Totentag an der Fasnacht
Von: Pfr. Andreas Fischer
«Dia de los Muertos» (dt. Tag der Toten) lautet das diesjährige Sujet der Chaiseraugschter Gugge Grossschtadtchnulleri. Es war, zum zehnten Geburtstag von Theobald, «em Pfaff sim Aff», eine Steilvorlage für dessen Predigt anlässlich des Fasnachtsgottesdienstes am Sonntag, 17. Februar. Theobald ist ein ausgewiesener Kenner der Materie.
Kaiseraugster Chnulleris und Familie PfAff (Foto: zVg)
Weil ich vom «Dia de los Muertos» keine Ahnung habe, sagte Theobald einleitend:
«Ich weiss: Für dich ist’s kompliziert –
Der Aff ‘s dir darum expliziert!
Das hast du in zehn Jahren ja gerafft:
Ich bin Professor für Religionswissenschaft!»
Im Folgenden stellte er den Dia de los Muertos als eine synkretistische Party dar, in der aztektische und christliche Transzendenzvorstellungen zusammenfliessen zu einem farbenfrohen Volksfest, das die Mexikaner über die Grenzen von Armen und Reichen, Indigenen und «Weissen» und auch: von Lebenden und Toten hinweg miteinander verbindet.
Zwei Aspekte sind dem gebildeten Affen in Bezug auf den Dia de los Muertos wichtig. Erstens wird in dem Fest deutlich, dass wir vor dem Tod (und vor Gott) alle gleich sind. Zum Dia de los Muertos gehören kurze Gedichte, eine Art mexikanische Schnitzelbängg. Das kürzeste ist das beste. Es lautet schlicht: «Todos somos calaveras».
«Wörtlich übersetzt», erläuterte Theobald, «heisst das: ‘Wir sind alle Schädel’. Das bedeutet: Wir sind alle sterblich. Die Äusserlichkeiten spielen nicht wirklich eine Rolle. Ästhetischer Ausdruck dieser Weisheit sind die absonderlichen Hüte, welche die weiblichen Skelette am Totentag tragen. Sie erinnern an die Kopfbedeckungen der Mexikanerinnen der Oberschicht.»
«Sind die Hüte auch noch so nett / zletscht wird jedi zum Skelett», warf ich ein, begeistert darüber, dass ich diese Weisheit verstanden hatte.
Altes Fieber
Mit Theobalds zweiter Weisheit tat ich mich schwerer: Der Dia de los Muertos ist kein Tag der Trauer, sondern der Freude. Es ist der Tag, an dem die lieben Verstorbenen aus dem Jenseits anreisen, auf extra für sie bereiteten Altären ihre Lieblingsspeisen zu sich nehmen und gemeinsam mit den auf Erden Hinterbliebenen Bier und Tequilla trinken.
Hilfreich fürs Verstehen war der Song «Altes Fieber» der deutschen Band «Die Toten Hosen», intoniert von den Chnulleri unter der Leitung ihres Majors Kimon Sorg. Darin heisst es: «Wir stossen an / Mit jedem Glas / Auf alle, die draufgegangen sind. / Und immer wieder / Sind es dieselben Lieder / Die sich anfühlen / Als würde die Zeit stillstehen. / Denn es geht nie vorüber / Dieses alte Fieber / Das immer dann hochkommt / Wenn wir zusammen sind.»
Schliesslich kapierte ich auch diesen zweiten Aspekt und sagte zu den Chnulleri: «Bim Tood / wird’s immer so marood, / chunt schwär / dethär. Aber bi euere bunte Truppe / tuet sich de Tood als Fründ entpuppe!»
Drnoo gabs Aperoo, mit Wiisswii, und – wie chönt’s am Totetaag anders sii? – Totebeinli («Pan de Muertos»). Mitten in der heiteren Stimmung erhielten wir, Pfaff und Aff, Rückmeldungen, die uns freuten: Dass im Fasnachtsgottesdienst Tränen und Lachen so nah beieinander gewesen seien, dass da Weisheit auf humorvolle Weise vermittelt werde, und (das ging uns beiden besonders nahe): dass man, so gesehen, den Tod ja nicht wirklich zu fürchten brauche.
Als Theobald und ich tiefnachts die Mailbox öffneten, purzelten uns Poeme entgegen. Dieses schmeichelt dem Pfaffen besonders:
«Dass e Pfaff d Rhetorik tuet beherrsche, setzt mr jo vorus
Aber e ganzi Predigt z riime, zieht eim scho d Schueh us!
Mir chönnes alli bruche, s chunnt vil z sälte vor
Danke villmol Pfaff und Aff für euchi Wort mit vil Humor!»
Und dies dem Affen:
«Ich wünsche der coolen Socke
dass sie noch oft die Bühne rocke!
Theobald, mach bitte weiter –
immer in irgendeiner Form
ein bisschen neben der Norm –,
du stimmst uns damit alle heiter!»
Sehnsucht nach Lambarene
Theobald freut sich überdies über die Kollekte. Im Gottesdienst sprach er:
«Pfaffe, Pfaffe, ach, ich sehne
Mich so sehr nach Lambarene.»
Ich befürchtete schon:
«Ächt ezz, du wetsch un Gabun gaa
Und eus in Chaiseraugscht verlaa?
Klar, will deete häts au Affe
Und nöd nu Pfaffe
Und Betonblöck und Schtoorchenäscht.
Im Ur-Wald, da händ er s Chäferfäscht.»
Doch Theobald beruhigte mich und das ganze Dorf:
«Nein, das werd ich niemals machen
Ich weg von hier? Das ist zum Lachen.
Ich sehne mich auch nicht nach Affen,
sondern, kein Witz, nach einem Pfaffen!»
Ich fühlte mich geschmeichelt. Doch es ging nicht um mich. Vielmehr erzählte Theobald, dass sein uralter Freund Albert Schweitzer, der berühmte Urwald-Doktor, der in Lambarene in Gabun ein Spital gründete und betrieb, vor genau 150 Jahren zur Welt gekommen war. Und dass Albert Schweitzer, was viel weniger bekannt ist, auch ein bedeutender Theologe war, also auch er ein Pfaffe.
Die Kollekte, die im Fasnachtsgottesdienst für das Albert Schweitzer-Spital in Lambarene zusammengekommen ist, ist zehnmal höher, als wenn sie in gewöhnlichen Gottesdiensten von mir angekündigt wird.
Viiiel Stiiil
Dass es zwischen Pfaff und Aff Differenzen und zuweilen Zoff gibt, ist hinlänglich bekannt. Gemeinsam aber ist unser Dank an Jutta Wurm, die begnadete Kleinkünstlerin, die Theobald einst ins Leben gerufen und ihm nun schon zum zehnten Mal ihre Stimme verliehen hat; an das Aperoteam («Gitte hät en genial wien en General organisiert – danke allne, wo sind involviert! Au de Nico isch zu Kreuze kroche: Er hät müese d Määlsuppe choche!»), an die drei Generationen Hollenstein-Schneiderinnen («Si händ sis Chleidli gnäät, / sis Ego isch mega uufbläät») und, last not least, an die Grossschtadtchnulleri. «Wir ohne Chnullerii / Freunde, ach, das ginge nie», sangen wir in seltener Einstimmigkeit. «Ihr habt sooo viiiel Stiiil». Darauf antworteten die Chnulleri mit dem Kultsong «Manhattan»: «Machs mit Stil oder lases sii.»
Das letzte Wort hatte, natürlich, der vorwitzige Affe: «Auch wenn, ich weiss, ich etwas schiel – mit Sombrero hab ich Stil».
Ref. Region Rheinfelden
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