Adventsmärkte weckten erste Weihnachtsgefühle
Von: Hans Berger
Christen sind Meister im Feiern. Sie haben rund zwanzig Festtage im Jahr, mehr als alle anderen Religionen. Hinzu kommen noch die Namenstage der vielen Heiligen. Ostern ist übrigens viel wichtiger als Weihnachten, obwohl zu Jesus Geburtstag viel mehr Aufwand betrieben wird. Und dennoch schien, zumindest bis vergangenen Samstag, für viele der hier lebenden Menschen dieses - kirchlich gesehen - zweithöchste Fest noch in weiter Ferne zu sein. Zur Bewusstwerdung, dass dem nicht so ist, verhalfen diverse Adventsmärkte wie beispielsweise jener in Stein bei der MBF oder jener in Kaiseraugst.
Weihnachtsmarkt in Kaiseraugst
Allerdings sorgte anfänglich auch die Wetterlage mit strahlendem Sonnenschein und knatschblauem Himmel gleichwohl noch für etwas Irritation, da diesbezüglich Ostern näher zu sein schien wie Weihnachten. Doch die typisch weihnachtlichen Attribute machten schnell klar, dass dem nicht so sein kann.
Abwägung
Beide Adventsmärkte offenbarten: Trotz der Veränderungen in Gesellschaft und Kirche steht Weihnachten für sehr viele Menschen immer noch ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Das vermutlich deshalb, weil der Mensch Sehnsucht nach Geborgenheit hat und einen Platz in einer (Familien)-Gemeinschaft begehrt. Es werden zudem viele Erinnerungen an die Kindheit wach, als „alles noch gut war“.
Kritiker halten demgegenüber fest: Das Weihnachtsfest in der heutigen Gestaltung sei entchristlicht, es bedeute Kommerzialisierung, Hektik und Stress. Der theologische Gehalt sei weitgehend verloren gegangen. Weihnachten sei nicht mehr das Fest der Liebe und der Besinnung, welches in erster Linie in den Familienrahmen gehöre. Wohl beiden Thesen ist rein rational etwas abzugewinnen.
Stimulierung
In einer Abwägung der beiden Thesen geht jedoch das Bauchgefühlt, das besagt: „Weihnachten und Geschenke kaufen ist schön“ meist als Sieger hervor. Eine ideale Gelegenheit, dieses Feeling erstmals zu stimulieren sind die Weihnachtsmärkte. So war dies bestimmt auch für die vielen Weihnachtsmarktbesucher in Stein und Kaiseraugst der Fall.
Beiderorts wurde zwar auf melancholisch stimmende Weihnachtslieder verzichtet, doch allein die Tannenzweige und die glitzernden Lichter reichten aus, um sukzessive in die gefühlsmässig fernabliegende, faktisch jedoch am kommen Sonntag beginnende Adventszeit eintauchen zu können.
Qual der Wahl
Hatte es dann bei den Besucherinnen und Besuchern geklickt, ja dann konnten sie sich dem Charme der beiden Märkte kaum noch entziehen. Zumal die Angebote meist von Hand gemachte Unikate waren und geradezu dazu verführten, das ansonsten eher festsitzende Portemonnaie zu zücken. Ein Hemmnis war dann allerdings oft die Ungewissheit, ob der eigene Geschmack mit jenem der Empfänger auch wirklich identisch ist.
Ja, das Schenken, anderen eine Freude zu machen ist unabhängig vom Preis nicht einfacher geworden. Die Zeiten sind eben vorbei, als ein Schmuckstück, eine Krawatte, eine Puppe, ein Miniauto noch ein hundertprozentiger Treffer war, um bei den Beschenkten einen Jubel auszulösen. Die Losung: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“, hat ihre Relevanz verloren, respektive wurde mit „schaut man natürlich ins Maul“ ergänzt.
Geschenktes Weihnachtsgefühl
Daraus das Fazit zu ziehen, dass man mit Geschenken keine Freude mehr bereiten könne wäre jedoch falsch. Richtig aber ist, der Zeitaufwand für das richtige, Gesichter zum Strahlen bringende Geschenk ist enorm gestiegen. Tatsache ist ebenso, Weihnachtsmärkte sind ideale Fundus zur Erreichung dieses Ziels, so man dann wüsste, womit die zu Beschenkenden erfreut werden können.
In Ermangelung dieses Wissens sitzt dann das Portemonnaie, entgegen der Intuition eben doch nicht so locker in der Tasche. Umso mehr ist den Organisatoren von Weihnachtsmärkten und insbesondere den Standbetreibern, die monatelang im stillen Kämmerchen für ihr Angebot arbeiten, ein grosser Kranz zu winden, dass sie dies tun und damit vielen Besucherinnen und Besuchern zumindest für einige Stunden ein wohltuendes Weihnachtsgefühl schenken.
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