «Ecological Indicators» mit Zahlen belegen: In den Brutgebieten des Weissrückenpechts wurden mehr Käferarten gefunden, die auf der Roten Liste stehen, als in Gebieten ohne diesen Specht.
17 Arten, darunter 4 bedrohte, sind sogar eng mit dem Lebensraum des Spechts verknüpft – im Vergleich zu 3 unbedrohten Arten in «spechtlosen» Gebieten. Somit bestätigen die Forschenden, dass der Weissrückenspecht Schirmart für Totholzkäfer ist: «Schützt man den Vogel, schützt man dadurch viele Totholzkäferarten.»
Romain Angeleri: «Wir haben auch beobachtet, dass die wichtigen, ökologisch wertvollen Lebensräume nicht nur aus Waldreservaten bestehen, sondern auch aus Wäldern, die zur Holzproduktion und zum Schutz vor Naturgefahren genutzt werden.»
Suchen, fangen, messen, bestimmen
Um die Beziehung Specht-Totholzkäfer zu ergründen, wurden mit Daten von Spechten, die von Forschenden der Schweizerischen Vogelwarte mit Funksendern ausgestattet worden waren, «spechtaktive» Waldgebiete identifiziert. Mit Fallen fing, bestimmte und untersuchten Angeleri und sein Team mehr als 20'000 Käfer aus über 400 Arten. Auch der Lebensraum wurde charakterisiert, die Menge und das Zerfallsstadium des Totholzes gemessen. Die Zusammenarbeit zwischen den BFH-HAFL-Forschenden mit jenen der Schweizerischen Vogelwarte und auch mit der Abteilung Conservation Biology der Universität Bern stellte die Basis für diese Studie dar.
Romain Angeleri und Thibault Lachat hoffen, dass man sich aufgrund ihrer Ergebnisse stark für den Weissrückenspecht macht, der immer noch sehr selten und gemäss roter Liste der Schweiz «verletzlich» ist. «Dieses Engagement kommt zugleich auch den totholzfressenden Insekten und der Biodiversität im Wald zugute.»
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