Akkordeonorchester Magden - Adrenalinspritze und Seelenbalsam
Von: Hans Berger
Einen prallen, musikalischen Reichtum präsentierten vergangenen Sonntag in der Römisch-Katholischen Kirche Magden die beiden, unter der Leitung von Vadim Fyodorov stehenden Akkordeonorchester Laufenburg (Baden) und Magden.
Akkordeonorchester Magden
Gewiss - das Akkordeon, respektive die Hand-, Ziehharmonika, das Schifferklavier; scherzhaft Quetschkommode, Quetschkasten oder Quetsche genannt, hatte schon bessere Zeiten. Wer zu dessen Blütezeit das Instrument beherrschte, war an jeder Fete ein willkommener Gast und nicht selten der König des Abends, wenn er eine gute Stimme hatte und Seemannslieder zum Besten gab. Bis Anfang der 1970er-Jahre wurden ganze Tanzabende von einem Akkordeonisten alleine oder mit Begleitinstrumenten abgehalten.
Widerlegung
Dass das Instrument zu Unrecht in der Verbannung gelandet ist und nur noch in der Volksmusik oder im Folk zum Einsatz kommt, bewiesen vergangenen Sonntag die beiden Orchester nachhaltig mit einem virtuosen, temperamentvollen Programm von traditionell bis zeitgenössisch, folkloristisch, exotisch, klassisch, jazzig. Adrenalinspritze und Seelenbalsam zugleich.
Fulminanter Start
So legte das Gastorchester aus Laufenburg (Baden) zusammen mit der Country- und Rocksängerin Christina Scholz aus Bad Säckingen und Leonard Cohens „Halleluja“ einen unter die Haut gehenden, fulminanten Start hin. Der erst achtzehnjährigen Sängerin stehen mit ihrer dunklen Stimme die Türen zum Grosserfolg offen. Leonard Cohens Song „Hallelujah“ ist einer der wohl am meisten gecoverten Titel weltweit. Das in der jüdischen Religion wurzelnde Lied zählt über 120 hörenswerte Cover-Versionen. Aber auch der Liedtext gibt aufgrund seiner unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten immer wieder Anlass zu Diskussionen.
Das „Concerto d’amore“ hörte sich im ersten Teil klassisch an, wechselte dann aber schlagartig ins poppige, setzte den Weg im Musette-Stil fort, um ihn nach einer andächtigen Phase wenig später swingend zu beenden. Ja, eben eine musikalische Beschreibung der Liebe mit all ihren Hochs und Tiefs.
Beim „Amigo para Sempre“ von Andrew Lloyd Webber demonstrierten die Akkordeonisten die Vielseitigkeit ihres Instrumentes genauso eindrücklich wie danach mit dem durch Rondo Veneziano zu Weltruhm gekommenen „Misteriosa Venezia“. Die Tonlage von Whitney Houstons „One Moment in Time“ war für Christina Scholz` Stimme etwas zu hoch angesetzt, so dass sie - im Gegensatz zum Original - von der Brust- zur Kopfstimme wechseln musste, was sie jedoch gut meisterte.
Persiflage
Schwungvoll, mitreissend, tänzerisch, ganz so, wie eine Rossini-Ouvertüre nun mal daherkommen muss, eröffnete das Akkordeonorchester Magden den zweiten Teil des Konzertes. Kaum hatte das Orchester und Violinistin Lydia Tröschter die ersten Takte von Luigi Boccherinis berühmtem Menuette gespielt, dürfte einigen der älteren Semester unter der Zuhörerschaft die köstliche, uralte Persiflage der Melodian Singers „Anneliese komm wir woll‘n ins Kino geht“, auf den Lippen gelegen haben.
Sonderapplaus
Falls die Magdener„Handörgler“ nächstes Jahr am Eidgenössischen Akkordeonmusikfest in Disentis das musikalisch anspruchsvolle Pflichtstück „Fantasie in Concerto“ genauso hinkriegen wie vergangenen Sonntag in der Kirche, dann ist ihnen ein reichhaltiger Punktesegen gewiss. Brillieren konnte das Orchester aber auch mit Glen Millers swingendem „In the Mood“ - dass sich danach auch ihr Dirigent Vadim Fyodorov dem frenetischen Applaus anschloss, kann wohl als Zeichen gedeutet werden, dass die Musikerinnen und Musiker den Oldie besonders gut gespielt haben.
Feurig
Nach einem Ausflug in die russische Volksmusik kehrten die Akkordeonisten wieder in die heimischen Gefilde zurück und liessen via „Vive la Musique“ die lüpfige, beschwingte Marschmusik hochleben. War der Marsch schmissig, erklang der Paso Doble „Santander“ hitzig und die „Sizilianische Tarantella“ geradezu feurig. So war es dann auch nicht mehr wie logisch, dass das Akkordeonorchester Magden als Zugabestück den zum mitklatschen animierenden Marsch „Feuert los“ spielte.
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