Je mehr Klassenkolleginnen in der Schule, desto höher später der Lohn von Frauen
Von: Noëmi Kern
Frauen verdienen mehr, wenn sie als Kinder mehrheitlich mit anderen Mädchen die Schulbank drückten. Das zeigt eine Studie der Universität Basel und der Universität Durham mit Daten von 750'000 Schülerinnen und Schülern.
Männer und Frauen sollten gleich viel verdienen. Tun sie aber nicht; Frauen üben andere Berufe aus als Männer und verdienen auch weniger. Dieser «Gender Gap» muss behoben werden, so die gängige Meinung. Doch wie er entsteht, ist bis heute nicht vollumfänglich geklärt. Eine Studie auf der Basis von schwedischen Daten nimmt sich diesem Anliegen an. Die Ergebnisse legen nahe, dass das soziale Umfeld bereits in frühen Jahren einen grossen Einfluss auf den Werdegang und den Lohn hat.
Demnach profitieren Mädchen davon, wenn die Klassenzusammensetzung während der obligatorischen Schulzeit – also zwischen 6 und 16 Jahren – zu ihren Gunsten ausfällt. Die Studie zeigt: Je mehr Mädchen in einer Klasse sind, desto höher der spätere Lohn für Frauen und desto kleiner der «Gender Wage Gap», also der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen.
Dies zeigt die Datenauswertung von Prof. Dr. Armando Meier von der Universität Basel und seinem Co-Autor Prof. Dr. Demid Getik von der Universität Durham. Die beiden haben für ihre Studie die Daten von über 750'000 Schülerinnen und Schülern ausgewertet, die zwischen 1989 und 2002 die Primarstufe in Schweden abgeschlossen haben. Ihre Erkenntnisse publizieren die Forscher im Fachjournal «American Economic Journal: Economic Policy».
Lohnunterschied reduziert sich um 2,7 Prozent
Mädchen in weiblich dominierten Klassen haben gemäss der Studie bessere Noten und verfolgen eher Karrierewege, die als «typisch männlich» gelten. So wählen sie häufiger einen naturwissenschaftlichen oder technischen Schwerpunkt am Gymnasium und arbeiten später häufiger in Berufsfeldern, die männlich dominiert sind.
Im Alter von 30 Jahren verdienen Frauen, die in einer Klasse mit 55 Prozent Mädchen waren, rund 350 Dollar jährlich mehr als Frauen, in deren Klasse der Mädchenanteil bei 45 Prozent lag. Mit Blick auf den Gender Wage Gap bedeutet dies eine Reduktion des Lohnunterschieds zwischen den Geschlechtern von 2,7 Prozent. Die Frauen verdienen aber nicht nur mehr, weil sie in Branchen tätig sind, in denen die Löhne generell höher sind. Sie verdienen auch innerhalb einer Branche mehr als Frauen aus einem anderen schulischen Umfeld.
Die Erkenntnis, dass das schulische Umfeld die Noten und den weiteren Bildungsweg beeinflusst, ist nicht neu. «Unklar war bisher jedoch, inwiefern sich die Geschlechterverhältnisse in einer Schulklasse auf die langfristige Berufswahl und den Lohn auswirken», sagt Armando Meier, Professor für Volkswirtschaftslehre.
«Unsere Analyse zeigt, dass das Geschlechterverhältnis kausalen Einfluss auf den späteren Bildungs- und Berufsweg sowie das Einkommen hat.» Faktoren wie das familiäre Umfeld, sozioökonomische Aspekte oder das eigene Geschlecht können die Resultate nicht erklären: Der Mädchenanteil in den Klassen ist das einzige Unterscheidungsmerkmal.
Gesamtbevölkerung als Datenbasis
«Schweden eignet sich deshalb besonders gut für die Analyse, weil einerseits Daten für die gesamte Bevölkerung über einen langen Zeitraum zur Verfügung stehen. Andererseits dauert die Primarstufe von 6 bis 16 Jahren. Damit gelten relativ lange für alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Bedingungen», erklärt Armando Meier. Eine Spezialisierung finde erst nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit statt. Ausserdem sei die Klassenzusammensetzung so gut wie zufällig und falle einmal zugunsten des Mädchenanteils aus, einmal zugunsten der Jungs.
«Am meisten profitieren Frauen von dem Effekt, wenn der Mädchenanteil in ihrer Klasse 55 Prozent und mehr betrug», so Meier. Was die Gründe sind, lasse sich nur vermuten. So könnte es in mädchendominierten Klassen weniger Gewalt und ein anderes Rivalitätsverhalten geben. «Es gibt psychologische Literatur zu diesen Aspekten, mit unseren Daten lassen sich darüber aber keine detaillierteren Aussagen machen», sagt Armando Meier.
Auch der Netzwerkeffekt könnte eine Rolle spielen, mutmasst der Wirtschaftswissenschaftler: Die Mädchen aus weiblich dominierten Klassen besuchten häufig die gleichen weiterführenden Schulen und Universitäten und profitierten so von langfristigen Kontakten, die ihnen im Berufsleben zugutekommen können.
Aber: «Sobald die Mädchen profitieren, wirkt es sich auf die Jungs nachteilig aus», sagt Meier. Ab einem Mädchenanteil von 55 Prozent lasse sich für die Jungen ein negativer Effekt hinsichtlich späteres Einkommen feststellen.
Gesellschaft profitiert als Ganzes
Sollte man also zurück zu geschlechtergeteilten Klassen, um die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern? Armando Meier findet: «Wenn man die Berufsaussichten priorisiert, könnte das eine mögliche Schlussfolgerung sein. Aber es geht in der Schule ja auch darum, soziale Kompetenzen zu fördern.»
Es könne jedoch eine Überlegung wert sein, Klassen in manchen Fächern geschlechtergetrennt zu unterrichten, wie man es in der Schweiz bisweilen vom Sportunterricht her kennt. So zeigen psychologische Untersuchungen, dass Mädchen in weiblich dominiertem Umfeld beispielsweise ihre mathematischen Fähigkeiten als besser einschätzen und bessere Noten schreiben.
Die Erkenntnisse der Studie machen deutlich, wie wichtig es ist, bereits im Bildungssystem die Weichen für eine gleichberechtigte Arbeitswelt zu stellen – ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft.
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