Familientrip
Von: Elisha
„Und ich dachte immer, es wäre meinetwegen, dass du nicht mitkommst“, sagte Malik und drückte die Hand seiner Schwiegermutter. „Ich dachte, du willst nicht so lange mit uns im Auto sitzen.“ Er betrachtete das Gesicht, das dem geliebten so ähnlich war, dieselbe rundliche Stirn, die zierliche Nase, die schmalen Lippen. Nur bei Beate kräuselten sich kleine Fältchen um den Mund, deuteten an, in welche Richtung sich Inas weiche Züge verändern würden.
Ina war immer noch im Badezimmer, hatte sich dort mit einem Türknallen verbarrikadiert. Malik wusste, dass er in so einer Situation nichts zum Entspannen beitragen konnte. Wie oft hatte er zu Hause versucht, durch sanfte Worte und Entschuldigungen auch Ina zum Einlenken zu bewegen. Doch aus Erfahrung wusste er, dass sie jetzt ihre Zeit brauchte, um selbst die Gedanken zu ordnen und ihre Gefühle zu entwirren. Es blieb nur abzuwarten.
„Möchtest du Musik hören oder ein bisschen fernsehen?“, fragte er Beate, aber die schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich brauchte auch sie Zeit, die Geschehnisse noch einmal innerlich abzuspielen. Dabei hatte es so gut angefangen.
Sie waren pünktlich losgefahren, um Inas Grossmutter zu besuchen, und hatten sich mit dem Fahren abgewechselt. Nicht nur bei der Rast hatten sie sich erzählt, was in letzter Zeit im Leben abgelaufen war, und einmal hatten sie sogar gut gelaunt, Blümlein blau gesungen. Dieses war die erste Strophe, und jetzt folgt die zweite Strophe, hörte er erneut den Ohrwurm und lächelte.
Sie waren gut durchgekommen und erreichten Inas Oma noch vor der angekündigten Zeit. Überschwänglich und mit Küsschen wurden sie beide begrüsst. Als Beate hinter ihnen eintrat, liess die alte Dame ihre Hände sinken, sah Beate von oben bis unten an und meinte schliesslich: „Hast du dich verändert! Schön, dass du dich auch mal wieder zu mir verirrst.“
Beate strich ihren Rock glatt und sagte schüchtern: „Es sind nur zwei Kilo, die ich zugenommen habe.“
Als Antwort zog ihre Mutter eine Braue hoch und gab einen schniefenden Laut von sich.
Sie packten das Reisegepäck in die oberen Zimmer, weil sie die Nacht dort verbringen wollten. Ina und Malik hatten im Internet ein Restaurant gefunden, zu dem sie die ganze Familie einladen würden. Aber am Nachmittag wollten sie noch Kuchen schlemmen.
Inas Oma setzte Teewasser auf und rief aus der Küche: „Beate, komm mal! Mach dich nützlich!“
„Spricht deine Oma immer in so einem Ton zu deiner Mutter?“, fragte Malik nach.
„Was meinst du?“ Ina sass am gedeckten Tisch und las etwas im Handy.
„Na, so unfreundlich. Als wäre ihre Anwesenheit eine Zumutung.“
„Ach, das ist normal zwischen den beiden.“ Ina wischte weiter mit dem Finger über ihr Handy.
Sie hatten ein Blech mit Streuselkuchen mitgebracht, und lächelnd liess sich Inas Oma ein Stück davon auf den Teller hieven. Eifrig begann sie, es mit der Kuchengabel zu zerkleinern.
„Na, schmeckt es dir?“, fragte Beate erwartungsvoll.
Schlagartig erstarrte die Miene der alten Frau. „Ach, von dir ist das“, sagte sie. „Du konntest ja noch nie backen.“
Die Feindseligkeit steigerte sich von Minute zu Minute. Es gab nichts, was Beate richtig machen konnte, und ihre Frisur, ihre Kleidung, ihre Arbeit wurden mit gehässigen Kommentaren bedacht. Irgendwann rannte sie schluchzend hinaus, nach oben in ihr ehemaliges Kinderzimmer.
„So geht das doch nicht!“, rang sich Malik zu einem Machtwort durch. „Ich verstehe nicht, was da zwischen euch läuft.“
Die alte Dame sah ihn erstaunt an und runzelte die Stirn. „Wovon sprichst du?“
„Zu uns bist du so herzlich. Was hat deine Tochter dir getan, dass du sie so schlecht behandelst?“
Wieder diese erstarrte Miene. „Ina, sag deinem Mann, dass er sich auf ganz dünnem Eis befindet.
„Aber ich wollte doch nur vermitteln …“, stammelte Malik.
„Halte dich aus Familiensachen raus.“ Die alte Dame stand auf. „Und überhaupt: Mir ist die Lust vergangen. Ihr könnt wieder fahren. Packt eure Sachen.“
Im Auto hatte ihn Ina mit Vorwürfen überhäuft, während ihre Mutter schweigend auf der Rückbank gesessen hatte.
„Wieso musstest du dich einmischen? Du hattest kein Recht!“
Und seit der Ankunft im Hotel hockte sie nun auf der Toilette.
Langsam öffnete sich die Tür, und Ina kam heraus.
„Ich will mich entschuldigen, bei euch beiden.“ Sie blickte von ihrem Mann zu ihrer Mutter und sprach weiter: „Ich wollte keinen Streit, aber es stimmt ja: Oma ist wirklich schlimm zu dir, und ich hätte schon längst was sagen sollen. Ich schäme mich.“ Die Frauen umarmten sich.
„Dann lasst uns noch einen schönen Abend verbringen, wie wir es geplant hatten“, wurde Malik wieder praktisch. „Der Tisch ist ja schon reserviert.“
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