Wie Einhorn und Glitzerstaub
Von: Elisha
Noch immer lief Meike neugierig durch ihre Heimatstadt. Seit sie ihr Studium im Ausland durchgeführt hatte, hat sich so viel verändert. Statt dem spiessigen Café, in dem die Familie in ihrer Kindheit Feste gefeiert hatte, gab es jetzt ein Schnellrestauant einer internationalen Kette, in dem man Hamburger kaufen konnte, genau wie an ihrem Studienort. Und aus der kleinen Boutique, bei der sie sich als Jugendliche die Nase am Schaufenster platt gedrückt hatte, war jetzt ein Second Hand Laden geworden, dessen Kleider und Pullover auch sie sich leisten konnte.
Noch viel spannender waren die Veränderungen bei den Menschen gewesen, die sie nach den Jahren im Ausland bemerken konnte. Ihr Bruder war mächtig gewachsen und überragte sie nun um mehr als einen Kopf, und seine Bemerkungen fand sie gar nicht mehr albern oder lächerlich.
Und dann ihre beste Freundin, die sie schon aus dem Kindergarten kannte, mit der sie sich immer nah gefühlt hatte. Ricarda hatte sogar geheiratet! Dabei hatte sie Franco zum ersten Mal im letzten Jahr getroffen, und er war nach nur sechs Wochen bei ihr eingezogen.
Charmant war er ja, das musste Meike zugeben, und auch ihr gegenüber hatte er freundliches Interesse gezeigt.
„Du bist die beste Freundin meiner Frau, da möchte ich dich doch gern kennen lernen“, hatte er gesagt und ihr nett zugezwinkert. „Du kanntest sie in einer Zeit, als sie noch ein kleines Mädchen war, und bestimmt hast du jede Menge Geschichten von euch beiden auf Lager.“
„Ja, trau dich, aus dem Nähkästchen zu plaudern“, hatte Ricarda lächelnd gesagt und sich enger an Franco gekuschelt. „Schiess los!“
Ein schönes Pärchen, hatte Meike gedacht und eine Anekdote von früher aus ihrem Gedächtnis gekramt. Als Abschluss sagte sie dann stolz mit einem liebevollen Lächeln: „Und dann haben wir festgestellt, wir sind wie Einhorn und Glitzerstaub.“
Was sie nur ein wenig beunruhigte, war die Anzahl der zufälligen Treffen zwischen ihr und Franco. In der Bibliothek, in der Einkaufspassage und selbst in dem Burger-Restaurant stiess er zu ihr, und immer schien er sich zu freuen und machte ihr Komplimente. Auch jetzt, vor der Milchbar, kam er auf sie zu und umarmte sie überschwänglich.
„Wie schön, dich hier zu treffen!“, säuselte er. „Komm, wir trinken was da drinnen, damit wir uns besser kennen lernen.“
Meike hatte das eh vorgehabt, blieb aber einen Moment unsicher im Türrahmen stehen.
„Du wolltest doch sicher ausprobieren, ob die Milchshakes noch so gut schmecken wie in deiner Kindheit“, sagte er und führte sie an den Tisch vor dem Fenster. „Und ich freu mich, dich ganz viel fragen zu können. Sonst sehen wir uns ja immer mit anderen.“
Meike lächelte unsicher und bestellte sich eine Erdbeermilch. Sie griff zum Handy und tippte eine Nachricht. Dann nahm sie ihren ersten Schluck von der rosafarbenen Flüssigkeit.
„Weisst du was? Dein Lippenstift hat genau die Farbe deines Drinks“, bemerkte Franco und schenkte ihr ein breites Lächeln.
„Ja, wie mein Nagellack“, sagte Meike und grinste zurück.
„Du hast immer so gepflegte Nägel“, sagte Franco und griff kurz nach ihrer Hand, um sie zu bestaunen. Meike fühlte sich unbehaglich, aber der Mann fuhr einfach fort: „Vielleicht verrätst du mir die Marke, dann kann ich Ricarda auch welchen schenken.“
Es war verwirrend für Meike, und die widersprüchlichen Signale führten dazu, dass sie sich weiter unwohl fühlte. Als Franco noch einmal betonte, wie sehr er die Zeit mit ihr allein schätzte, sah sie angestrengt aus dem Fenster und rief dann: „Schau mal, wer da ist!“
Sein Gesicht verdunkelte sich, als er Ricarda entdeckte, aber Meike sprang auf, um sie stürmisch zu begrüssen.
„Hallo ihr beiden“, sagte Ricarda fröhlich und setzte sich mit an den Tisch. „Seit du wieder da bist, weiss ich viel öfter, wo sich mein Mann aufhält“, sagte sie in spöttischem Ton und griff nach der Getränkekarte. „Vielen Dank für die Nachricht. Wir laden dich ein.“
«fricktal24.ch – die Online-Zeitung fürs Fricktal»