Geothermie - Auf die Injektionsstrategie kommt es an
Von: Josef Zens / f24.ch
Die weltweite Nachfrage nach Energie stellt die Energieversorgung mit Blick auf den Klimawandel vor zunehmende Herausforderungen. Dabei hält die Erde selbst in ihrem Inneren eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle bereit. Auf Grundlage geophysikalischer Prozesse strahlt der Erdkernkontinuierlich Wärmeenergie aus, die auf ihrem Weg an die Erdoberfläche Gesteine und andere, in der Erdkruste eingelagerte Stoffe erhitzt. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa das 100‘000-fache des gegenwärtigen jährlichen Energieverbrauchs der Welt in der Erdkruste als (Wärme-) Energie gespeichert ist
Geothermische Energie oder "Erdwärme" nennt man die in Form von Wärme gespeicherte Energie unterhalb der Oberfläche der festen Erde, welche hauptsächlich aus dem Zerfall natürlich vorkommender radioaktiver Elemente stammt. Schon ab zirka 15 Meter unter der Oberfläche ist die Bodentemperatur das ganze Jahr über konstant.
In 5000 Metern Tiefe herrscht in der Schweiz eine Temperatur von rund 200°C. Diese Erdwärme lässt sich mit Hilfe verschiedener Methoden nutzen. Erdwärme ist eine emissionsarme, nachhaltige und in menschlichen Zeiträumen gerechnete unerschöpfliche Energiequelle. Hinzu kommt, dass sie nahezu ununterbrochen zur Verfügung steht und damit zur Erzeugung von Bandstrom resp. Winterstrom beitragen kann.
Als Ende 2006 bei Basel weltweit zum ersten Mal eine petrothermale Bohrung zu kommerziellen Zwecken gestartet wurde, bebte prompt die Erde – mit einer für Menschen durchaus spürbaren Magnitude von 3,4 auf der Richterskala. Die Stimulationsmassnahmen hatten dazu geführt, dass sich natürliche im Untergrund vorhandene Spannungen lösten. Die Erdstösse führten an der Oberfläche zu Sachschäden in Höhe von sieben Millionen Franken. Das Basler Geothermie-Projekt wurde daraufhin gestoppt.
Die Angst vor Erdbeben ist dann auch einer der Hauptgründe für Vorbehalte gegen Geothermie. Denn um an heisses Wasser aus der Tiefe zu kommen, müssen häufig Klüfte im Gestein im Untergrund erzeugt werden. Dies passiert durch Injektion grosser Wassermengen unter hohem Druck. Das Verfahren heisst hydraulische Stimulation und schafft so genannte Enhanced Geothermal Systems (EGS). Das Problem dabei: Mit der hydraulischen Stimulation einher gehen Erschütterungen im Untergrund, man sprich von „induzierter Seismizität“. Eine neue Studie aus dem Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ weist nun einen Weg, der dabei helfen könnte, das seismische Risiko zu reduzieren.
Die Forscher*innen um Stephan Bentz haben dazu eine ganze Reihe von Stimulationsprojekten weltweit ausgewertet und berichten darüber in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters. Ihre zentrale Erkenntnis: Die meisten EGS folgen einem einfachen Prinzip, wonach die induzierte Seismizität sehr eng an die eingebrachte Energie (Wassermenge und Wasserdruck) gekoppelt ist. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, bei denen offenbar die örtliche Tektonik das Geschehen dominiert.
Geothermische Energie wird seit langem als vielversprechende Ergänzung und langfristig als Ersatz für fossile Brennstoffe bei der Strom- und Wärmeerzeugung erforscht, da sie eine beträchtliche Grundlastkapazität aufweist. Um tiefe geothermische Reservoire zu entwickeln, ist es häufig erforderlich, unterirdische Wegsamkeiten zur Zirkulation von Flüssigkeit zu erzeugen.
