Frauenpower in der Sulzer Lourdesgrotte
Von: Dieter Deiss
Das Segnen von Kräutern am Fest Maria Himmelfahrt hat in der katholischen Kirche eine grosse Tradition. So auch in Sulz. Hier kommt noch hinzu, dass der Gottesdienst an diesem Tag wenn immer möglich in der Lourdesgrotte stattfindet. Auch dieses Jahr planten die Verantwortlichen so.
Marianne Schraner (links) und Yvette Dünner führten durch den Gottesdienstes in der Sulzer Lourdesgrotte (Foto: Dieter Deiss)
Der Priester, welcher die Messe hätte feiern sollen, steckte jedoch nach der Teilnahme an einem Kongress in Afrika in Quarantäne. Die dünne Personaldecke im Pastoralraum Region Laufenburg liess keinen Ersatz zu, weshalb man den Gottesdienst ausfallen lassen wollte, was umso ärgerlicher war, weil der Feiertag dieses Jahr auf einen Sonntag fiel. Den Verzicht auf den traditionellen Gottesdienst mochten die beiden Sulzer Frauen Yvette Dünner und Marianne Schraner nicht einfach so hinnehmen.
Ein priesterloser Gottesdienst
Kurz entschlossen, setzten sie sich zusammen und bereiteten einen priesterlosen Gottesdienst vor. Dies fiel den beiden Frauen allerdings nicht allzu schwer. Yvette Dünner, langjährige Sakristanin in Sulz, musste bereits hie und da einspringen, wenn ein vorgesehener Priester den Gottesdiensttermin vergessen hatte. Sie ist es aber auch, die zahlreiche fremde Priester bei ihren Neuanfängen jeweils in die Geheimnisse der Sulzer Gottesdienste einweiht. Marianne Schraner verfügt über eine reiche Erfahrung in der Begleitung von Meditationen und Andachten.
So begrüssten denn Yvette Dünner und Marianne Schraner auf sympathische Art die erwartungsvollen Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes. Der Ablauf hielt sich an die Rituale der katholischen Kirche.
Marianne Schraner las anstelle einer Bibellesung einen Text vor von Dorothee Sölle, der bekannten evangelischen Theologin, Dichterin und Feministin. «Wir sind uns schnell einig geworden, dass wir auf eine Predigt verzichten wollen», meinte danach schmunzelnd Yvette Dünner.
Auf dem Altartisch waren zahlreiche Kräuter aufgestellt, die alle von Marianne Schraner vorgestellt wurden mit den entsprechenden Hinweisen auf deren Heilwirkung. Zur Kommunion gab es anstelle der sonst üblichen Hostien kleine, feine Kräuterbrote. Zum Schluss segnete Yvette Dünner die von den anwesenden Frauen mitgebrachten, wunderbar gestalteten Kräutersträusse. Die Segnung nehme sie vor in Absprache mit Pfarreiseelsorgerin Helena Boutellier, erklärte dazu die Sakristanin und beseitigte so allfällige Zweifel an diesem Tun.
Kirche wohin?
Nach dem Schlusslied dankte die Gemeinde mit einem warmen Applaus den beiden Frauen für ihre Initiative. Anschliessend sorgte der Pfarreirat für das leibliche Wohl der Gottesdienstbesucher. Eifrig wurde dabei an den meisten Tischen das soeben Erlebte diskutiert. Einig war man sich überall, dass die beiden Frauen mit den Teilnehmenden einen wunderschönen Gottesdienst gefeiert hatten.
Offen zeigte sich aber auch der Unmut über die katholische Kirche, beziehungsweise über deren Verantwortliche in Rom und Solothurn über ihr Verhalten gegenüber den Frauen. Statt Priester aus Indien und Afrika einzufliegen, müsse man endlich die Kirche für unsere Frauen öffnen. Yvette Dünner und Marianne Schraner haben zweifellos aufgezeigt, was eigentlich möglich wäre!
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