Effingen machte dem Winter den Garaus
Von: Hans Berger
Der Winter ist ein heimtückischer Kerl; auch wenn sich am vergangenen Sonntag der Frühling zum ersten Mal in diesem Jahr in seiner ganzen Pracht präsentierte, kann dies grundsätzlich nicht zwingend als Rückzug des garstigen Gesellen gedeutet werden. Weil jedoch am Effinger Eierleset der Frühling den Winter besiegte, ist nicht auszuschliessen, dass er nun stillschweigend das Weite gesucht hat. Allerdings steht nicht ganz zweifelsfrei fest, ob es beim Wettlauf zwischen dem Winter und dem Frühling mit rechten Dingen zuging und der Sieg des Frühlings nicht ein wenig manipuliert war. Nun - es wird sich in den nächsten Tagen zeigen, ob der Winter den Erfolg seines Kontrahenten akzeptiert oder - auf seinen Sieg pochend - noch trotzig seine Macht demonstriert.
Der Kampf zwischen den beiden Rivalen um die Vormachtstellung war jedenfalls am vergangenen Sonntag auf der Dorfstrasse von Effingen unerbittlich. Die Akteure der Schlacht sind die Grünen und die Dürren. Zur Gruppe der Grünen gehören der Läufer, s’Hochsetspäärli, dr Hüehnermaa, dr Jasschärtler, dr Tannäschtler, dr Stechpälmler, dr Pfarrer und dr Polizischt. Zur Gilde der Dürren zählen sich der Reiter, dr Straumuni, dr Hobelschpänler, dr Schnäggehüsler, en Alte und en Alti.
Ungeschriebenes Gesetz
Ob aber der Frühling oder der Winter obsiegt, wird in einem Wettlauf zwischen Läufer und Reiter ausgetragen. Der eine muss nach überliefertem Brauchtum auf einer Strecke von 80 Metern 162 Eier zusammenlesen und in eine Wanne werfen, während der andere eine vorbestimmte Strecke abreitet. Dass der Reiter - er verkörpert den Winter - meist den Kampf verliert und dem Frühling Platz machen muss, ist für die Zuschauer fast eine Selbstverständlichkeit und im Drehbuch vom Eierleset Effingen ein ungeschriebenes Gesetz.
Die Schlacht
Während der Läufer eine grosse sportliche Leistung vollbringt, attackieren sich neben der Eierbahn in ihren prächtigen Masken und Kleidern die Winter- und Frühlingsdämonen zum Vergnügen der Zuschauer aufs heftigste. Hochwohllöbliche Herren in schwarzer Kleidung, mit Zylinder und eine dicke Zigarre rauchend, schauen, dass die „Streitereien“ nicht ausarten und helfen den Gestrauchelten wieder auf die Beine. Unbeeindruckt vom Geschehen schreitet der Pfarrer stetig die Strecke auf und ab und sinniert vermutlich über seine anstehende Predigt.
Frühlingsgefühle
Obwohl noch nicht feststand, wer denn nun tatsächlich zum Sieger erkoren wird, verspürten auch die Dürren den Frühling, wie in nicht ganz jugendfreien Szenen beobachtet werden konnte. Wild waren die wilden Gestalten natürlich vor allem auf die Braut, um welche nicht mit den zartesten Methoden geworben wurde. Aber auch den Zuschauern brachten die Dämonen das Fürchten bei, besonders wenn der „Stechpälmler“ durch die dicht zusammenstehende Menge rannte oder der „Schnäggehüsler“ sich mit einer „Söiblootere“ den nötigen Respekt verschafft.
Alles oder nichts
Bei den wilden Existenzkämpfen musste die Lockenpracht des „Hobelspänlers“ am meisten leiden, am Schluss lag sie mehrheitlich auf der Strasse. Aber auch das Brautkleid überlebte das Spektakel nicht unbeschadet, wen wundert’s, zuerst wurde das Décolleté attackiert, doch damit nicht genug, nach dem Motto „alles oder nichts“ rissen die Wilden der bedauernswerten Jungfrau das Kleid vom Leibe, was den Bräutigam, die Zuschauer, die Zigarren paffenden Hochwohllöblichen genauso wenig empörte wie den Pfarrer oder den Polizisten.
Ja, die Emanzipation scheint in Effingen noch nicht sehr weit fortgeschritten zu sein. Als einzige Frau im Gemeinderat sollte Vizeammann Iris Schütz-Bossart diesbezüglich mal tüchtig auf die Pauke hauen.
Die Eierpredigt
So, wie nach dem Wettkampf der Pfarrer, alias Hans Emmenegger in seiner - von drei Kuhglocken sowie einer Bratpfanne eingeläiteten und untermauerten - genialen, heftigen und deftigen Eierpredigt. Von der hohen Kanzel aus kanzelte er lautstark - ohne Mikrofon - auf das Volk hinunter und hielt ihm fast eine Stunde lang in Prosaform dessen Sünden vor. Gar manches wusste er über die Geschehnisse der letzten zwei Jahre amüsant zu erzählen. Gekonnt verknüpfte er globale Themen mit Dorfgeschichten und rief bei den Einheimischen manches wieder in Erinnerung, von denen die Betroffenen vermutlich gehofft hatten, dass es längst vergessen war.
Ein Schild an der Kanzel mit dem Hinweis: „Wer die Predigt need mag verliide, hät halt sölle deheime bliibe!“, hatte die Zuhörerschaft jedoch vor den unverblümten Worten des Pfarrers gewarnt.
Die Geschehnisse wurden so ausführlich, bildhaft und blumenreich geschildert, dass sie auch für Auswärtige unterhaltend waren, ja selbst das Pferd vermochte offensichtlich den Ausführungen des Predigers zu folgen, wie seinem oft punktgenau wiehernden „Amen“ entnommen werden konnte.
Eiertätsch
Nach der mit viel Applaus bedachten Standpauke des „Geistlichen“ dislozierte die Gemeinschaft in die Turnhalle zum obligaten und abschliessenden „Eiertätsch“. Der Kampf der Giganten vom Eierleset Effingen sowie die markante Eierpredigt des Pfarrers lieferten genügend Gesprächsstoff.
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