Soziale Kompetenz für autonome Autos
Von: Patrizia Attar
Autofahren ist mehr als Gas geben, lenken und bremsen: Eine entscheidende Rolle spielt die Verständigung mit anderen Verkehrsteilnehmern. Das autonome Fahrzeug der Zukunft muss deshalb unter anderem mit Fussgängern interagieren. Dazu muss es erkennen, welche Passanten relevant werden könnten, um sodann deren Verhalten zu erfassen und zu deuten. Ein Prototyp eines Systems, das mittels Künstlicher Intelligenz genau das leisten soll, hat nun das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Karlsruhe vorgestellt.
Welche Passanten relevant sind für das Auto hängt davon ab, wo sie sich befinden und in welche Richtung sie laufen: Visualisierung eines im Projekt untersuchten Szenarios. (Foto: Projektkonsortium INITIATIVE)
Will der Fussgänger die Strasse überqueren oder nicht? Das ist für Manuel Martin eine Schlüsselfrage für seine Forschung. Was ein menschlicher Autofahrer in der Regel intuitiv und ohne nachzudenken wahrnimmt, etwa anhand von Standort, Blickrichtung und Gestik, muss ein autonomes Fahrzeug erst beigebracht bekommen, um auch in einem Wohngebiet oder vor einer Schule sicher eigenständig agieren zu können.
Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) bieten das Potenzial, Videobilder dahingehend zu analysieren – aber müssen erst anhand grosser Mengen an Trainingsdaten lernen, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Genau daran arbeitet der Diplom-Informatiker und wissenschaftliche Mitarbeiter des Fraunhofer IOSB im Rahmen des Forschungsprojekts «Intelligente Mensch-Technik-Kommunikation im gemischten Verkehr», kurz INITIATIVE.
«Wir haben mittlerweile einen Forschungs-Prototypen umgesetzt, der abschätzt, ob ein Fussgänger die Strasse überqueren möchte, seine Gesten analysiert und somit die Grundlage für die Interaktion schafft», erklärt Martin. Das System bestehe aus einer Stereokamera, die räumlich „sehen“ und somit die genaue Position von Passanten erfassen könne, und einem KI-Algorithmus, der die Positionen der Gliedmassen erfasse und daraus Schlüsse ziehe.
«Dieses System haben wir bei einer Projektpräsentation anlässlich der Halbzeit von INITIATIVE erfolgreich demonstriert», so der IOSB-Forscher. «Nun geht es darum, die KI weiter zu trainieren und das System insgesamt zu verfeinern, damit es in allen denkbaren Situationen die Absichten der Fussgänger möglichst zutreffend erkennen kann.»
Erfassung des Verhaltens von Insassen und anderen Verkehrsteilnehmern aus einer Hand
Das Fraunhofer IOSB vollzieht damit den Brückenschlag zwischen der Beobachtung des Fahrzeuginnen- und des Aussenraums, wie der Leiter der Forschungsgruppe «Perceptual User Interfaces», Dr. Michael Voit, hervorhebt: «Was bisher getrennte Welten waren, bringen wir nun zusammen: Die intelligente Erfassung des Verhaltens von Fahrer und gegebenenfalls Beifahrern durch unser Advanced Occupant Monitoring System – und die Erfassung anderer Verkehrsteilnehmer und ihrer Intentionen im Rahmen von INITIATIVE.» Damit sei nun auch die Erfassung von Interaktionen zwischen Fahrer und Passanten möglich, was wiederum den Zugang zu neuen Forschungsfragen und Anwendungen eröffnet.
Auch im Forschungsprojekt INITIATIVE ist die Erkennung von Fussgänger-Intentionen nur ein Puzzleteil – das grosse Ziel ist hier, KI-gestützt die adaptive Kommunikation verschiedener Verkehrsteilnehmer zu ermöglichen, um automatisierte Fahrzeuge in gemischte Verkehrsszenarien integrieren zu können.
Dazu sollen letztlich umfassende Kommunikationsschnittstellen für die Interaktion des Fahrzeugs sowohl mit sonstigen Verkehrsteilnehmern als auch mit seinen eigenen Insassen entwickelt werden. Bei-spielsweise soll das Auto einem überquerungswilligen Fussgänger mittels einer unmiss-verständlichen Leuchtanzeige mitteilen können, dass es anhalten wird oder vorbeifahren möchte.
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