Gesundheitskosten - Rezepte bekannt, Küchenchef vermisst
Von: mm/f24.ch
Der Preisüberwacher thematisiert in seiner gestrigen Publikation einen Markt, in welchem mindestens rund 20% (gemäss offiziellen Studien) – womöglich sogar noch mehr? – der Untersuchungen und Behandlungen überflüssig sind. Dies deshalb, weil zwischen Anbietern und Nachfragern von Gesundheitsleistungen ein grosses Informationsgefälle besteht und die Anbieter an jeder Intervention verdienen. Klar, dass sie den Anreiz haben, möglichst viele Leistungen zu erbringen (und sich dafür bezahlen zu lassen). Und ebenso klar, dass wir Nachfrager eine zusätzliche Untersuchung oder ein zusätzliches Medikament noch so gerne akzeptieren – es geht ja um unsere Gesundheit, und dass es manchmal mehr schadet als nützt, können wir nicht wissen.
Stefan Meierhans, Preisüberwacher
Der Preisüberwacher empfiehlt deshalb seit langem, dass nicht jede Einzelleistung abgegolten werden soll, sondern im besten Fall die Gesunderhaltung eines Patientenkollektivs. Ansatzweise funktioniert das bereits in gewissen Gruppenpraxen.
Weitere Fakten sind laut Preisüberwacher: Das Schweizer Volk bezahlt z.B. nach wie vor mehr als doppelt so viel für identische Generika wie unsere europäischen Nachbarn. Wir leisten uns ein Spitalnetz bestehend aus rund 280 (im weiteren Ausbau) befindlichen Kliniken, das in seiner Dichte dem Postkutschenzeitalter entstammt, obschon sich weite Teile unserer Wirtschaft (zum Glück) bereits im Weltraumzeitalter befinden.
Auch diesbezüglich ist der Preisüberwacher seit langem tätig: Zum einen kämpft er für Preise, mit denen die effizienten Spitäler gut zu Rande kommen – welche aber nicht diejenigen Kantone belohnen, welche unnötig viele Spitäler aufrechterhalten. Dies dürfte dazu beitragen, dass die Spitalplanung über kurz oder lang entsprechend angepasst wird und effizienter wird.
Zum andern empfiehlt er seit über zehn Jahren Senkungen der Medikamentenpreise, unter anderem durch die Einführung des sogenannten Referenzpreissystems. Mit diesem würden – nicht nur, aber insbesondere – die Generikapreise stark sinken. Von anderen Empfehlungen, wie der Abschaffung des Territorialitätsprinzips oder der Aktualisierung von Tarifsystemen, gar nicht zu reden. Die meisten dieser Empfehlungen wurden übrigens auch von der Expertengruppe Diener – im Jahre 2017! – bereits anerkannt und gefordert. Kurzum: Rezept bekannt, Küchenchef noch nicht gefunden.
Der Preisüberwacher hoffe fest, dass angesichts der für nächsten Herbst bereits angekündigten erneuten starken Prämiensteigerung diese Empfehlungen nun umgesetzt werden. Und gehe noch einen Schritt weiter:
«Langfristig brauchen wir ein Gesundheitssystem, dessen Hauptfokus darin besteht, unsere Gesundheit zu fördern bzw. zu erhalten. Wenn notwendig, werden natürlich auch teure medizinische Leistungen bezahlt, aber eben nur, wenn notwendig. Gutes Geld verdienen die Therapeutinnen und Therapeuten in einem gesundheits-orientierten System dann, wenn die Versicherten gesund bleiben – und nicht wie aktuell, wenn möglichst viele Untersuchungs- und Behandlungsschritte aneinandergereiht werden.»
Die Utopie des Preisüberwachers
Wir fokussieren auf die Errichtung überregionaler Gesundheitsnetze. Mit einem Jahresbudget ausgestattet, organisieren diese Netze die Gesundheitsversorgung der ihnen zugeteilten Versicherten in Eigenregie. Der Verdienst der Netze ist umso höher, je gesünder die Versicherten sind. D.h. in einem derartigen Netz, welches die ganze Versorgungskette abdeckt, haben die Netz-Managerinnen ein starkes Interesse, möglichst viel in die Gesundheitsförderung und -aufklärung zu investieren, die ambulante Praxis- und Spitalinfrastruktur zu stärken und stationäre Kapazitäten nur im notwendigen Umfang bereitzustellen. Die Kantone wären damit von der Spitalplanung entlastet.
Die notwendigen Medizinalartikel, Hilfsmittel und Medikamente dürften die Netze auch direkt im Ausland beschaffen, sofern dies günstiger zu stehen kommt als die Beschaffung im Inland. So würden auch die Produktionskosten sinken. Innerhalb eines Gesundheitsnetzes erhielten diejenigen Ärztinnen und Ärzte einen Bonus, deren Patientinnen und Patienten (altersadjustiert) die besten Gesundheitswerte aufweisen bzw. die besten Erholungsraten nach notwendigen medizinischen Eingriffen erzielen.
Damit wäre auch ein starker Anreiz gesetzt, um Wartezeiten für Eingriffe möglichst kurz und die Behandlungsqualität möglichst hoch zu halten. Schliesslich müsste es den Versicherten möglich sein, das Gesundheitsnetz bei Unzufriedenheit zu wechseln. Die verschiedenen Gesundheitsnetze stünden somit untereinander in einer gewissen Konkurrenz.
Wie stehen die Chancen, dass ein derartiger Turnaround in unserem Gesundheitswesen gelingt?
«Sicher etwas besser als im Jahr 2012, als das Schweizervolk die Managed Care Vorlage (siehe Abstimmungsvorlage Seite 24) wuchtig (mit 76% Nein-Stimmen) verwarf. Aber möglicherweise braucht es zur Erreichung des Kippmoments für ein qualitativ besseres und zugleich günstigeres Gesundheitssystem noch den einen oder anderen heissen Prämienherbst. Bis dahin halte ich den Druck auf die Tarife und Preise im Gesundheitswesen weiter aufrecht. Versprochen», so Preisüberwacher Stefan Meierhans.
«fricktal24.ch – die Online-Zeitung fürs Fricktal
zur Festigung und Bereicherung des Wissens»