Das Bewusstsein mit Aha-Erlebnissen erforschen
Von: Julia Weiler
Die Frage, wie und wo im Gehirn Bewusstsein entsteht, treibt Forscherinnen und Forscher seit Generationen um. Einen neuen Ansatz zur Erforschung bewusster kognitiver Informationsverarbeitungsprozesse schlägt Prof. Dr. Ekrem Dere von der Ruhr-Universität Bochum vor.
Tiere können vieles lernen. Genau wie Menschen haben sie dabei manchmal Aha-Erlebnisse. Das könnte nützlich für die Erforschung des Bewusstseins sein. (Foto: Katja Marquard)
Er plädiert dafür, Phasen bewusster kognitiver Prozesse anhand von Verhaltensbeobachtungen und Lernkurven zu definieren. „Lernen erfolgt oft nicht graduell, sondern in Sprüngen, man könnte auch sagen, dass Menschen und Tiere zwischendurch Aha-Erlebnisse haben“, sagt er. „Es ist wahrscheinlich, dass diesen Erlebnissen bewusste Prozesse vorausgehen.“ In der Zeitschrift „Frontiers in Behavioral Neuroscience“ beschreibt Dere seinen neuen Ansatz, der sowohl für Menschen als auch für Tiere funktionieren würde.
Verschiedene Bewusstseinsstufen
Bewusstsein ist kein Alles-oder-Nichts-Prozess. „Es existieren verschiedene Stufen des Bewusstseins, zum Beispiel während wir schlafen oder eine E-Mail schreiben“, sagt Ekrem Dere vom Bochumer Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit, der auch Mitglied der Sorbonne Université in Paris ist. „Sozusagen am oberen Ende dieser Graduierung finden sich bewusste kognitive Informationsverarbeitungsprozesse, die man für die Bearbeitung eines komplizierten Problems benötigt.“
Um die neurobiologischen Korrelate dieser Prozesse mit wissenschaftlichen Methoden untersuchen zu können, muss man Mensch oder Tier vor eine experimentelle Aufgabe stellen, deren Lösung nur mit einer bewussten kognitiven Informationsverarbeitung möglich ist – es darf keinen vorgefertigten Lösungsansatz geben.
„In der langen Geschichte der kognitiven Verhaltenspsychologie wurden schon viele solcher Aufgaben entwickelt“, sagt Dere. „Die Hauptschwierigkeit besteht jedoch darin, dass ein Mensch oder ein Tier vielleicht nicht während der gesamten Bearbeitungszeit bewusste kognitive Informationsverarbeitungsprozesse einsetzt.“
Aha-Erlebnis als Zeitmarke
Der Forscher schlägt daher vor, Lernkurven zu nutzen, um die Phasen der bewussten Informationsverarbeitung zeitlich einzugrenzen. In diesen Kurven ist die Leistung bei einer bestimmten Aufgabe über die Zeit aufgetragen.
„Oft verbessert sich die Lernleistung nicht kontinuierlich, sondern sprunghaft oder stufenförmig“, beschreibt Dere. Dieses sogenannte diskontinuierliche Lernen nach Einsicht könne als Zeitstempel dienen. „Zu diesem Zeitpunkt und vermutlich auch in den Sekunden zuvor muss eine bewusste kognitive Informationsverarbeitung stattgefunden haben“, sagt der Psychologe.
„Mit diesem Wissen kann man dem Gehirn mit bildgebenden oder elektrophysiologischen Verfahren bei einer bewussten kognitiven Informationsverarbeitung faktisch zuschauen, indem man die Zeitabschnitte unmittelbar vor dem sprunghaften Lernanstieg mit früheren oder späteren Zeitpunkten während der Bearbeitung der Aufgabe vergleicht.“ So könne man herausfinden, welche Mechanismen das Gehirn in welcher Region für die bewusste Verarbeitung genutzt hat.
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