Heiligabend – ein Abend der Freude und Besinnlichkeit?
Von: Hans Berger
Im Kirchenjahr ist Advent nach christlicher Lehre die festlich begangene Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft des von Gott zur Erlösung aller Menschen gesandten Sohn Gottes und Heilig Abend die Geburt dieses Messias Jesu Christi, wie im Matthäus- und Lukas-Evangelium überliefert wird. Gesellschaftlich bilden Advents- und Weihnachtszeit heute jedoch das Konsumereignis des Jahres. In der Geschäftswelt erwirtschaften viele Branchen im November und Dezember einen Fünftel des Jahresumsatzes. Was ist Weihnachten also heute?
Der Konsum ist für viele Christen aber Anlass für zum Teil scharfe Kritik. Die Kommerzialisierung wird meist als ein Hauptübel ausgemacht wie desgleichen die Lichterorgien und die Musikberieselung. Die Konsumindustrie habe dieses Fest komplett kernsaniert. Die Fassade stehe zwar noch, dahinter aber sei kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Gleichzeitig ist jedoch auch festzustellen: die allermeisten Christen mögen auch Licht und Musik wie desgleichen Geschenke, Weihnachtsdeko, gutes Essen, Trinken, Wärme usw.
Wer es bescheidener mag, kann sich indes selber seine Grenzen setzen und wird darin durch nichts und niemanden gehindert. Ein allgemeines Aussteigen aus unserer kulturellen Form des Weihnachtsfestes ist dagegen ganz und gar unrealistisch. Denn es ist offensichtlich ein tiefes menschliches Bedürfnis, in der dunklen Zeit des Jahres so ein Fest zu feiern.
Die sogenannt „Heilige Zeit“ ist jedoch nicht selten auch eine schwierige Zeit. Viele Menschen sind depressiver gestimmt als in der sonnenreichen Sommerzeit und unterschwellig vorhandene Konflikte brechen öfter auf, wodurch sich unter Umständen delikate Themen sehr heftig entladen können.
Unser kulturell geprägtes- „verweltlichtes“ Weihnachtsfest mit all seinen attraktiven und manchmal abstossenden Seiten erscheint jedoch nur dann in einem negativen Licht, wenn es einem angeblich reinen christlichen Fest gegenübergestellt wird.
Doch wie soll dieser christliche Gebäude-Kern denn aussehen? Natürlich ist der „eigentliche Inhalt des Festes“ die Geburt Jesu. Aber wie soll eine wahre christliche Gestaltung des Festes dann konkret aussehen? Wohin zurück soll es denn gehen? Wo soll denn das wahre christliche Weihnachten verortet werden? Im heimeligen 19. Jahrhundert? Aber auch da gab‘s schon Kommerz. Oder in einer Zeit nur mit kirchlichem Gottesdienst, ohne Geschenke und Familienessen? Eine allgemeingültige Antwort auf diese Fragen gibt es nicht.
Tatsache ist, trotz der Veränderungen in Gesellschaft und Kirche steht hierzulande Weihnachten im Familienkreis für sehr viele Leute immer noch ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Das deshalb, weil der Mensch offensichtlich Sehnsucht nach Geborgenheit hat und einen Platz in einer (Familien)-Gemeinschaft begehrt. Es werden zudem viele Erinnerungen an die Kindheit wach, als „alles noch gut war“.
Der einzelne Mensch möchte das auch als Erwachsener wieder erleben. Weil sich das Rad der Zeit aber nicht zurückdrehen lässt und die Lebensumstände anders sind als früher, ist die Vergangenheit nicht rekonstruierbar. So ist die Abkehr von einer in der Kindheit erlebten Tradition, bzw. das Nicht-Rekonstruieren-Können, wie es früher war, für erwachsene „Kinder“ vielfach mit einem schlechten Gewissen verbunden.
Wichtig dabei ist die Einsicht, dass auch die Familienidylle der 1960er und 70er Jahre eine Phase war und wie karg die Menschen in den Kriegsjahren oder noch früher lebten, als ein Weihnachtsgeschenk aus einem Taschentuch und zwei Äpfeln bestand.
Schöne Weihnachten
Was früher undenkbar gewesen wäre: Heute gibt es eine „Weihnachtsszene“. Nicht wenige Jugendliche gehen an Heiligabend lieber in den Ausgang als vor dem Bäumchen zu sitzen. Darin drückt sich der natürliche Wunsch nach dem Zusammensein mit Gleichgesinnten aus, der bei jungen Menschen besonders ausgeprägt ist. Es ist grundsätzlich gewiss besser, Weihnachten so zu feiern, dass es den Beteiligten wohl ist, als sich etwas aufzuzwingen. In Amerika und England wird «merry christmas», als tatsächliche fröhliche Weihnacht gefeiert, dieser Aspekt sagt nicht nur Jugendlichen mehr zu als der hiesige traditionelle, familiäre, schlichte und stille Stil.
Sicher ist: müssten hierzulande die Menschen um ihre elementaren Grundbedürfnisse wie Frieden, Schutz, Sicherheit, Geborgenheit, Nahrung, Gesundheit, Kleidung etc. wirklich kämpfen, ja dann hätte die Weihnachtsbotschaft gewiss eine ganz andere Wirkung.
Weihnachten heute soll individuell wahrgenommen und praktiziert werden, deren, die Menschen verbindenden Friedens-Botschaft sollte dabei aber immer nachgegangen und einsame, verlassene, Einlass begehrende Menschen wie das Mädchen auf dem Titelbild nicht vergessen werden.
In diesem Sinne wünscht fricktal24.ch allen Menschen einerseits ein besinnliches, andererseits aber auch ein nicht minder freudiges Weihnachtsfest.
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