Hierzu muss die Formation hydraulisch stimuliert werden. Die Schaffung von Enhanced Geothermal Systems öffnet die Strömungswege, kann aber auch zu induzierter Seismizität führen. Die überwiegende Anzahl dieser induzierten seismischen Ereignisse sind weder spür- noch messbar. Einige besonders grosse induzierte Erdbeben haben jedoch zur Beendigung oder Aussetzung mehrerer EGS-Projekte in Europa geführt, wie z.B. die beiden Tiefengeothermie-Projekte in Basel und St. Gallen in der Schweiz. Kürzlich wurde das Auftreten eines Erdbebens der Stärke 5,5 im Jahr 2017 in der Nähe von Pohang, Südkorea, mit einem nahegelegenen EGS-Projekt in Verbindung gebracht.
So gibt es erhebliche öffentliche Bedenken gegenüber EGS-Projekten in dicht besiedelten städtischen Gebieten. Die Entwicklung neuer gekoppelter Überwachungs- und Injektionsstrategien zur Minimierung des seismischen Risikos ist daher der Schlüssel zur sicheren Erschliessung städtischer geothermischer Ressourcen und zur Wiederherstellung des Vertrauens der Öffentlichkeit in diese saubere und erneuerbare Energie.
In der neuen Studie, die in Geophysical Research Letters veröffentlicht wurde, analysierten die Forschenden um Stephan Bentz vom GFZ die zeitliche Entwicklung der Seismizität und das Wachstum der beobachteten Erschütterungswerte („Erdbebenmagnituden“) für eine Reihe von vergangenen und laufenden Stimulationsprojekten.
Die Ergebnisse zeigen für die Mehrzahl der untersuchten Stimulationskampagnen eine klare lineare Beziehung zwischen dem injizierten Flüssigkeitsvolumen oder der hydraulischen Energie und den kumulativen seismischen Momenten. Vereinfacht gesagt: Das, was an Energie durch Stimulation in den Untergrund gebracht wurde, kam teilweise an Erschütterung wieder heraus. In den meisten untersuchten Projekten stimmen diese Beobachtungen auch gut mit bestehenden physikalischen Modellen überein.
Die Forschenden vermuten, dass die Seismizität in den meisten Fällen aus einem stabilen, druckbegrenzten Bruchprozess resultiert, zumindest für eine längere Injektionsdauer.
Stephan Bentz erläutert: „Das bedeutet, dass die induzierte Seismizität und deren Grössenordnung durch Änderungen in der Injektionsstrategie beeinflusst werden können. Das steht im Einklang mit früheren Ergebnissen unserer Gruppe in Helsinki.“ Dort hat der Einsatz eines neuartigen Ampelsystems während der hydraulischen Stimulation dafür gesorgt, dass die induzierte Seismizität unter dem vorher von den Behörden festgelegten Grenzwert geblieben ist.
Bentz berichtet allerdings von Ausnahmen, die er und sein Team bei ihrer Studie identifiziert haben. „Es gibt ein paar Stimulationen, die eine stärkere Zunahme des seismischen Moments zeigen.“ Wiederum vereinfacht gesagt: Die Erschütterungen waren weitaus stärker als die eingebrachte hydraulische Energie.
Nach Ansicht der Forschenden deutet das darauf hin, dass in diesen wenigen Fällen die regionale Tektonik den Bruchprozess und damit die Stärke der Seismizität steuert. Mehr noch: Während der Injektion kann das System von einem in den anderen Zustand wechseln. Dann wird der ursprünglich von der Injektion kontrollierte Bruch instabil, von Gebirgsspannung kontrolliert und wächst übermässig.
Ko-Autor Georg Dresen, Leiter der GFZ-Arbeitsgruppe Geomechanik in der Sektion „Geomechanik und Wissenschaftliches Bohren“, sagt: „Eine enge, nahezu in Echtzeit erfolgende Überwachung der Entwicklung des induzierten Seismizität könnte helfen, kritische Phasen der Injektion frühzeitig zu identifizieren. Dies gibt die Möglichkeit, die Stimulationsstrategie sofort anzupassen.“
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