Vorsatz
Von: Elisha
Hinter der Tür war dichter Nebel. Ich konnte nicht erkennen, wie viele Menschen sich in dem Raum befanden, hörte nur gedämpfte Geräusche und leise Gespräche. Feiner Duft nach Zitronengras drang in meine Nase, und ich sog gierig die feuchte Luft in meine Lungen.
Bevor ich die rechte Steinbank neben dem Eingang erreichte, war meine nackte Haut schon nass, und ich griff nach dem Schlauch mit dem Wasserhahn, um meinen Platz abzuspülen. Ich tauchte die Sitzplatte in einen Schwall kalter Flüssigkeit in der Hoffnung, dass damit sämtliche Keime hinweggeschwemmt würden. Ganz gleich, welches Körperteil dort vorher gesessen hatte! Dann setzte ich mich auf den harten Stein und genoss die warme Luft an meinem ganzen Körper.
Leider war Toni nicht mitgekommen. So gern er mit in die Sauna kam, so wenig mochte er den Dampf hier. Er hörte auch nicht auf meine Argumente, dass die eingeatmete Feuchtigkeit seine Bronchien befeuchten und dem immer wiederkehrenden Husten den Garaus machen könnte. Und er wollte schon gar nicht hören, wie gut der Gang seiner Haut tun würde, die stets ein wenig klebrig von überschüssigem Fett wirkte. Ich stellte mir vor, wie er gerade auf dem obersten Brett in der finnischen Sauna lag und die heisse, trockene Luft in seiner Lunge und an seiner Haut geniessen würde. Jedem das seine!
Inzwischen hatte sich ein Teil des Dampfes verflüchtigt, so dass ich erkennen konnte, wie viele Menschen oberhalb der Stufen auf den Bänken sassen. Fast jeder Platz war belegt, und immer noch wurde die Tür geöffnet und traten Leute ein, einzeln, in Paaren oder sogar als kleine Gruppe. Unschlüssig suchten sie sich einen Platz, blieben an der Wand oder vorn an den Steinen stehen, durch die sich wieder und wieder Wölkchen aus Dampf erhoben.
Und dann kam der Saunawart, der einzige in Shorts und Tshirt, und er wuchtete einen Holzeimer herein und verteilte Kellen von Salz an die nackten Gestalten. Jeder streckte ihm die Hände entgegen, zusammengehalten wie eine Schale, um das weisse Pulver zu bekommen und dann mit einem Ritual zu beginnen. Da ich nicht dort sass, wo der Saunawart die Ausgabe begann, konnte ich einen Blick auf die unterschiedliche Arten werfen, das Salz auf dem Körper zu verteilen.
„Nicht in frisch rasierte Stellen, das brennt sonst“, hatte der Mitarbeiter gewarnt, „und auch nicht in Schleimhäute oder das Gesicht. Und sparen Sie Ihre Genitalien aus!“
Jeder schien eine eigene Art zu haben, sich mit dem Salz in einer bestimmten Reihenfolge einzureiben. Der erste Mann ganz links strich es sich zuerst auf die Oberschenkel, dann auf den Po, während der Mann daneben mit der ganzen Vorderseite begann. Ich selbst beginne immer mit dem rechten Knie, das ich von der Kniescheibe bis zur Kniekehle mit dem weissen Zeug bestäube. Gerade die Gelenke scheinen es zu geniessen, dass die Haut besser durchblutet wird, finde ich.
Interessant ist natürlich die Stelle unterhalb der Schulterblätter, weil auch bei gelenkigen Menschen dort eine Lücke in der Erreichbarkeit entsteht. Es gibt aber eingeschworene Gesellen, die sich damit abwechseln, dem anderen den Rücken einzureiben. Ganze Grüppchen nackter Männer oder Frauen tun sich was Gutes, und für manche neu entstehende Paare scheint das die erste Berührung zu sein. Wieder sehne ich mich nach Toni, dessen Hände ich gern jetzt auf meinen Schultern spüren würde, während ich meine eigene Reihenfolge eisern abarbeite.
„Darf ich Sie was bitten?“, spricht mich jetzt eine Frau in meinem Alter an, und verwirrt unterbreche ich meine Routine. „Könnten Sie mir den Rücken machen?“
Wie sie sich vor mir beugt, damit ich sie vom Sitzen aus gut erreichen kann, wirkt sie so zart und zerbrechlich unter meiner Hand. Und genauso vorsichtig verteilt sie meinen letzten Rest auf meinen Rippenbögen. Was für ein angenehmes Gefühl!
Als ich nach dem Saunagang nach draussen zur kalten Dusche gehe, um das Salz wieder abzuwaschen, trocknet sie sich gerade ab.
„Voll heute in der Dampfsauna!“, murmele ich, um irgendwas zu sagen. „Dabei sind die Ferien doch längst vorbei!“
„Na ja, es ist Jahresanfang“, sagt sie und zwinkert mir zu. „Zeit der guten Vorsätze! Da wollen viele noch was für ihre Gesundheit tun.“
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