Faszination Universum - Erstes Bild eines Unsichtbaren
Von: mm/f24.ch
Ein internationales Forschungsteam hat das erste Bild des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstrasse aufgenommen.
Erstes Bild des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstrasse. Es zeigt glühendes Gas, das um das Schwarze Loch kreist und eine verräterische Signatur trägt: eine dunkle zentrale Region, die von einer hellen ringförmigen Struktur umgeben ist. Die Aufnahme fängt das Licht ein, das durch die starke Schwerkraft des Schwarzen Lochs gebeugt wird. (Foto: EHT Kollaboration)
Dieses Bild war lange erwartet: Es ermöglicht einen Blick auf das massive Objekt, das sich im Zentrum unserer Galaxie – der Milchstrasse – befindet und liefert überwältigende Beweise dafür, dass es sich bei dem Objekt tatsächlich um ein Schwarzes Loch handelt. Darüber hinaus präsentiert es wertvolle Hinweise auf die Funktionsweise solcher Giganten, von denen man annimmt, dass sie sich im Zentrum der meisten Galaxien befinden.
Der erste visuelle Beweis
Verantwortlich dafür ist ein globales Forschungsteam, die Event Horizon Telescope (EHT) Collaboration, das dafür Beobachtungen aus einem weltweiten Netz von Radioteleskopen verwendet hat. Zuvor hatten Wissenschaftler:innen Sterne gesehen, die um ein unsichtbares, kompaktes und sehr massereiches Objekt im Zentrum der Milchstrasse kreisen.
Dies deutete stark darauf hin, dass es sich bei diesem Objekt – bekannt als Sagittarius A (Sgr A, ausgesprochen "sadge-ay-star") – um ein Schwarzes Loch handelt. Das jetzt veröffentlichte Bild liefert den ersten direkten visuellen Beweis dafür.
Schwarze Löcher selbst sind nicht sichtbar, weil von ihnen kein Licht ausgeht. Dennoch trägt das sie umgebende glühende Gas eine verräterische Signatur: eine dunkle zentrale Region (ein so genannter „Schatten“), die von einer hellen ringförmigen Struktur umgeben ist. Die neue Aufnahme fängt somit das Licht ein, das durch die starke Schwerkraft des Schwarzen Lochs, das vier Millionen Mal massiver ist als unsere Sonne, gebeugt wird.
Ein virtuelles Teleskop so gross wie die Erde
„Wir waren verblüfft, wie gut die Grösse des Rings mit den Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie übereinstimmt“, sagt EHT-Projektwissenschaftler Geoffrey Bower vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taipeh.
„Diese beispiellosen Beobachtungen haben unser Verständnis der Vorgänge im Zentrum unserer Galaxie erheblich verbessert. Sie liefern neue Erkenntnisse darüber, wie diese riesigen Schwarzen Löcher mit ihrer Umgebung interagieren.“ Die Ergebnisse des EHT-Teams wurden am 12. Mai 2022 in einer Sonderausgabe der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.
Da das Schwarze Loch etwa 27‘000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist, erscheint es einem menschlichen Betrachter auf der Erde am Himmel in etwa so gross wie ein Donut auf dem Mond. Um es abzubilden, schuf das Team das leistungsstarke EHT, das acht bestehende Radioobservatorien auf der ganzen Welt zu einem einzigen virtuellen Teleskop in Erdgrösse zusammenfügte.
Das EHT beobachtete Sgr A in mehreren Nächten und sammelte viele Stunden am Stück Daten, ähnlich wie bei einer langen Belichtungszeit einer Kamera. Dieser Durchbruch schliesst sich an eine vergleichbare Veröffentlichung durch die EHT-Kollaboration im Jahr 2019 an: dem ersten Bild eines Schwarzen Lochs namens M87 im Zentrum der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie Messier 87.
