Chropfleerete
Von: Willi Pavan
Es gibt mancherlei Wege, um sich als Staat im In- und Ausland zu profilieren, sich Respekt, Wohlwollen und Sympathien zu verschaffen. Dies ist der Eidgenossenschaft zu einem hohen Grade stets gelungen. Allerdings hat sich jüngst ein äusserst peinlicher, gleichzeitig abstruser, das Ansehen der Schweiz brüskierender Vorfall ereignet, der weltweit viel Lachmuskeln strapaziert, aber auch zu einem gerechtfertigten Kopfschütteln animiert über das, was im demokratisten Rechtsstaat unter den demokratischen Rechtsstaaten - entgegen jeglicher rechtsstaatlicher Vernunft - scheinbar möglich ist. Sogar die einflussreiche überregionale US-amerikanische Tageszeitung „New York Times“ entsetzte sich darüber.
Ausschnitt aus dem Gemälde „Canadian Bus“ von Willi Pavan
Obwohl es hinlänglich bekannt ist, will ich den Fall nochmals schildern: Baselbieter Polizisten haben ein Ermittlungsverfahren gegen einen Achtjährigen und dessen Familie eingeleitet, nachdem dieser in einem Dorfladen fragte, ob er mit Spielgeld bezahlen könne. Laut Medienberichten ist der Junge nun dank der übereifrigen Polizisten und Ladenbetreiber bis Mai 2032 in den Polizeiakten vermerkt, obwohl er nicht angeklagt wurde. Die Polizei hatte ihn zudem erkennungsdienstlich behandelt und das Haus der Familie durchsucht.
Bei dem Spielgeld handelte es sich um unechte Scheine, die der Junge bei einem Fasnachtsumzug aufgesammelt hatte. Die Scheine sahen demnach wie Fünfzig-Euro-Noten aus, jedoch ohne Wasserzeichen und Hologramme, mit grossen, blauen Schriftzeichen auf Chinesisch darauf – sogenanntes chinesisches Totengeld, das man in asiatischen Kulturkreisen als Grabbeilage mitgibt. Kurzum, der Bub wurde von den Baselbieter Polizeibeamten wie ein Schurke abtransportiert und in Gewahrsam genommen, stundenlang verhört und wohl für die Verbrecher-Kartei fotografiert. Halleluja!
Ist es nicht absolut irre, dass bei verschiedenen, sogenannten „Online Versandhäusern“ eine Vielzahl der von Kunden retournierten Waren nicht zurück in die Regale zum Wiederverkauf kommen, sondern ungesehen direkt in die Verbrennungsanlage wandert? No comment! Krank!
Unsere Touristiker geben sich, nach dem Corona-Debakel, Mühe, mit gezielter, Werbung Gäste in unser Land zu locken. Auf der Seeterrasse eines Hotel/Restaurants, am Ende des Damms des Lago di Lugano kostet an einem ungeputzten Tisch ein Eiskaffee (zwei Kugeln Vanilleeis, Kaffee und Schlagrahm) sage und schreibe fünfzehn Franken. Da ist doch die ganze Mühe der Touristiker für die miauende Katz! Immerhin, am idyllischen Origliosee kostete der Eiskaffee mit genügend Baileys, einer Kugel und Rahm lediglich fünf Franken.
Nun sind die Grenzen wieder offen für das Einkaufen und Hamstern im nahen Ausland. Erstaunlich, dass viele Politiker*innen und Magistraten die freie Fahrt ins Ausland beklatschen. Finden diese Volksrepräsentanten es wirklich so toll, dass nun wieder Abertausende „änet dr Gränze“ einkaufen müssen?! Nur weil sie es nicht fertigbrachten, der Hochpreisinsel Paroli zu bieten? Die Volksinitiative «Stopp der Hochpreisinsel – für faire Preise» (Fair-Preis-Initiative) geht dem Bundesrat zu weit. Gegner der Initiative verweisen auf bestehende Gesetze und betonen die Bedeutung von mehr Wettbewerb.
Für mich noch einigermassen nachvollziehbar, dass wir abgesehen von der tieferen Mehrwertsteuer mit den hiesigen Löhnen und Mieten nicht so preiswert sein können wie im nahen Ausland. Aber etwas macht mich doch sehr stutzig: So kostet beispielsweise ein Kilogramm konventionelles Poulet im Grossverteiler ca. 34 Franken, ein Kilogramm mit Label ca. 54 Franken und ein Kilogramm mit dem Prädikat BIO gar 58 Franken. Die Verdienstunterschiede bei den Produzenten sind jedoch marginal und weitab von dem, was die Konsumenten dafür bezahlen.
Noch prekärer sieht es z. B. bei Hinterschinken aus! Den absolut grössten Anteil (ca. 90%) kassieren Verarbeiter und der Detailhandel. Es ist einfach ein Skandal, wie Grossverteiler die Lieferanten unter Druck setzen. Diese können dann (wie in Süditalien) nur noch unerlaubte Tiefstlöhne an Flüchtlinge bezahlen und die Einheimischen gehen (wieder mal) stempeln.
Immerhin dürfen wir schmunzeln, wenn Mitmenschen sich echauffieren wegen Lappalien, ob man Mohrenkopf sagen darf oder nicht. Wennschon dennschon, dann müssten auch Weisskohl, Schwarzwurzeln, Braunis umbenannt und auf jegliche Kosmetik-Produkte von Schwarzkopf verzichtet werden. Im höchsten Masse diskriminierend in diesem Zusammenhang ist das Wort "Invalid", welches im lateinisch Wort invalidus wurzelt und für kraftlos, schwach, hinfällig steht.
Hoffend, dass wieder Mal der gesunde Menschenverstand zum Zug kommt, verbleibe ich mit besten Grüssen, Ihr
kritischer Beobachter und Künstler Willi Pavan, Rheinfelden
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