Seltsamere Dinge
Von: Elisha
Das war nicht die Art Kurzurlaub, die Lutz für sich und seine Familie geplant hatte. Seine Frau hatte schon angefangen, für das Abendessen Gemüse zu schneiden, und Adrian, der Jüngste, half ihr dabei. Die beiden Älteren aber sassen vor ihren Spielkonsolen und waren in ihre eigene Welt entrückt. Und wenn nichts dazwischen kam, würde sich den ganzen Abend daran nichts ändern. Wozu waren sie dann hierher gefahren, in diese idyllische Hütte Im Wald? Er schüttelte den Kopf und setzte sich an den Tisch auf der Veranda, um beim Kochen zu helfen.
Ein plötzlicher Windstoss fegte durch die Gemüsestifte und kündigte den Wetterwechsel an, bevor die ersten dicken Tropfen auf den Waldweg vor ihnen klatschten.
„Lasst uns lieber drinnen essen“, meinte Sonja und brachte die Lebensmittel in die Hütte.
„Jetzt kommt ihr auch noch rein?“, fragte Jenna unwirsch und rückte auf der Bank einen Platz weiter.
„Draussen wird es ungemütlich“, erklärte Lutz.
„Draussen war es schon vorher ungemütlich“, meinte Justin lakonisch.
Beide spielten ungerührt weiter.
Während die Suppe brodelte, verschlechterte sich das Wetter zunehmend. Ein dichter Schauer prasselte auf das Holzdach, und Blitze entluden sich oberhalb der Baumwipfel. Beim ersten Donner zuckte Adrian zusammen, so dass ihm beinahe ein Teller aus der Hand gerutscht wäre.
„Helft doch mal eurem Bruder beim Tisch decken“, sagte Sonja, aber es gab keine Reaktion. Und dann plötzlich war alles anders. Die Glühbirne in der Deckenlampe erlosch, und zwei frustrierte Teenager schrieen gleichzeitig auf.
„Was ist das denn?“, kreischte Jenna. „Wo ist das WLAN?“
„Der Strom ist weg, Liebes“, sagte Sonja sanft. „Kramst du mal in der Schublade dort drüben? Da müssten Kerzen und Streichhölzer sein.“
Es wurde ein Abendessen bei Kerzenschein. Lutz sah nach dem Auffüllen von einem Gesicht zum anderen, jedes Antlitz wunderschön im flackernden Licht, und es rührte ihn wie damals, als er stundenlang an den Gitterbettchen seiner Kinder stehen und über ihren Schlaf wachen konnte.
„Leider sehen wir von hieraus gar nicht, ob im ganzen Dorf der Strom ausgefallen ist“, murmelte er. „Aber ich könnte nach dem Essen mal draussen gucken, ob im Schuppen ein Sicherungskasten hängt.“
„Bloss nicht!“ Justin winkte ab. „In Filmen ist der erste, der raus geht, sofort tot.“
„Genau!“ Auch Jenna kannte sich aus. „Und dann werden es immer weniger, und zum Schluss überleben nur zwei Leute.“
Ein Blitz zuckte auf und erhellte die Bäume um die Hütte herum. Lutz sah zur Sicherheit auf Adrian, der mit einer Mischung aus ängstlicher Erwartung und Lust am Grusel zuhörte.
„Manchmal ist der Täter aber auch einer der Menschen in der Hütte“, sagte Lutz. Er stand auf und zog sein Bein nach. „Einer entwickelt sich zum Psychopathen und bringt alle um.“
Der Donner krachte, und Lutz setzte sich wieder an den Tisch.
„Nein, die Geschichte ist noch besser“, fiel Adrian ein und zauberte eine Taschenlampe hervor, die er von unten an sein Kinn hielt. Ein gespenstischer Anblick!
„Stellt euch vor, unter uns ist eine Welt wie unsere, genau so eine Hütte wie diese, aber ein feindliches Wesen herrscht dort und will uns alle bekämpfen …“
Sonja beugte sich zu Lutz und flüsterte: „Gut, dass wir keinen Strom haben, nicht? Die Sicherung ist übrigens hier drinnen, dort hinten über der Spüle.“
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