Verblüffende Ähnlichkeit trotz grosser Unterschiede
Die beiden Schwarzen Löcher sehen sich bemerkenswert ähnlich, obwohl das Exemplar in unserer Galaxie mehr als tausendmal kleiner und weniger massereich ist als M87. „Wir haben zwei völlig unterschiedliche Arten von Galaxien und zwei sehr unterschiedliche Massen von Schwarzen Löchern, aber in der Nähe des Randes dieser Schwarzen Löcher sehen sie sich verblüffend ähnlich“, sagt Sera Markoff, Ko-Vorsitzende des EHT-Wissenschaftsrats und Professorin für theoretische Astrophysik an der Universität von Amsterdam. „Das sagt uns, dass bei diesen Objekten in der näheren Umgebung die Gesetze der Allgemeinen Relativitätstheorie gelten, und dass alle Unterschiede, die wir weiter entfernt sehen, auf Unterschiede im Material zurückzuführen sein müssen, das die Schwarzen Löcher umgibt.“
Wie ein Welpe, der seinen Schwanz jagt
Obwohl Sgr A der Erde sehr viel näher ist als M87, war die Aufnahme wesentlich schwieriger zu erstellen. Der EHT-Wissenschaftler Chi-kwan Chan vom Steward Observatory und dem Department of Astronomy and the Data Science Institute der University of Arizona, erklärt dies so:
„Das Gas in der Nähe der Schwarzen Löcher bewegt sich mit der gleichen Geschwindigkeit – fast so schnell wie das Licht – sowohl um Sgr A als auch um M87. Aber während das Gas Tage bis Wochen braucht, um das grössere M87 zu umkreisen, vollendet es bei dem viel kleineren Sgr A eine Umlaufbahn in nur wenigen Minuten. Das bedeutet, dass sich die Helligkeit und das Muster des Gases um Sgr A während der Beobachtung durch die EHT-Kollaboration schnell veränderten. Das ist ein bisschen so, als würde man versuchen, ein klares Bild von einem Welpen zu machen, der schnell seinen Schwanz jagt.“
Die Forscher mussten deshalb ausgeklügelte neue Methoden entwickeln, um die Gasbewegung um Sgr A zu berücksichtigen. Während M87 ein einfacheres, stabileres Ziel war, bei dem fast alle Aufnahmen gleich aussahen, war dies bei Sgr A nicht der Fall. Das jetzt veröffentlichte Bild des Schwarzen Lochs Sgr A ist deshalb ein Durchschnitt vieler verschiedener Bilder, die das Team aufgenommen hat. Es enthüllt zum ersten Mal den Riesen, der sich im Zentrum unserer Galaxie befindet.
Harte Arbeit – auch für Supercomputer
Ermöglicht wurde dies durch den Einfallsreichtum von mehr als 300 Forscher:innen aus achtzig Instituten in aller Welt, die zusammen die EHT-Kollaboration bilden. Sie mussten komplexe Instrumente entwickeln, um die Herausforderungen bei der Abbildung von Sgr A zu bewältigen. Der Einsatz von Supercomputern und fünf Jahre harte Arbeit waren nötig, um die Daten zu kombinieren und zu analysieren.
Gleichzeitig hat das Team eine noch nie dagewesene Bibliothek von simulierten Schwarzen Löchern zusammengestellt, die mit den Beobachtungen verglichen werden können. „Die numerischen Simulationen stellen extrem hohe Anforderungen an Supercomputer. Sie geben uns Aufschluss über die Dynamik der Materie und die Ausbreitung des Lichts in der gekrümmten Raumzeit des Schwarzen Lochs, die das beobachtete Bild prägt", erklärt Dr. Christian Fromm, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Astronomie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und Koordinator der EHT SgrA Theory Working Group. Fromm war massgeblich an der Modellierung der EHT-Daten beteiligt.
Wertvolle Erkenntnisse zur Entwicklung von Galaxien
Was die Projektbeteiligten besonders freut, ist die Tatsache, dass sie nun Bilder von zwei Schwarzen Löchern sehr unterschiedlicher Grösse haben. Das bietet ihnen die Möglichkeit zu verstehen, worin die beiden sich gleichen und worin sie sich voneinander unterscheiden.
Mit Hilfe der neuen Daten können sie Theorien und Modelle darüber testen, wie sich Gas in der Umgebung von supermassereichen Schwarzen Löchern verhält. Dieser Prozess ist noch nicht vollständig geklärt; es wird jedoch angenommen, dass er eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Entwicklung von Galaxien spielt.
„Jetzt können wir die Unterschiede zwischen diesen beiden supermassereichen Schwarzen Löchern untersuchen, um wertvolle neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie dieser wichtige Prozess abläuft“, sagt EHT-Wissenschaftler Keiichi Asada vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taipeh. „Wir haben Bilder von zwei Schwarzen Löchern – eines am grossen und eines am kleinen Ende des Spektrums der supermassiven Schwarzen Löcher im Universum –, so dass wir bei der Untersuchung, wie sich die Schwerkraft in diesen extremen Umgebungen verhält, viel weiter gehen können als jemals zuvor.“
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