Faszination Universum - Ringkampf am Himmel
Von: lmu/f24.ch
Unser Universum ist etwa 13,8 Milliarden Jahre alt, und mit der Zeit sind aus kleinsten Ungleichheiten am Anfang die grossen Strukturen gewachsen, die Teleskope am Nachthimmel sehen können: Galaxien wie unsere Milchstrasse, Galaxienhaufen und noch grössere Ansammlungen von Materie oder dünne Strukturen aus Gas und Staub. Wie schnell dieses Wachstum vonstattengeht, hängt zumindest im heutigen Universum von einer Art Ringkampf der Naturkräfte ab.
Was hat die Dunkle Materie, die durch ihre Gravitation alles zusammenhält und noch mehr Materie anzieht, der Dunklen Energie, die das Universum auseinandertreibt, entgegenzuhalten? „Diesen Ringkampf können wir beobachten, wenn wir die Strukturen am Himmel genau vermessen können“, sagt LMU-Astrophysiker Daniel Grün.
Dazu dienen teleskopische Beobachtungsprojekte, die grosse Teile des Himmels sehr genau in Bilder fassen: zum Beispiel der Dark Energy Survey mit dem Blanco-Teleskop in Chile und der kürzlich in Betrieb genommene Euclid-Satellit. An beiden Projekten sind LMU-Wissenschaftler und -Wissenschaftlerinnen, teilweise in leitender Funktion, seit Jahren beteiligt.
Bisher grösster Datensatz ausgewertet
Die Entfernungen der einzelnen Strukturen und Galaxien von uns exakt zu bestimmen, ist dabei nicht immer einfach, aber besonders wichtig. Denn je grösser der Abstand, desto länger war das Licht einer Galaxie zu uns unterwegs und desto älter ist also die Momentaufnahme des Universums, die wir uns aus ihrer Beobachtung machen können. Eine wichtige Quelle dafür ist etwa die beobachtete Farbe einer Galaxie, die von erdgebundenen Teleskopen wie dem Blanco-Teleskop oder Satelliten wie Euclid gemessen wird.
Eine neue Arbeit eines Teams um Jamie McCullough und Daniel Grün im Fachmagazin MNRAS liefert nun mit dem bisher grössten Datensatz Aufschluss darüber, was die Farbe verschiedener Galaxien tatsächlich über ihren wahren Abstand aussagt.
Prinzipiell lässt sich der Abstand einer Galaxie mithilfe von Spektroskopie genau bestimmen. Dabei vermisst man die Spektrallinien von entfernten Galaxien. Diese scheinen, da das Universum sich insgesamt ausdehnt, eine umso grössere Wellenlänge zu haben, je weiter eine Galaxie von uns entfernt ist. Denn das Licht ferner Galaxien erfährt auf dem langen Weg zu unserer Galaxie ebenfalls eine Ausdehnung der Wellenlänge.
Dieser Effekt, Rotverschiebung genannt, verändert auch die scheinbaren Farben, die die Instrumente im Bild der Galaxie messen. Sie wirken röter, als sie sind. Das ist ähnlich dem Dopplereffekt beim Martinshorn eines sich entfernenden Krankenwagens, bei dem sich auch die scheinbare Tonhöhe beim Vorbeifahren ändert.
Keine zwei Galaxien sind gleich
Jamie McCullough, Doktorandin an der LMU und an der Universität Stanford, verwendete für ihre Analyse spektroskopische Messungen des Dark Energy Spectroscopic Instrument (DESI) und verknüpfte sie mit dem bisher grössten Datensatz zur genauen Messung von Galaxien-Farben (KiDS-VIKING).
Konkret kombinierten die Autoren spektroskopische Daten von DESI aus insgesamt 230‘000 Galaxien mit den Farben dieser Galaxien in der KiDS-VIKING-Durchmusterung und bestimmten daraus jeweils die Beziehung zwischen der Entfernung einer Galaxie von uns und ihrer beobachteten Farbe und Helligkeit.
Keine zwei Galaxien im Universum sind gleich, aber für jede Klasse ähnlicher Galaxien gibt es eine spezielle Beziehung zwischen beobachteter Farbe und Rotverschiebung. „Wenn wir Entfernungsinformationen mit Messungen der Form von Galaxien kombinieren können, können wir aus den Lichtverzerrungen grossräumige Strukturen herauslesen“, sagt Jamie McCullough. Die Ergebnisse der Studie ermöglichen es, aus den Aufnahmen von Euclid oder dem Dark Energy Survey für jede in Bildern beobachtete Galaxie den wahren Abstand statistisch zu bestimmen.
Interaktiver Flug durch Millionen von Galaxien
So besteht dann die Möglichkeit, aus den beobachteten Verzerrungen der Galaxienbilder selbst etwas über das Verhalten kosmischer Strukturen heute und vor Milliarden von Jahren zu lernen und diese besser zu verstehen. Dies gibt einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte des Universums.
Um den Verlauf der Strukturbildung mit der Zeit beobachten zu können, muss man nicht Milliarden Jahre warten, sondern nur die Struktur in verschiedenen Abständen von der Erde vermessen.
Mit Bildern alleine ist das aber fast unmöglich, denn der Abstand einer Galaxie von uns ist nicht ohne Weiteres aus ihrer Erscheinung in einem Bild abzulesen. Die Studie von Jamie McCullough enthält den Schlüssel hierzu: Sie liefert ein Modell dafür, was die scheinbare „Farbe“ einer Galaxie uns über ihren Abstand von uns aussagt.
Beobachten, wie Dunkle Materie und Dunkle Energie miteinander ringen
Das grosse Ziel ist es, aus dieser genauen Verteilung und Beobachtung unterschiedlich weit entfernter Galaxien etwas über den Ringkampf der Naturkräfte abzuleiten, also dem Ringen von Dunkler Materie und Dunkler Energie.
„Um wirklich zu sehen, was passiert, muss man die einzelnen Runden dieses Ringkampfes betrachten können“, sagt Grün. Denn die Dunkle Energie ist aktuell im Begriff aufzuholen und die Bildung grösserer Massenansammlungen im Universum womöglich ganz aufzuhalten. „So erst verstehen wir, was die Dunkle Materie und die Dunkle Energie denn eigentlich sind und wer von ihnen den kosmischen Ringkampf am Ende gewinnen wird.“
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