Spieleinsatz
Von: Elisha
Es war das erste Treffen nach der Trennung, zu dem ich wieder zugesagt hatte. Vorher hatte ich mich zu Hause verbarrikadiert und auf meine Art versucht, meine Freundin aus meinem Leben zu streichen. Selbst auf meine Kumpels und die alte Clique hatte ich keinerlei Lust gehabt. Menschen an sich fühlten sich an wie eine schwere Last, und einfache Sätze zu bilden war für mich in den letzten Monaten zu anstrengend gewesen. Deshalb hatte Tom vorgeschlagen, nur ein paar Kugeln zu werfen. Für ein Boule-Spiel brauchte ich keine grossen Worte.
Wir trafen uns an der Bahn und packten unsere silbernen Kugeln aus. Daniel hatte natürlich jeden Schnickschnack dabei: einen Lappen zum Abwischen der kleinen Steinchen, ein Zentimetermass für knifflige Fälle und sogar einen Magneten an der Schnur, damit er sich beim Aufheben der Kugeln nicht bücken musste. Tom klopfte mir auf die Schulter und freute sich, dass ich gekommen war.
„Wir spielen in einem Team“, verkündete er den anderen. „So, du fängst an. Leg mal was vor.“
Nachdem Ferdinand den kleinen Holzball platziert hatte, warf ich meine erste Kugel. Gerade mal ein paar Zentimeter neben das Schweinchen. Tom hüpfte vor Freude, Ferdinand stöhnte, und Daniel stellte sich an die markierte Stelle, um seine erste Kugel noch näher heran zu bringen.
„Das schaffst du nicht“, sagte ich lachend und fand, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Endlich gab es mal etwas anderes als den Abschied von meinem alten Leben, das meine Freundin Stella jäh beendet hatte, als sie heimlich ihre Sachen packte und bei einem anderen Mann einzog.
Ich sah Daniel gespannt zu, wie er versuchte, geschickt seine Kugel zwischen meine und das Holzbällchen zu rollen. Aber unsere Bahn war nicht glatt gefegt, und ein kleiner Hubbel lenkte seine Kugel ab und führte sie im grossen Bogen fast bis an das Ende der Bahn.
„Schei-ben-kleis-ter!“, rief Daniel gedehnt, und Ferdinand nahm seinen Platz an der Markierung ein. Konzentriert stellte er sich auf ein Bein, zielte, und kickte meine Kugel weit weg, während seine an der passenden Stelle liegen blieb.
Ich pfiff anerkennend, und Tom seufzte: „Mist, jetzt sind wir wieder am Zug.“
In dieser Runde hatten wir kein Glück mehr. Wir rollten und stiessen, schmetterten und liessen unsere schweren Geschütze fliegen, aber keine unserer Kugeln kam wieder näher an das Schweinchen heran. Gut nur, dass auch die Gegner nicht mehr so treffsicher waren, sonst wäre das Spiel schnell verloren gewesen.
„Haltet durch!“, rief Tom gut gelaunt, „Wenn die Dreizehn liegt, spendiere ich uns das Sixpack Bier, das ich im Rucksack habe. Erstmal auf zur nächsten Runde!“
Es machte endlich wieder Spass, und so warfen wir weiter, bis Tom den letzten Treffer legte.
Fröhlich liessen wir uns auf dem niedrigen Mäuerchen nieder und öffneten zischend unsere Dosen.
Ferdinand quetschte sich zwischen Tom und mich und räusperte sich verlegen.
„Ich wollte dich noch was fragen.“
Mein Magen zog sich zusammen. Ich wusste, dass er mit Stellas Bruder im gleichen Betrieb arbeitete, und ich konnte mir vorstellen, in welche Richtung das Gespräch führen würde.
„Nein. Ich habe keine Fotos mehr von Stella!“, schrie ich los. „Schliesslich hat sie alles mitgenommen, was ihr wichtig war.“ Ich holte tief Luft, bevor ich weiter sprach, immer noch ziemlich laut: „Die Bilder, die bei mir hingen, habe ich verbrannt, und
aas ich auf dem Handy hatte, habe ich gelöscht. Alle! Ich will sie nicht mehr sehen!“
Dann sackte ich zusammen, fühlte mich kraftlos.
„Dddas wwwollte ich gar nicht wissen“, stammelte er. Er nahm einen Schluck aus der Dose, wischte sich über den Mund und setzte neu an: „Es geht um Boule. Da gibt es im nächsten Monat ein Turnier. Sollen wir uns da anmelden?“
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