Reformvorschläge zu Gesundheitsförderung und Prävention
Von: Loïc Schwab
Der Bevölkerungsrat präsentierte gestern an einer Medienkonferenz sechs Reformvorschläge zur Gesundheitsförderung und Prävention, die in einem fünfmonatigen Prozess mit 100 zufällig ausgelosten Einwohnerinnen und Einwohner ausgehandelt wurden. Sie spiegeln wider, welche Reformen die Bevölkerung als besonders dringlich erachtet, um die Gesundheit zu fördern und langfristig die Gesundheitskosten zu senken.
Der Bevölkerungsrat an seiner letzten Situng im Bundeshaus (Foto: Bevölkerungsrat 2025, Caroline Krajcir)
Der Bevölkerungsrat 2025 ist eine Initiative der Universitäten Zürich und Genf, koordiniert wird das Projekt vom Zentrum für Demokratie Aarau ZDA. Ziel ist es, komplementäre Formen der Demokratie zu erforschen und ihren Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zu untersuchen. Der Bevölkerungsrat trifft sich an insgesamt drei Wochenenden sowie an mehreren Online-Treffen. Die Teilnehmenden werden sich einer wichtigen politischen Herausforderung der Schweiz annehmen und miteinander mögliche Lösungen diskutieren.
In Zusammenarbeit mit den politischen Parteien wurde eine Vorauswahl von möglichen Themen getroffen: die Sicherstellung der Energieversorgung, die Finanzierung der Altersvorsorge, die Neutralitätspolitik der Schweiz, die steigenden Gesundheitskosten, das Verhältnis Schweiz – Europa.
Jede zum Bevölkerungsrat eingeladene Person hat die Möglichkeit, ein Thema auszuwählen. Der Bevölkerungsrat diskutiert schliesslich das Thema, das die Mehrheit bevorzugt. Am Ende des Prozesses erarbeiten die Mitglieder des Bevölkerungsrats ein Abschlussdokument, in dem sie die wichtigsten Argumente, Erkenntnisse und Empfehlungen zum behandelten Thema zusammenfassen.
Das Dokument kann als Entscheidungsgrundlage für die politisch Verantwortlichen dienen und zu einer öffentlichen Debatte beitragen. Das Forschungsprojekt soll untersuchen, inwiefern sich dieses Abschlussdokument auf die Meinungsbildung von Personen auswirkt, die nicht am Bevölkerungsrat teilgenommen haben.
Der Bevölkerungsrat 2025 findet zwischen November 2024 und März 2025 statt. Er soll die Vielfalt der Schweizer Bevölkerung möglichst gut abbilden und sicherstellen, dass Menschen mit ganz unterschiedlichen Meinungen eingebunden werden.
Dafür wurden die Teilnehmenden in einem zweistufigen Verfahren per Zufallsauswahl bestimmt. Im April 2024 erhielten 22'000 zufällig aus dem Stichprobenrahmen des Bundesamts für Statistik gezogene Personen eine Einladung, am Bevölkerungsrat teilzunehmen.
Aus allen Anmeldungen wurden am 25 Juni 2024 die 100 teilnehmenden Personen ausgelost.
Besonders hohe Zustimmung (87.5%) erhielt der Vorschlag, Gesundheitskompetenzen in allen Lebensphasen zu stärken – durch mehr Bildungsangebote und gezieltere Schulung von Fachpersonen, damit Menschen informierte Entscheidungen zu Ernährung, Bewegung und mentaler Gesundheit treffen können.
Auch die Einführung eines nationalen Gesundheitsgesetzes wurde deutlich befürwortet (75%). Es soll dem Bund stärkere Kompetenzen in der Gesundheitsförderung und Prävention verleihen und eine bessere Koordination mit Kantonen und Gemeinden ermöglichen. Ergänzt wird dieser Vorstoss durch die Idee eines nationalen Kompetenzzentrums «Gesundheitsförderung und Prävention», das Wissen bündeln, innovative Projekte fördern und Akteurinnen und Akteure besser vernetzen soll.
Weiter sprach sich der Bevölkerungsrat für den Ausbau nationaler Informationskampagnen aus, die breitenwirksam für gesundheitsrelevante Themen sensibilisieren sollen. Unterstützt wurden auch Lenkungssteuern: Bestehende Abgaben auf Alkohol und Tabak sollen erhöht, auf Zucker neu eingeführt werden.
Zudem sprach sich der Rat für schärfere Werbeverbote für nikotin- und alkoholhaltige Produkte aus. Diese sollen einen gezielten finanziellen Anreiz für gesündere Konsumentscheidungen setzen. Patrizia Cotti, Teilnehmerin aus Verscio (TI), meint: «Es war spannend zu sehen, wie unterschiedlich unsere Perspektiven waren – und wie wir gemeinsam zu tragfähigen Lösungen gekommen sind.»
Keine Mehrheit für Eingriffe in Wirtschaft und Arbeitswelt
Vier Vorschläge fanden im Rat keine Mehrheit – darunter die Abschaffung von Subventionen für Alkohol- und Tabakproduktion, die Weiterentwicklung und Stärkung eines Gesundheitslabels für Unternehmen, die Aufnahme zusätzlicher Präventivmassnahmen in die Grundversicherung sowie verbindliche Massnahmen zur Gesundheitsförderung durch Arbeitgebende.
Die verabschiedeten Reformvorschläge zeigen: Die Bevölkerung wünscht sich mehr Aufklärung, stärkere politische Rahmenbedingungen und konkrete Massnahmen für eine gesunde Schweiz. Für Megane Favaretto, Teilnehmerin aus Bévilard (BE) steht fest: «Ich hoffe, dass unsere Vorschläge nicht einfach in einer Schublade verschwinden, sondern dass die Politik unsere Arbeit ernst nimmt.»
Daniel Kübler, Co-Initiator an der Universität Zürich, sagt: «Der Bevölkerungsrat zeigt eindrücklich, dass Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen fähig sind, sich in komplexe Themen einzuarbeiten – und gemeinsam mehrheitsfähige Lösungen zu finden, die auf Respekt und Dialog beruhen.»
Bundesrätin Baume-Schneider nimmt Abschlussbericht entgegen
Der Bevölkerungsrat lädt Politik, Verwaltung und Fachwelt ein, sich mit diesen Impulsen auseinanderzusetzen. Der Abschlussbericht des Bevölkerungsrats wird am 20. Mai in Bern an Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider übergeben. Vertreterinnen und Vertreter der politischen Begleitgruppe werden die Ergebnisse diskutieren und in den politischen Kontext einordnen.
Das Projekt wurde von den Universitäten Zürich und Genf durchgeführt und vom Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) koordiniert. Es untersucht, ob und wie zufällig ausgeloste Bevölkerungsräte die demokratischen Debatten ergänzen können.
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