Erinnerungswürdige Momente
Von: Andrea Mašek
Mit der Ausstellung «Memory – Momente des Erinnerns und Vergessens» gibt das Museum der Kulturen Basel (MKB) seit gestern Einblick in die vielfältigen Formen und Praktiken, wie Individuen, Gruppen und Gesellschaften Ereignisse erleben, im Gedächtnis bewahren und in bestimmten Momenten hervorholen.
Persönliche Erinnerungen empfangen die Besucherinnen und Besucher. Ob Souvenirs, Poesie- und Fotoalben oder Taufbriefe, sie bergen Erinnerungen an einen bedeutungsvollen Moment, einen speziellen Ort oder eine wichtige Person. Und sie verdeutlichen, laut Kurator Alexander Brust, dass Erinnerungen oft an Dinge geknüpft sind. Durch die biografische Erinnerung werden selbst massengefertigte Reiseandenken einzigartig und erhalten emotionale Kraft.
Die Ausstellung deckt nicht nur persönliche Momente auf, deren gedacht wird wie Geburt, Hochzeit oder Tod, sondern auch gesellschaftliche Ereignisse wie Kriege, Katastrophen, Grenzöffnungen oder Unabhängigkeitstage. Das Wie ist dabei zentral: Die Menschen besitzen eine Vielzahl von Praktiken, Formen und Medien wie sie erinnerungswürdige Momente festhalten und überliefern oder Geschehnisse allenfalls verschweigen.
Da Menschen schnell vergessen, schaffen sie Gedächtnisstützen. In einem zweiten Raum sind unterschiedliche Erinnerungshilfen ausgestellt. Sie reichen von den Knotenschnüren der Inka aus Peru, mit denen statistische und strategische Angaben festgehalten wurden, über jahrtausende alte Felsbilder mit Tiermotiven aus Afrika bis zu geritzten Bambusrohren aus Neukaledonien, die Ereignisse aus dem Alltag, aber auch Auseinandersetzung mit den Kolonisatoren abbilden.
Ahnen beeinflussen in vielen Kulturen das Leben ihrer Nachfahren. Die Ahnen werden mit Ritualen und Opfern verehrt und in verschiedensten Formen vergegenwärtigt.
In Indonesien hatten geschnitzte Ahnenfiguren ihren festen Platz in jedem Haus. Das Museum zeigt Ahnenfiguren und -masken neben Gedenkköpfen von verstorbenen Königen aus dem ehemaligen Reich Benin. Der weltberühmte Türsturz aus Tikal aus dem 8. Jahrhundert ist ein zentrales Dokument zum Verständnis der Geschichte, Gesellschaft und Kosmologie der Maya. Auf der Karte aus Tecamachalco (Mexiko) sind indigene und europäische Vorstellungen von Territorien, Genealogien und Besitzverhältnisse erkennbar.
Grosse Epen und heilige Schriften sorgen dafür, dass individuelle und kollektive Erfahrungen und Geschichte nicht in Vergessenheit geraten. Das MKB stellt Bibeln, Tora, Koran, Heilungsrollen aus Äthiopien und Heilungsbücher der Batak aus Indonesien aus. Das indische Epos Ramayana, wird in einer modernen, illustrierten Version der Künstlerin Sugandha Iyer präsentiert.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und insbesondere in den 1980er-Jahren eigneten sich breite Bevölkerungsschichten Medien für ihre Deutung und Bewahrung von Geschichte an, die zuvor weitgehend in den Händen von Eliten lagen. Sei es im Zug der Dekolonisierung, zum Ende des Kalten Krieges, der Apartheid im Südafrika oder lateinamerikanischer Diktaturen.
Auf Stoffen, Gemälden und Plakaten halten Akteure und Akteurinnen aus unterschiedlichen sozialen Schichten sowohl nationale Narrative und Gedenktage als auch Kritik an Diktaturen und Missbrauch der Staatsgewalt fest.
Die Ausstellung endet im Gedenken an die Toten. In Europa ist dies Pflicht. Exponate wie Haarbilder, Totenbretter und Grabkreuze zeugen von der Erinnerung an die Verstorbenen. In Mexiko wird das Wiedersehen mit den Toten am Día de los Muertos fröhlich gefeiert. In Peru hingegen schaffen Matsiguenga Wächterfiguren zum Schutz vor den Toten.
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