Multikulti-Kunst in Kaiseraugst
Von: Hans Berger
Ein Ambiente, so als ob Pfingsten und Advent zusammenfallen würden, war vergangenen Freitag das prägende Merkmal der Vernissage im reformierten Kirchgemeindehaus in Kaiseraugst mit den drei mit dem Dorf verbundenen Künstlerinnen Sybille Krauer-Büttiker, Jaqueline Rotzinger, Katharina Siewert-Rotzinger, den beiden im Kaiseraugster Asylzentrum lebenden Künstlern Reza Saba aus dem Iran und Raja Dibeh aus Syrien, der armenischen Flötistin Tamar Eskenian, dem deutschstämmigen Literat Jan Peters sowie den beiden Köchinnen Tabute aus Eritrea und Leyla aus Somalia.
Die fünf KünstlerInnen (v.l.) Raja Dibeh, Reza Saba, Katharina Siewert-Rotzinger, Sybille Krauer-Büttiker, Jaqueline Rotzinger
Die Erwartung der Organisatoren der Vernissage bezüglich der Besucherzahl war offensichtlich bescheiden, wie die rund zwanzig bereitgestellten Stühle vermuten liessen. Verständlicherweise zeigte sich Barbara Schätti bei ihrer Begrüssung dann erfreut, dass den zwanzig Sitzplätzen weitere sechzig hinzugefügt werden mussten.
Auf in den Himmel
Und so kam‘s, dass verdientermassen die international auftretende, armenische Flötistin Tamar Eskenian ihr unbestrittenes Können in einem beinah vollen Haus präsentieren durfte und mit ihrem melancholischen, träumerischen, tänzerischen Spiel auf einer armenischen Hirtenflöte (Shvi) rund achtzig Menschen Flügel verleihen konnte.
Mit einem tiefen Interesse für westliche und östliche klassische Musik und Holzblasinstrumente hat sich Tamar Eskenian ein anspruchsvolles Repertoire aufgebaut, welches von Frühbarock bis zur zeitgenössischen Musik reicht. Tamar Eskenian hat unter vielen anderen Ensembles auch im Argovia Philharmonic Orchester und im Capriccio Barockorchester Basel musiziert. Als Kammermusikerin ist sie zudem Mitbegründerin von mehreren Ensembles.
Tiefgang
Philosophischer, religiöser Tiefgang zeichnete das Referat des Schriftstellers und Satirikers Jan Peters aus. In seinen vermutlich satirisch gemeinten Ausflügen schöpfte der Satiriker jedoch aus dem Vollen und prangerte vieles, je nach Standpunkt manchmal zu Recht, manchmal zu Unrecht an. Die Grenze zwischen Satire und Schmähkritik ist bei ihm jedenfalls eher fliessend wie strikt.
Sein Rundumschlag gegen die, seiner Meinung nach unseriös arbeitenden, nur auf Auflagen und Klicks schielenden Journalistinnen und Journalisten kann indes nicht unwidersprochen hingenommen werden. Es gilt zu anerkennen, dass Journalistinnen, Journalisten meist auch „nur“ Angestellte sind, die, wie in allen anderen Branchen, oft nach der Pfeife ihrer Chefs und deren Richtlinien tanzen müssen. Die Chefs wiederum müssen, wie ebenfalls in allen übrigen Branchen, oft nach der Pfeife ihrer Kundschaft tanzen, damit sie das Unternehmen halten und ihren Angestellten die Löhne bezahlen können. Wie die Politik bestimmt letztendlich das Volk (Kundschaft) auch den Inhalt der, egal ob print oder online, mit viel Aufwand und nicht selten mit Idelismus produzierten Zeitungen.
Ad-hoc-Fusion
Ein Indiz für die aussergewöhnliche, vermutlich einmalige Ad-hoc-Fusion von Pfingsten und Advent ist, dass die Künstlerinnen und Künstler den Erlös des Bilderverkaufs vollumfänglich dem Verein „Freiwilligenarbeit Asyl Kaiseraust“, der die Asylsuchenden im Dorf mit verschiedenen Angeboten und Projekten unterstützt, zukommen lassen.
„Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sassen. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den grossen Taten Gottes reden.“
Zugegeben, ganz so seltsam wie Lukas das Pfingstwunder beschreibt, verlief die Vernissage nicht. Dennoch, das Flötenspiel symbolisierte den Brausewind, von dem sich das Auditorium treiben liess. Sicher ist aber auch: die Schweizer Gäste verstanden die Bilder der beiden Künstler einer anderen Kultur so, als wären sie auf heimischem Boden geschaffen worden, wie umgekehrt die Gäste anderen Kulturen jene der drei Schweizer Künstlerinnen verstanden.
Ja, der Referent Jan Peters hatte recht mit seiner Feststellung: „Das Andere im Anderen ist nicht bedrohlich“. Gleiches galt auch für das von den beiden Köchinnen Tabute aus Eritrea und Leyla aus Somalia zubereitete Essen.
Er lebt noch
Auch wenn die Vernissage in ihrer Art nicht mehr erlebt werden kann, ist deren Geist noch bis 10. Dezember jeweils an der an den Werktagen von 17 bis 20 Uhr und Samstag/Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffneten Ausstellung mit den Gemälden der der drei Künstlerinnen und zwei Künstlern Sybille Krauer-Büttiker, Jaqueline Rotzinger, Katharina Siewert-Rotzinger, Reza Saba aus dem Iran und Raja Dibeh von Syrien, fühlbar.
Hinweis
Aufgrund des Anhangs und der ausführlichen Fotoreportage wird an dieser Stelle nicht näher auf die KünstlerInnen und deren eindrückliche Gemälde eingegangen. Jedoch muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Fotoreportage lediglich einen Eindruck der Ausstellung verschafft, deren Besuch jedoch nicht zu ersetzen vermag, da die Fotos weder die Intensität, noch die Farben und Perspektiven der Werke zu wiedergeben vermögen.
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