Das letzte Milchhüsli im oberen Fricktal schliesst
Von: Geri Hirt
«Der Aufwand für Betrieb und Unterhaltung des Milchhüsli Herznach ist bei vier Milchproduzenten nicht mehr rentabel», sagt der Präsident der Milchgenossenschaft Herznach und Umgebung, Arno Wernle. Am Samstag ist zum letzten Mal Milch angeliefert worden.
Das Milchhüsli-Team vor der einstigen Milchwaage – einem Relikt aus früheren Tagen: (v.l.) Dani Gass, Arno Wernle, Brigitt Gass und Sarah Bühler (Fotos: zVg)
Mit der Schliessung der Milchannahmestelle geht in Herznach eine Ära zu Ende. 1908 ist die Milchgenossenschaft gegründet und gleichzeitig das Milchhüsli erstellt worden. Die Landwirtschaft war damals in Herznach ein prägendes Gewerbe. Noch in den 1970er-Jahren zählte die Genossenschaft beachtliche 75 Mitglieder – heute sind es noch deren fünf, von denen nur noch vier Milch abliefern. Auch Genossenschaftspräsident Arno Wernle hat die Milchproduktion vor wenigen Monaten aufgegeben, da sie kaum mehr rentiert hat.
In den 1970er-Jahren war das Milchhüsli allabendlich Treffpunkt der Herznacher Jugend, die sich dort mit dem Milchkesseli traf. Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute mit einer Handvoll Kunden, die kuhfrische Milch schätzen, ist kein zusätzliches Geld mehr zu verdienen. Die Einkaufsgewohnheiten haben sich gerade im Bereich Milch stark geändert – eine Rückkehr zum Regionalprodukt ist bei der Milch nicht zu beobachten.
Ab sofort Hofabfuhr
Die vier Milchproduzenten haben sich entschlossen, künftig zur Hofabfuhr zu wechseln, da diese wirtschaftlicher ist. «Seit Jahren geht die Milchmenge stetig zurück und liegt heute bloss bei rund 1'000 Litern pro Tag, was den Betrieb der Annahmestelle verteuert», erklärt Arno Wernle. Betrieb und Unterhalt des Milchhüslis ist den Lieferanten mit rund fünf Rappen pro Liter Milch belastet worden.
Ein kleines Team hat abwechslungsweise die Milchannahme sowohl am Morgen als auch am Abend betreut. Etliche Jugendliche, wie Sarah Bühler, fanden so einen Nebenjob, um ihr Sackgeld aufzubessern. Die 15-Jährige macht diese Tätigkeit ein bis zwei Mal pro Woche zur vollen Zufriedenheit der Genossenschafter. Sie sagt «es isch de Plausch». Jetzt ist für sie dieser «Plausch» zu Ende; nun, sie werde «etwas anderes machen», sagt die aktive Sarah.
Das letzte Milchhüsli im oberen Fricktal
Der Entscheid zur Hofabfuhr hat zur Folge, dass im oberen Fricktal die letzte Milchannahmestelle ihre Türe schliesst. Im Fricktal verbleiben somit lediglich noch die Milchannahmestellen in Möhlin und in Wil.
Für Herznach geht eine über 100 Jahre alte Ära zu Ende, die auch den Strukturwandel in der Landwirtschaft widerspiegelt. Die Milchgenossenschaft Herznach und Umgebung wurde 1908 gegründet. Und im selben Jahr ist das Milchhüsli vis-à-vis des Restaurants Löwen erstellt worden.
Seine Architektur zeigt, dass man damals keinen Zweckbau errichtet, sondern das Gebäude sorgfältig in die Umgebung eingepasst hat. Das Milchhüsli ist heute Bestandteil des Ortskerns und somit Teil des Ortsbilds von nationaler Bedeutung.
Nun, sowohl Milchhüsli wie die Milchgenossenschaft werden weiterbestehen, allerdings mit anderen Funktionen. Bereits zeichnet sich für das Milchhüsli, das im Besitze der Genossenschaft bleiben soll, eine Vermietung ab. Die Genossenschaft mit ihren fünf Mitgliedern wird weitergeführt. Präsident Arno Wernle: «Das Milchhüsli ist das einzige Kapital, über das die Milchgenossenschaft noch verfügt.»
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