Wohin verschwindet der Reifenabrieb?
Von: Dominik Rösch
Egal ob PKW, Motorrad oder Linienbus: Ist das Profil der Pneus abgefahren, müssen neue Reifen her. Im vergangenen Jahr wurden alleine in Deutschland rund 48,5 Mio. PKW-Reifen abgesetzt – so die aktuelle Schätzung des Branchenverbands Reifenhandel. Doch wohin verschwindet der Reifenabrieb? Dieser und weiteren Fragen gingen das Bundesamt für Gewässerkunde (BfG) und das Bundesamts für Strassenwesen (BASt) in einem gemeinsamen Forschungsprojekt nach.
Fahrzeugreifen bestehen etwa zur Hälfte aus vulkanisiertem Naturkautschuk oder synthetischem Gummi und enthalten darüber hinaus eine Vielzahl von Füllmitteln und anderen chemischen Zusatzstoffen. Der Abrieb von Autoreifen ist damit eine der grössten Mikroplastikquellen – deutlich vor Faserabrieb, der beim Waschen von Kleidung aus Kunstfasern entsteht.
Reifenabrieb bildet sich an den Laufflächen von Fahrzeugreifen, vor allem bei Beschleunigungs- und Bremsvorgängen. Dabei entstehen Partikel, die aus einer Mischung von Gummi und Strassenabrieb bestehen. Bereits bekannt war, dass ein kleiner Anteil des Reifenabriebs von der Strasse in die Luft gelangt (5 bis 10 Prozent), wo er zur Feinstaubbelastung beiträgt. Der Weg des weit grösseren Anteils von rund 90 Prozent des Reifenabriebes war bisher aber nicht im Detail geklärt.
Auf den Ort des Abriebs kommt es an
Nach Berechnungen von BASt und BfG gelangen alleine in Deutschland jährlich 60‘000 bis 70‘000 Tonnen Reifenabrieb in den Boden und 8‘700 bis 20‘000 Tonnen in Oberflächengewässer. Die Forschungsarbeiten zeigen, dass es massgeblich darauf ankommt, wo der Reifenabrieb entsteht:
Auf Strassen in Ortschaften und Städten spült Regen den Reifenabrieb über kurz oder lang in die Kanalisation. Handelt es sich um ein sogenanntes Mischwassersystem mit Kläranlage, werden dann mehr als 95 Prozent des Reifenabriebs zurückgehalten. An Strassen ausserorts findet die Versickerung der Strassenabflüsse in der Regel über Bankett und Böschung statt. Der grösste Teil des Reifenabriebs wird so in den strassennahen Boden eingetragen und von der oberen bewachsenen Bodenzone zurückgehalten.
Ca. 12 bis 20 Prozent des Reifenabriebs können in Oberflächengewässern landen. Dort wird ein Teil der Partikel abgebaut beziehungsweise lagert sich im Sediment ab – die genauen Anteile sind allerdings noch nicht bestimmbar. In einer Modellstudie fanden andere Autoren heraus, dass etwa zwei Prozent der ursprünglich freigesetzten Reifenabriebmenge in das Meer transportiert wird. Für Flüsse liegen noch keine Modellrechnungen vor.
Wie gelangt zukünftig weniger Reifenabrieb in die Umwelt?
Obwohl jährlich grosse Mengen an Reifenabrieb in Böden eingetragen werden, sind die Effekte auf bodenbewohnende Organismen bisher kaum bekannt. Das trifft fast ebenso auf die ökotoxischen Wirkungen für Wasserorganismen unter Umweltbedingungen zu.
Aus Vorsorgegründen empfehlen die Expertinnen und Experten alle wasserwirtschaftlichen Massnahmen weiter zu optimieren, die die Einträge in Gewässer mindern. Sie betonen, dass die Verbesserung der Reinigung von Strassenabflusswasser und die gute Unterhaltung der Behandlungsanlagen genauso wie intermodale Transport- und Verkehrskonzepte wichtige Schritte sind. Aber auch langlebige abriebarme Reifen, leichtere Fahrzeuge und ein ruhiges Fahrverhalten können einen Beitrag zu weniger Reifenabrieb leisten.
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