Kaiseraugst empfing den Samichlaus
Von: Hans Berger
Der Samichlaus ist ein bescheidener Mann, und weil er kein Aufhebens um seine Person machen will, kommt’s, dass der wahrhaftige Samichlaus von der übrigen Eidgenossenschaft einmal mehr einfach ignoriert wurde, als er vergangenen Dienstag, vom dunklen Schwarzwald herkommend mit der Kaiseraugster Fähre in die Schweiz einreiste und in der einstigen Römerstadt von einer grossen Schar empfangen wurde.
Kaiseraugst empfing den Samichlaus
Wohl ganz der Wesensart des Heiligen Mannes angepasst, verzichtete das Volk auf jegliche euphorische Begrüssung, kein roter Teppich war ausgerollt, kein Willkommensapplaus, kein Gruss, kein Lied, nur das Klicken der Fotoapparate, respektive Smartphones war zu vernehmen, als der Samichlaus mit seiner Entourage würdevoll Schweizer Boden betrat.
Naja, vielleicht war’s auch die Ehrfurcht, welche Grosseltern, Eltern, Kinder davon abhielt, dem Heiligen St. Nikolaus und seiner schwarz gekleideten, bärtigen Gefolgschaft einen standesgemässen Empfang zu bereiten.
Nein, Enttäuschung war dem Samichlaus nicht anzumerken, im Gegenteil, er zeigte sich erfreut über den Grossaufmarsch, winkte und nickte wie der Papst den Wartenden freundlich zu, streichelte den Kindern ab und an liebevoll über den Kopf oder reichte ihnen gar die Hand.
Erinnerungen
„Ach, ist das ein netter Mann geworden“ meinte ein etwas älterer Herr, als er sah, hörte, wie liebevoll und mit welch zarter Stimme er die Kinder begrüsste. „Ist es die Altersmilde, die ihn so verändert hat?, fragte er sich, zog das Smartphone aus der Tasche, tippte auf Rechner, gab sein Geburtsjahr 1952, drückte das Minuszeichen, um dann die Zahl 280, das Geburtsjahr des St. Nikolaus, einzugeben und merkte, dass seine These mit der Altersmilde nicht stimmen kann, weil der Samichlaus schon zu seiner Kinderzeit rund 1675 Jahre alt war.
„Dann hat er wohl seine Haltung geändert, weil er endlich erkannte, wieviel Angst er seinerzeit den Kindern machte, wenn er ihnen mit Donnerstimme und hochgehaltener Rute die Leviten las und ihnen drohte, sie nächstes Jahr im Sack in den Schwarzwald mitzunehmen“, resümierte der Senior und erfreute sich darüber, dass der Samichlaus, trotz biblischem Alter, seine einstigen Doktrinen über Bord werfen konnte. „Diesbezüglich soll er mir künftig ein Vorbild sein“, meinte der Senior, nahm Haltung an, ging auf den Samichlaus zu und schüttelte ihm die Hand.
Prozession
Angeführt vom Heiligen St. Nikolaus und seiner Entourage wurde in andächtiger Stimmung der Fähreplatz mit dem Ziel der römisch-katholischen Kirche St. Gallus & Othmar verlassen. Einer Prozession gleichend durchquerte die Gemeinschaft die mit leuchtenden Tannenbäumen geschmückte Dorfstrasse. Auf der Treppe des Gotteshauses wurde der Samichlaus dann seinem Ruf als Schenker gerecht, indem er allen Kindern, egal ob sie ein Sprüchlein aufsagten oder nicht, ein von den Ortsbürgern gesponsertes „Samichlaussäckli“ überreichte. Dabei war zu beobachten: die Angst vor dem Samichlaus haben die Kids verloren, der Respekt aber ist geblieben.
Rückblende
Zurückgehend auf den Bischof St. Nikolaus, der im vierten Jahrhundert n. Chr. in der heutigen Türkei, in Myra (Demre) lebte und dessen Reliquien am 8. Mai 1087 nach Bari in Süditalien gebracht wurden, begann schon früh eine umgreifende Verehrung des Heiligen Nikolaus. Inwieweit der Abt von Sion, der am 10. Dez. 564 gestorben ist und ebenfalls ein »Nikolaus« war, die Legenden beeinflusst hat, kann trotz intensiver Forschungen nicht mehr festgestellt werden. Auf jeden Fall entstand aus den beiden Biografien die legendäre Gestalt des „Heiligen Nikolaus“.
