Extraordinär / Leben nach dem Tod – digital unsterblich
Von: Oliver Küch
Neue Technologien wie KI ermöglichen das Weiterleben nach dem Tod in Form von digitalen Darstellungen (Avataren) oder Chatbots. Die Digital Afterlife Industry (dt. digitale Jenseitsindustrie) , die solche Möglichkeiten anbietet, gilt als vielversprechender Wachstumsmarkt. Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie SIT sowie der Universität Tübingen hat Gestaltungsvorschläge zum Umgang mit Avataren (grafische Darstellung einer Person oder Figur, die in der digitalen Welt als virtuelle Stellvertretung fungiert) erarbeitet und in der Studie „Ethik, Recht und Sicherheit des digitalen Weiterlebens“ zusammengefasst.
Die Studie "Ethik, Recht und Sicherheit des digitalen Weiterlebens" wurde von Forschenden des Fraunhofer SIT und der Universität Tübingen erstellt (Foto: Fraunhofer SIT)
Viele Menschen möchten etwas hinterlassen, das ihren eigenen Tod überdauert. Viele Hinterbliebene wünschen sich die Möglichkeit, nochmal mit einem verstorbenen Menschen zu sprechen. Digitale Nachahmungen von verstorbenen Personen versprechen die Erfüllung solcher Sehnsüchte.
Beispiele reichen von der Stimme der verstorbenen Oma, die Hörbücher spricht, über Chatbots, die schriftliche Kommunikation mit einer verstorbenen Person simulieren, bis zu digitalen Avataren, die auch das Aussehen und die Gestik einer Person nachahmen.
Jüngste Entwicklungen im Bereich der KI, aber auch virtueller Welten lassen erwarten, dass Avatare Verstorbener künftig deutlich realistischer erscheinen, sowohl äusserlich (Stimme, Gestik) als auch im Verhalten. Neue digitale Technologien erlauben zudem immer realistischere Interaktionen zwischen Menschen und Avataren.
Hieraus ergeben sich viele ungeklärte kulturelle, rechtliche und technische Fragen: Wie lassen sich Avatare mit Pietät und Trauer verbinden? Wie lassen sich die Rechte von Verstorbenen wahren und Angriffs- und Missbrauchsmöglichkeiten verhindern?
Diesen und anderen Fragen sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Informatik und der Rechtswissenschaften am Fraunhofer SIT sowie des Internationalen Zentrums für Ethik in den Wissenschaften IZEW der Universität Tübingen nachgegangen und haben erstmals einen systematischen Überblick über das digitale Weiterleben erstellt. Ihre Forschungsergebnisse haben sie in der Studie „Edilife – Ethik, Recht und Sicherheit des digitalen Weiterlebens“ veröffentlicht.
IT-Sicherheit und Datenschutz in virtuellen Welten
Zunächst analysierten die Forschenden den Wandel der Sterbe-, Trauer- und Bestattungskultur bis zur Entstehung der Digital Afterlife Industry und (pop-)kultureller Vorstellungen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den aktuellen technischen Möglichkeiten, digitale menschliche Abbilder zu erzeugen, sowie mit Schutz und Sicherheit persönlicher Daten, die zur Erstellung eines Avatars nötig sind.
Schliesslich befasst sich der dritte Teil der Studie mit der rechtlichen Sicht auf das digitale Weiterleben, mit Pflichten von Dienstanbietern, der Rechtmässigkeit der Datenverarbeitung sowie möglichen persönlichkeitsrechtlichen Bedrohungen.
Die Studie schliesst mit Leitgedanken und Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Avataren des digitalen Weiterlebens: trauernde Personen, die Dienste für das digitale Weiterleben nutzen, sollten einen besonderen rechtlichen Schutz erhalten, um sie in ihrer emotionalen Ausnahmesituation vor Missbrauch und Ausnutzung zu bewahren; für kommerzielle Anbieter sollten Transparenz- und Erklärungspflichten eingeführt werden, speziell in Bezug auf die Datenverarbeitung zur Erstellung eines digitalen Avatars.
Die Forschenden raten auch dazu, Avatare als solche zu kennzeichnen und in ihren Handlungsspielräumen zu begrenzen. Mit der Studie möchten die Forschenden dazu beitragen, dass „Weichen für eine gelingende Umsetzung neuer digitaler Praktiken im Kontext von Tod und Erinnern“ gestellt werden, heisst es im Text.
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