Faszination Universum - Ruhendes schwarzes Loch entdeckt
Von: eso/f24.ch
Ein internationales Expertenteam, das für die Entlarvung mehrerer Entdeckungen schwarzer Löcher bekannt ist, hat ein schwarzes Loch mit stellarer Masse in der Grossen Magellanschen Wolke, einer Nachbargalaxie von uns, entdeckt. „Zum ersten Mal hat unser Team gemeinsam über die Entdeckung eines schwarzen Lochs berichtet, anstatt ein solches zu widerlegen“, sagt Studienleiter Tomer Shenar. Ausserdem stellten sie fest, dass der Stern, der das schwarze Loch entstehen liess, ohne Anzeichen einer starken Explosion verschwand. Die Entdeckung wurde dank sechsjähriger Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) gemacht.
Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie das Doppelsternsystem VFTS 243 aussehen könnte, wenn wir es aus der Nähe beobachten würden. Das System, das sich im Tarantelnebel in der Grossen Magellanschen Wolke befindet, besteht aus einem heissen, blauen Stern mit der 25-fachen Masse der Sonne und einem schwarzen Loch, das mindestens die neunfache Masse der Sonne hat. Die Grössen der beiden binären Komponenten sind nicht massstabsgetreu: in Wirklichkeit ist der blaue Stern etwa 200 000 Mal grösser als das schwarze Loch. (Quelle: ESO/L. Calçada)
„Wir haben eine »Nadel im Heuhaufen« gefunden“, sagt Shenar, der die Studie an der KU Leuven in Belgien [1] begann und jetzt Marie-Curie-Stipendiat an der Universität Amsterdam in den Niederlanden ist. Obwohl es bereits andere ähnliche Kandidaten für schwarze Löcher gibt, behauptet das Team, dass dies das erste »ruhende« schwarze Loch mit stellarer Masse ist, das ausserhalb unserer Galaxie eindeutig nachgewiesen werden konnte.
Schwarze Löcher mit stellarer Masse entstehen, wenn massereiche Sterne das Ende ihres Lebens erreichen und unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenbrechen. In einem Doppelsternsystem, einem System aus zwei umeinander kreisenden Sternen, hinterlässt dieser Prozess ein schwarzes Loch, das einen leuchtenden Begleitstern umkreist. Das schwarze Loch ist »ruhend« oder »inaktiv«, wenn es keine starke Röntgenstrahlung aussendet, wodurch solche schwarzen Löcher normalerweise entdeckt werden.
„Es ist unglaublich, dass wir kaum von ruhenden schwarzen Löchern wissen, wenn man bedenkt, für wie häufig Astronomen sie halten“, erklärt Co-Autor Pablo Marchant von der KU Leuven. Das neu entdeckte schwarze Loch hat mindestens die neunfache Masse unserer Sonne und umkreist einen heissen, blauen Stern mit der 25-fachen Masse der Sonne.
Ruhende schwarze Löcher sind besonders schwer zu entdecken, da sie kaum mit ihrer Umgebung interagieren. „Seit mehr als zwei Jahren suchen wir nach solchen schwarzen Löchern und Doppelsternsystemen“, sagt Co-Autorin Julia Bodensteiner, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der ESO in Deutschland. „Ich war sehr aufgeregt, als ich von VFTS 243 hörte, der meiner Meinung nach der überzeugendste Kandidat ist, der bisher beschrieben wurde.“ [2]
Um VFTS 243 zu finden, durchsuchte die Arbeitsgruppe fast 1000 massereiche Sterne in der Region des Tarantelnebels in der Grossen Magellanschen Wolke, um diejenigen zu finden, die schwarze Löcher als Begleiter haben könnten. Die Identifizierung dieser Begleiter als schwarze Löcher ist extrem schwierig, da es sehr viele alternative Möglichkeiten gibt.
„Als Forscher, der in den letzten Jahren potenzielle schwarze Löcher entlarvt hat, war ich äusserst skeptisch gegenüber dieser Entdeckung“, sagt Shenar. Die Skepsis wurde von Co-Autor Kareem El-Badry vom Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian in den USA geteilt, den Shenar den »Zerstörer schwarzer Löcher« nennt. „Als Tomer mich bat, seine Ergebnisse zu überprüfen, hatte ich meine Zweifel. Aber ich konnte keine plausible Erklärung für die Daten finden, die kein schwarzes Loch beinhaltete“, erklärt El-Badry.
Die Entdeckung ermöglicht dem Team auch einen einzigartigen Einblick in die Prozesse, die die Entstehung schwarzer Löcher flankieren. Astronomen und Astronominnen vermuten, dass sich ein massereiches schwarzes Loch bildet, wenn der Kern eines sterbenden massereichen Sterns kollabiert, aber es ist nach wie vor ungewiss, ob dies mit einer gewaltigen Supernova-Explosion einhergeht.
„Der Stern, der das schwarze Loch in VFTS 243 geformt hat, scheint vollständig kollabiert zu sein, ohne Anzeichen einer vorherigen Explosion“, erklärt Shenar. „In letzter Zeit gibt es immer wieder Hinweise auf dieses Szenario des »direkten Kollapses«, aber unsere Studie liefert wohl einen der direktesten Hinweise. Dies hat enorme Auswirkungen auf den Ursprung der Verschmelzung schwarzer Löcher im Kosmos.“
Das schwarze Loch in VFTS 243 wurde mit Hilfe von sechsjährigen Beobachtungen des Tarantelnebels durch das Instrument Fibre Large Array Multi Element Spectrograph (FLAMES) am VLT der ESO entdeckt [3].
Trotz des Spitznamens »Polizei der schwarzen Löcher« ermutigt das Team aktiv zur Nachforschung und hofft, dass ihre Arbeit, die heute in Nature Astronomy veröffentlicht wurde, die Entdeckung weiterer schwarzer Löcher mit stellarer Masse ermöglichen wird, die massereiche Sterne umkreisen, von denen Tausende in der Milchstrasse und in den Magellanschen Wolken vermutet werden.
„Natürlich erwarte ich, dass die Fachleute in diesem Bereich unsere Analyse sorgfältig prüfen und versuchen werden, alternative Modelle zu entwickeln“, schliesst El-Badry. „Es ist ein sehr aufregendes Projekt, an dem ich beteiligt bin.“
Endnoten
[1] Die Studie wurde von einem Team unter der Leitung von Hugues Sana am Institut für Astronomie der KU Leuven durchgeführt.
[2] Eine weitere Studie unter der Leitung von Laurent Mahy, an der viele Mitglieder desselben Teams beteiligt sind und die zur Veröffentlichung in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics angenommen wurde, berichtet über einen weiteren vielversprechenden Kandidaten für ein schwarzes Loch mit stellarer Masse, nämlich das System HD 130298 in unserer Milchstrassengalaxie.
[3] Die in der Studie verwendeten Beobachtungen erstrecken sich über einen Zeitraum von etwa sechs Jahren: Sie bestehen aus Daten des VLT FLAMES Tarantula Survey (unter der Leitung von Chris Evans, United Kingdom Astronomy Technology Centre, STFC, Royal Observatory, Edinburgh; jetzt bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA) aus den Jahren 2008 und 2009 sowie aus zusätzlichen Daten des Tarantula Massive Binary Monitoring Programme (unter der Leitung von Hugues Sana, KU Leuven) aus den Jahren 2012 bis 2014.
«fricktal24.ch – die Online-Zeitung fürs Fricktal
zur Festigung und Bereicherung des Wissens»