Klimawandel und Winterschlaf - Gartenschläfer reagieren flexibel
Von: Nina Grötschl
Wie wirkt sich der Klimawandel auf Tiere aus, die Winterschlaf halten? In einer experimentellen Versuchsanordnung ging ein Forschungsteam der Veterinärmedizinischen Universität Wien dieser Frage nach. Dabei zeigte sich, dass die untersuchten Gartenschläfer (Eliomys quercinus) – enge Verwandte der Siebenschläfer – durchaus in der Lage sind, sich auf wärmere Klimabedingungen einzustellen. Allerdings nur, sofern genug Futter vorhanden ist.
Während des Winterschlafs büssen Gartenschläfer rund die Hälfte ihres Körpergewichtes ein. Foto: Fetmeduni)
Der Winterschlaf ist eine Strategie zum Energiesparen, die viele Tiere in der kalten Jahreszeit nützen. Durch den Klimawandel ist diese Zeit eines reduzierten Stoffwechsels und einer verminderten Körpertemperatur beeinträchtigt.
Dadurch nimmt die Häufigkeit der periodischen Wiedererwärmung zu, die mit einem hohen Mass an oxidativem Stress verbunden ist, was sich an der Verkürzung der Telomere zeigt – jener Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, die bei jeder Zellteilung kürzer werden und wesentlich für das Altern verantwortlich sind.
Fressverhalten und Telomerdynamik während des Winterschlafs
Vor diesem Hintergrund untersuchten die Forscher:innen in ihrer Studie den Einfluss der Umgebungstemperatur auf das Fressverhalten und die Telomerdynamik bei Gartenschläfern, welche übrigens 2022 in der Schweiz das Tier des Jahres war. Dieser nachtaktive Kleinsäuger bereitet sich auf den Winterschlaf vor, indem er Fettreserven ansammelt, er kann aber auch während des Winterschlafs fressen.
Gemessen wurden Nahrungsaufnahme, Erstarrungsmuster, Veränderungen der Telomerlänge und Körpermasseveränderung von Tieren, die über einen Zeitraum von sechs Monaten bei experimentell kontrollierten Temperaturen von entweder 14°C – ein milder Winter – oder 3°C – ein kalter Winter – gehalten wurden.
Höhere Temperaturen beeinträchtigen Winterschlaf
Während des Winterschlafs bei 14°C erwachten Gartenschläfer 1,7-mal häufiger und 2,4-mal länger aus dem Winterschlaf als ihre Artgenossen, die bei 3°C überwinterten. „Eine höhere Nahrungsaufnahme ermöglichte es den bei wärmeren Temperaturen überwinternden Individuen jedoch, den erhöhten Energiebedarf auszugleichen, den Verlust an Körpermasse abzufedern und so die Überlebensrate im Winter zu erhöhen“, erklärt Studien-Co-Erstautorin Marie-Therese Ragger vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (<abbr title="Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie" lang="de">FIWI) der <abbr title="Veterinärmedizinische Universität Wien" lang="de">Vetmeduni.</abbr></abbr>
Telomere werden unabhängig von der Temperatur deutlich länger
Interessanterweise beobachteten die Forscher:innen unabhängig von der Temperatur eine signifikante Zunahme der Telomerlänge über die gesamte Winterschlafperiode.
Das Forschungsteam kommt deshalb laut Studien-Co-Erstautor Sylvain Giroud (<abbr title="Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie" lang="de">FIWI) der <abbr title="Veterinärmedizinische Universität Wien" lang="de">Vetmeduni zum Schluss, „dass auch höhere Temperaturen im Winter, wenn sie mit einem ausreichenden Nahrungsangebot einhergehen, einen positiven Einfluss auf die Energiebilanz und die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen haben können. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Nahrungsverfügbarkeit im Winter ein entscheidender Faktor für das Überleben des Gartenschläfers sein könnte. Aufgrund des Klimawandels und der ständig steigenden Temperaturen könnte diese Anpassungsstrategie in Zukunft immer wichtiger werden.“</abbr></abbr>
Der Gartenschläfer (Quelle: Pro Natura)
Seine schwarze «Zorro»-Maske und die schwarzweisse Schwanzquaste unterscheiden den Gartenschläfer von seinem grösseren und bekannteren Cousin, dem Siebenschläfer. Gartenschläfer können in der ganzen Schweiz vorkommen. Ihre Hauptverbreitung liegt in Höhenlagen um 1'400 Meter.
Die natürliche Heimat des Gartenschläfers in der Schweiz ist der Wald. Der putzige Nager braucht vielfältige Wälder mit Totholz, Baumhöhlen, felsigen Abschnitten und Büschen. Solche Wälder sind selten geworden.
Bis vor einigen Jahrzehnten fand der Gartenschläfer Ersatzlebensräume ausserhalb des Waldes. Die vielfältige Kulturlandschaft mit Obstgärten, Hecken und gut zugänglichen Scheunen gefiel dem Bilch als Ersatzlebensraum. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft ist der Lebensraum für Gartenschläfer jedoch auch ausserhalb des Waldes dramatisch geschrumpft.
Reichhaltige Speisekarte
Gartenschläfer sind 11 bis 15 cm lang und bringen je nach Jahreszeit 36-113 g auf die Waage. Im Mittel wiegen sie 63.3 g. Auf ihren nächtlichen Streifzügen beschränken sich die flinken Waldbewohner keineswegs auf vegetarische Kost. Zahlreiche Wirbellose und sogar Frösche, Eidechsen oder junge Vögel stehen auf ihrem Menuplan. Man nimmt, was man kriegen kann – typisch Allesfresser.
Gartenschläfer sind ihrerseits ein beliebter Happen bei Jägern wie Waldkauz, Fuchs, Marder oder Wildkatze. Als letztes Rettungsmittel bei Gefahr haben sie die Möglichkeit, ihren Schwanz abzuwerfen. Manchmal hilft’s.
Schlafen, schlafen, schlafen
Augen zu, Ohren runtergeklappt, Schwanz eingerollt: So begibt sich der Gartenschläfer in den Winterschlaf, sobald im Herbst die Temperaturen sinken. Erd- und Felsspalten, Baumhöhlen, aber auch Scheunen, Ferienhäuser oder Vogelnistkästen dienen als Winterquartiere. Die Körperfunktionen werden auf ein Minimum reduziert.
Eine Art natürlicher Thermostat verhindert, dass die Körpertemperatur der ruhenden Gartenschläfer unter den Gefrierpunkt sinkt. Doch die langen Wintermonate fordern ihren Tribut. Rund die Hälfte der Jungtiere überlebt die kalte Jahreszeit nicht.
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