MG Hellikon erfrischend frisch
Von: Hans Berger
So frühlingshaft wie der vergangene Samstagmorgen war, trumpfte am Abend mit dem Motto „90ies“ die Musikgesellschaft Hellikon unter der Leitung von Valentin Sacher mit unzähligen Ohrwürmern rund um die 90er Jahre auf. Bezugnehmend auf das Motto konnten wohl nicht alle Konzertbesucher in der beinah vollen Mehrzweckhalle aus eigener Erfahrung die im Flyer gestellte Frage: „Erinnern Sie sich an die Kombination Musikkassette-Bleistift?“ mit Ja beantworten. Auch nicht der einmal mehr souverän, mit witzigen Kommentaren und inhaltsreicher Mimik durchs Programm führende, frei sprechende, 1994 geborene Moderator Mario Hürbi.
Musikgesellschaft Hellikon
Ebenfalls keine Ahnung von den Problemen, mit denen sich seinerzeit ihre Eltern und Grosseltern herumschlagen mussten, wenn sie via Kassettenrecorder oder Walkman ihre vom Radio schwarz heruntergeladene Lieblingsmusik hören wollten, haben wohl erst recht die Musikerinnen und Musiker der Juniorband Wegenstettertal, welche unter der Leitung von Fiorenzo Pedrocchi den Konzertabend - entsprechend dem Titel ihres ersten Stückes „A good start“ - gut starteten. Und wie bereits vier Wochen zuvor das Publikum in Zuzgen zeigte sich auch jenes in Hellikon von den poppigen, rockigen Stücken „All about that bass“ und „Seven Nation Army“ begeistert.
Mit Freude, Engagement und Gelassenheit
„Orchester haben keinen eigenen Klang; den macht der Dirigent“ dozierte einst niemand geringerer wie der grosse Herbert von Karajan. Wenn dem tatsächlich so ist, ist’s schlichtweg phänomenal, was Projekt-Dirigent Valentin Sacher nach dem Rücktritt seines Vorgängers Martin Schmid in relativ kurzer Zeit aus der MG Hellikon herausholte. „Lugano“ war dann auch der zur Schlagzeile „MG Hellikon erfrischend frisch“ animierende Marsch, mit dem die Dorfmusik ihr Jahreskonzert schwungvoll eröffnete. Als Zuschauer war es ein Vergnügen zu sehen, mit wieviel Freude und Engagement Valentin Sacher sein Orchester zu präziser Höchstleistung antrieb und dabei immer noch Gelassenheit ausstrahlte. Ein Fluidum, das während des ganzen Konzerts anhielt.
Superhelden
Batman ist kein Superheld im engeren Sinne, wie etwa Superman, da er über keinerlei Superkräfte verfügt. Seine Überlegenheit basiert auf Intelligenz, Willenskraft, hartem Training, seinen technischen Hilfsmitteln und seinem enormen Familienvermögen. Dessen drei erstgenannte Stärken waren auch jene der Musikantinnen und Musikanten, als sie die drei bekanntesten Themen aus dem Soundtrack zum Kinofilm spielten, die technischen Hilfsmittel allerdings wurden durch den Dirigenten und das enorme Familienvermögen durch einen Notenspender ersetzt.
Als noch nicht zu Weltruhm gelangte Superhelden erwies sich jedoch das Euphonium-Duo Lea und Marco Schlienger, das mit „Softly as i leave you“ im Nu die Herzen des Auditoriums eroberte, obwohl der Song genauso wenig mit den 90ern in Zusammenhang zu bringen ist wie dessen Vorgänger, wie der Moderator neckisch verzweifelt konstatierte.
Als er dann auch noch ein Medley von Marlene Dietrich mit Hits wie „Sag' mir wo die Blumen sind, Ich bin die fesche Lola, Ich bin von Kopf bis Fuss auf Liebe eingestellt, Johnny wenn du Geburtstag hast“ ansagte, kam ihm der Gedanke, dass das gewählte Motto weniger mit der Musik, als vielmehr mit den Sturm- und Drangjahren des Dirigenten in Zusammenhang zu bringen ist, was er in der Folge zum Gaudi des Plenums und des Betroffenen zu beweisen versuchte. Nichts destotrotz, die MG Hellikon brillierte sowohl mit dem Medley und bewies beim feurigen „Samba de Janeiro“ ihr Temperament.
Huldigungen
Selbst die schnellsten Flugzeuge brauchen für die Strecke zwischen Rio de Janeiro und New York rund zehn Stunden, die Dorfmusik allerdings überwand die Distanz inklusive Pause in sagenhaften dreissig Minuten, um dann der Metropole mit demselben Song wie einst Liza Minelli und Frank Sinatra zu huldigen.
So wie Herbert Grönemeyer am vergangenen Samstag auf 3Sat mit einem aufgezeichneten Livekonzert das Fernsehpublikum begeisterte, vermochte selbiges die MG Hellikon mit einem prägnanten, abwechslungsreichen Medley des deutschen Musiker, Musikproduzent, Sänger, Komponist, Texter und Schauspieler. Aus der Fülle an grossartigen Songs spielte die Band die vier stilistisch kontrastiven Titel: Männer, Mensch, Flugzeuge im Bauch und Mambo.
Highlight
Ein weiteres Highlight des Abends waren die fünf Perkussionisten Luca Brogli, Fabian Schlienger, Pascal Moosmann, Andreas Hasler und Valentin Sacher mit ihrem rhythmischen Feuerwerk „Greetings to Hermann“. Danach fragten sich die Musikantinnen und Musikanten „Wo sind all die Indianer hin?“, gestanden ihrem jeweiligen Partner „Ich lieb' Dich“, suchten aber gleichwohl das „Abenteuer“ und entdeckten jene „Lena“, welche die deutsche Pop-Band „Pur“ schon 1991 anhimmelte.
Aber auch die Musikantinnen und Musikanten der MG Hellikon waren von dieser Lena offensichtlich dermassen begeistert, dass sie alles um sich vergassen und zum Abschluss des Jahreskonzertes der Schönheit verzweifelt gestanden: „Verdammt ich lieb Dich“
Finale
Weil sie das so inbrünstig taten, wollte das frenetisch applaudierende Publikum die MG Hellikon aber noch nicht ziehen lassen was Selbige freudig zur Kenntnis nahm und mit den Wolfgang Petry Hits „Wahnsinn“, „Bronze, Silber und Gold“, „Sieben Tage, Sieben Nächte“ und „Weiss' der Geier“ nochmals einen rockigen Zahn zulegte, um sich dann aber nach dem „Solothurner Marsch“ endgültig vom begeisterten Publikum zu verabschieden.
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