Pfingsten - im Abseits und doch mittendrin
Von: Katharina Klöcker/f24.ch
Pfingstrose, ein verlängertes Wochenende, eine Fahrt in den Süden, Stau am Gotthard, ach ja - mit der Religion hat’s auch noch was zu tun, sehr viel mehr fällt den meisten Menschen zu Pfingsten nicht ein. Kaum jemand weiss noch, was fünfzig Tage nach Ostern eigentlich gefeiert wird. Und selbst die Welt des Konsums kann sich irgendwie keinen Reim auf das Fest machen, keinen Profit daraus schlagen. Pfingsten ist eben ein schwieriges Fest. So ganz anders als Weihnachten mit dem Kind in der Krippe, so ganz anders als Ostern, an dem das Licht die Nacht erhellt. Geburt und Tod, das sind Lebenswirklichkeiten, mit denen jeder Mensch in Berührung kommt.
Die weisse Taube steht für Frieden und Reinheit und für den Heiligen Geist
Jene, die noch etwas stärker im christlichen Glauben verwurzeltet sind sagen: „Pfingsten hat mit dem Heiligen Geist zu tun.“ Doch auch für sie ist das Verhältnis zum Heiligen Geist oft nur abstrakt vorhanden. Trotzdem wissen sie immerhin mehr als jene Anhänger Jesu, die Paulus in der Apostelgeschichte fragt, ob sie den Heiligen Geist empfangen hätten: „Wir haben noch nicht einmal gehört, dass es den Heiligen Geist gibt“, so die lapidare Antwort. Gehört hat man von ihm, immer wieder: „Wir glauben an den Heiligen Geist“, heisst es im Glaubensbekenntnis. Doch was hat dieses Bekenntnis für eine Bedeutung?
Lukas beschreibt das Pfingst-Ereignis in der Apostelgeschichte im zweiten Kapitel: „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie (die Jünger) waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen liess sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“
In Jerusalem lockte damals im Jahre 31 (nach heutigem Kalender) dieses seltsame Ereignis eine neugierige Menschenmenge an, Juden aus allen möglichen Landesteilen, viele aus der Diaspora, darunter Ägypter, Römer, Kreter oder Araber, gerieten „ausser sich vor Staunen“, denn jeder hört die Jünger plötzlich in seiner Muttersprache sprechen, verstand auf wundersame Weise, was gesprochen wurde. Pfingsten das Wunder vom sich Grenzen überschreitenden Verstehens.
Gegen die Sprachverwirrung
Das erinnert an eine ganz andere biblische Erzählung, auf die sich der Autor der Apostelgeschichte bezieht: die Geschichte vom Turmbau zu Babel. Die Erzählung im 1. Buch Moses ist die Ursprungserzählung der Sprachenverwirrung, die Geschichte vom Scheitern der Verständigung untereinander.
Babel ist seitdem das Symbol für die Überheblichkeit des Menschen, der meint, aus eigener Kraft den Himmel berühren zu können, gottgleich zu werden. Die Rechnung dieses Bauprojekts ging nicht auf, der Turm blieb unvollendet; denn Gott, so die Erzählung, machte aus der einen gemeinsamen Sprache eine verwirrende Sprachenvielfalt und zerstörte somit den paradiesischen Zustand der Einheit, der einen Sprache aller Menschen: „Darum nannte man die Stadt Babel (Wirrsal), denn dort hat der Herr die Sprache aller Welt verwirrt, und von dort aus hat er die Menschen über die ganze Erde zerstreut.“
Die Erzählung vom Pfingstereignis ist die Anti-Geschichte zum Turmbau zu Babel, ein Wunder der Verständigung, nicht der Verwirrung, der Einheit trotz Vielfalt, der Sammlung anstelle der Zerstreuung. Und dieses Wunder benutzt ein Vehikel: den Heiligen Geist. Dieser Geist begegnet den Lesern der Bibel beim Pfingstereignis also nicht das erste Mal, er ist, wie vorgängig beschrieben ein alter Bekannter aus dem alten Testament.
„Geburtstag“ der Kirche
Der Geist Gottes - hebräisch „ruach“, griechisch „pneuma“ - durchzieht die Schriften des Alten Testaments. Er ist das Gegenteil von Statik, er ist eine dynamisch-explosive Kraft, das Moment der Bewegung selbst. Er ist Wind, Hauch und Atem, also das Zeichen für Leben schlechthin, aber auch für Sprache und Denken, das im Hebräischen im Herzen, nicht im Kopf, seinen Sitz hat. Er verkörpert das, was sich die Menscheit seit jeher erträumt, das sich gegenseitig verstehen können, kurzum den absoluten Frieden unter den Menschen.
Dieser Geist kommt nun zu Pfingsten herab auf die Jünger. Er ermöglicht Einheit und Verstehen und hebt unter diesen Vorzeichen die Kirche aus der Taufe. Die Kirche nimmt als Anti-Babel ihren Anfang mittels einer plötzlichen, sinnlich erlebten Geist-Erfahrung der Jünger, die alle überrascht. Von diesem Moment an versteht sich die Schar der Jünger als Gottesvolk, der Geist schafft eine, heute zwar schwindende aber dennoch lebendige Beziehung zu Jesus. Er wird sozusagen zum Link zwischen Gott, seinem Sohn und der Erde, der Kirche.
Ein schwieriger Gast
Obwohl die Jünger also den Geist empfingen, Babel gibt es immer noch. Man muss nicht einmal lange suchen. Babel ist überall dort, wo Sprache versagt, also nicht der Verständigung dient, sondern Verwirrung, Unheil und Leid stiftet, bis zum Äussersten, wenn statt Zungen Waffen sprechen.
Der Geist scheint ein schwieriger Gast zu sein. „Ihn zwingen wir nicht durch unsere Taten herab, ihn kann nicht zwingen der Verzweiflungsschrei unserer Not. Er ist, er bleibt immer und in jedem Augenblick das freie Geschenk von oben“, sagte der deutsche Theologe Karl Rahner. Dass dieses „Geschenk“, so es dann auch als das erkannt wird, trotz aller Sprachverwirrung kein leeres Versprechen ist, das ist die Botschaft des schwierigen Festes Pfingsten.
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