Der Schutzheilige „Nikolaus“, der zum Patron vieler Stände erkoren wurde, hat eine unvergleichliche Verehrung sowohl im orthodoxen als auch im lateinischen Glaubensbereich nachzuweisen. Er wurde zum Volksheiligen im ganzen seinerzeitigen Abendlande. Insbesondere über die Wasserstrassen vermehrte sich der Ruhm des Heiligen und entlang dieser wurden viele Kirchen zu seinen Ehren errichtet, bis zum Jahre 1500 sollen von den Pyrenäen bis zum Baltikum zwischen 4‘000 und 5‘000 Gotteshäuser dem Heiligen Nikolaus geweiht worden sein.
Das älteste Zeugnis für den Nikolaustag ist ein in Neapel gefundener Marmorkalender (um 830), in dem am 6. Dezember eingetragen ist „Natalis S. Nicolai“.
Eine Fülle von Legenden ranken sich um den Heiligen Nikolaus, der schon vor seinem Tode viele Wunder vollbracht haben soll. Nach dem Tod hat er sich Vielen, die ihn anriefen, als Retter aus schwerer Not erwiesen. Hier können nur die bekanntesten Legenden angesprochen werden, die teilweise auch in der ikonographischen Darstellung der Heiligenfigur verankert wurden:
- Nikolaus hält drei goldene Kugeln in der Hand (manchmal sind es Geldsäcke, goldene Äpfel) = Ausstattung der Jungfrauen
- Nikolaus steht im Schiff und vertreibt mit dem Krummstab den Sturm = Stillung des Seesturmes
- Nikolaus diskutiert mit den Seeleuten, die daraufhin Korn verteilen = Kornvermehrung
- Drei Knaben mit blossem Oberkörper knien in einem Kübel und Nikolaus steht vor ihnen mit Mitra, Stab und Buch. Die Segenshand Gottes aus den Wolken errettet die Knaben = Schülerlegende
Gerade die »Schülerlegende« wurde derart ins Brauchtum übertragen, dass die Klosterschüler alljährlich einen Knabenbischof aufstellten, der am 6. Dezember in bischöfliche Kleidung schlüpfen durfte und in Anlehnung an den Heiligen Nikolaus die Guten belohnen und die Bösen bestrafen durfte. Der Rollentausch ging soweit, dass die Schüler mit den Lehrern ihre Scherze trieben. Beim Umzug mit dem Kinderbischof durch die Städte wurde durch die Jugendlichen sehr aufdringlich – auch mit Masken - um Gaben gebettelt, was sogar im Basler Konzil 1435 als Unfug verboten wurde.
Die Beschenkung der drei Jungfrauen begründet den sog. „Einlegebrauch“, das unerkannte Schenken. Bereits auf Backmodeln des 16. Jahrhunderts wird Nikolaus im Bischofsornat als Schenker dargestellt. Im katholischen Bereich wird der Einlegebrauch zum »Einkehrbrauch«, nun besucht seit der Mitte des 17. Jh. Nikolaus die Kinder zu Hause. Damit lässt die Verehrung des Heiligen Nikolauses nach, dem steht aber ein Zunehmen seiner weltlichen Bedeutung gegenüber.
Ab dem 18. Jahrhundert wird die Figur des Bischofs von Myra vermehrt als zentrales Instrument der Adventspädagogik gebraucht: Fastende, betende und gehorsame Kinder bekommen vom Nikolaus Geschenke, die bösen werden mit der Rute bestraft. Nikolaus wird zur grossväterlichen Autorität im prächtigen bischöflichen Gewande mit weissem Bart. So wurde Nikolaus eigentlich zum „Kinderheiligen“.
Unter vielen Namen ist er bekannt: In der Schweiz ist es bekanntlich der „Samichlaus“, in Frankreich „Père Noel“, in Holland „de Kleeschen“, in Österreich der „Nikolo“, in Russland „Väterchen Frost“ usw. In den USA und England bringt „Santa Claus“ anstelle des Christkindes die Geschenke.
Im Laufe der Zeit wurde dem Heiligen Nikolaus noch ein Begleiter, der Schmutzli, der Knecht Ruprecht, oder Krampus zugewiesen, der sich mit der Bestrafung der »Bösen« zu beschäftigen hat.
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