Preisüberwacher kritisiert Preise und Margen der (Bio-)Lebensmittel im Detailhandel
Von: mm/f24.ch
Der Preisüberwacher ist mehreren Meldungen zu vermuteten missbräuchlichen Preisen des Detailhandels bei Bio-Lebensmitteln nachgegangen. Bereits in früheren Untersuchungen sind die hohen operativen Gewinnmargen von Schweizer Detailhändlern herausgestrichen worden. Der Preisüberwacher hat nun Schweizer Detailhändler zu den Bio-Margen im Speziellen befragt und die Preisgestaltung in der Schweiz mit derjenigen im Ausland verglichen. Im Zuge dieser Analyse hat er ausgewählten Detailhändlern einen Vorschlag zur Selbstverpflichtung bezüglich Ausgestaltung der Bio-Margen vorgelegt. Mit dem Zwischenbericht sind nun mehrere offene Fragen aufgeworfen. Um diese zu beantworten, wird der Preisüberwacher das Thema unter ständige Beobachtung stellen und weiterverfolgen.
Marktstruktur in der Schweiz
Im Oktober 2022 stieg der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) im Vergleich zum Vormonat um 0.1 %. Gegenüber dem Vorjahresmonat betrug die Teuerung + 3,0 %. Die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke stiegen im Vergleich zum Vorjahr wesentlich stärker, nämlich um 4.2 %. Mit einem Anteil von knapp 15 % sind Lebensmittel ein wichtiger Bestandteil des Warenkorbs und wesentlich für die gesamte Teuerung. Haushalte mit tieferen Einkommen werden dadurch besonders stark belastet.
Die Marktstruktur des Schweizer Einzelhandels ist viel stärker konzentriert als in vergleichbaren Ländern. Dies schlägt sich laut einer Studie im Auftrag des SECO in relativ hohen operativen Gewinnmargen der Schweizer Detailhändler nieder. Der hohe Marktanteil der beiden grössten Detailhändler (Coop und Migros inkl. Denner erreichten laut einer GfK-Auswertung 2021 einen Anteil von knapp 80 % an den Gesamtumsätzen im Lebensmittel-Detailhandel) und das relative Fehlen von Hard-Discountern (ca. 14 % Marktanteil) ermöglichen es laut dieser den Einzelhändlern in der Schweiz, Betriebsgewinne (EBIT) zu erzielen, die deutlich höher sind als in Vergleichsländern. Ein Marktteilnehmer ist mit dieser Berechnung nicht einverstanden und kommt aufgrund von anderen Grundlagen zu einem Marktanteil von Migros und Coop im Lebensmittel-Detailhandel von knapp 70%.
Aufgrund der aktuellen Inflationsgefahr ist es besonders wichtig, dass die grossen Detailhändler im Lebensmittelbereich genügend stark zueinander im Wettbewerb stehen.
Nachfrage nach Bio-Produkten bedingt einen Preisunterschied unter 30%
Der Preisüberwacher ist deshalb Meldungen zu «missbräuchliche[n] Preise des Detailhandels bei Bio-Lebensmitteln» nachgegangen. Dabei hat er in einem ersten Schritt die sechs grössten Detailhändler in der Schweiz um Auskunft über ihre Margengestaltung allgemein bei landwirtschaftlichen Produkten aus dem Bio-Segment sowie um Daten zu 14 Produkten (je Bio und konventionell) der vergangenen Jahre ersucht.
Aufgrund der ersten Ergebnisse der Auswertung der erhaltenen Daten hat er gewisse Detailhändler in einem zweiten Schritt um die Aktualisierung ihrer Daten um ein weiteres Jahr bis Sommer 2022 ersucht. Aus diversen Gründen haben die Unternehmen dies jedoch abgelehnt.
Trotz des spürbaren Widerstands gewisser Unternehmen der Branche hat der Preisüberwacher einigen je einen Vorschlag für eine einvernehmliche Lösung gemacht. Da die Konsumentinnen und Konsumenten durchschnittlich einen Bio-Preisaufschlag zwischen 10 und 30 Prozent akzeptieren würden, schlug er vor, dass absolut keine höheren Margen [Beträge in CHF/kg, CHF/Liter oder CHF/Stück] verrechnet werden, solange der prozentuale Bio-Preisaufschlag mehr als 20% beträgt.
Das heisst, höhere Netto-Margen bei Bio-Produkten wären nur zulässig, solange diese nicht mehr als 20 % teurer sind als ihr korrespondierendes konventionelles Produkt. Bedauerlicherweise waren die eingeladenen Unternehmen zu dieser mit Preissenkungen verbundenen Zusage nicht bereit.
Vergleicht man die Bruttomarge für einige hoch standardisierte Produkte mit Einheitsgebindegrösse in Bioqualität, so ergibt sich ein eher heterogenes Bild. Dies lässt auf einen gewissen Spielraum bei der Preissetzung einzelner Produkte schliessen. Das Bio-Produkt wies dabei in 4 von 5 Fällen eine höhere Bruttomarge auf.
Die Kernfrage bleibt: Sind die absoluten Margen bei Bio-Produkten standardmässig zu hoch angesetzt oder lassen sie sich rechtfertigen?
Die uns vorliegenden Daten zu den Netto-Margen der Schweizer Unternehmen haben wir mit der Preisstruktur in den Niederlanden verglichen. Die Wahl fiel auf die Niederlande, weil hier das Wettbewerbsumfeld7 intensiver ist: In den Niederlanden sind die Nettomargen in % vom Verkaufspreis gemessen bei den Bio-Produkten ohne Ausnahme tiefer. In der Schweiz ist dies bei gut einem Viertel der Produkte nicht der Fall.
Das ist ein Indiz dafür, dass das wenig wettbewerbsintensive Umfeld in der Schweiz dazu beiträgt, dass Bio-Produkte stärker verteuert werden, weil sie eine extra hohe Marge zu tragen haben. Ein Marktteilnehmer macht geltend, dass dies auf eine Vielzahl von Gründen zurückgeführt werden könne (Anteil Bio am Gesamtabsatz, Konsumpräferenzen, Zahlungsbereitschaft, «ökologisches Gewissen» etc.).
Fazit
Für den Preisüberwacher stellen sich angesichts der Zwischenergebnisse nun folgende Fragen:
- Ist im Schweizer Detailhandel von einer Situation mit kollektiver Marktbeherrschung auszugehen, wie sie ähnlich auch in Neuseeland beobachtet werden kann?
- Braucht es in der Schweiz eine Regulierung analog zu Neuseeland, um gerade auch im Bio-Bereich zu hohe Margen zu verhindern? (Vgl. auch Ausführungen im Bericht).
- Der Anteil der Landwirtschaftsbetriebe, der unter Verwendung spezifischer öffentlich-rechtlicher und privater Nachhaltigkeitsprogramme besonders umwelt- und tierfreundlich produziert, soll gemäss Bundesratszielen um einen Drittel wachsen. Es stellt sich die Frage: Wie soll die passende Nachfrage zu dem vom Bundesrat angestrebten zusätzlichen Angebot geschaffen werden, solange die Margenfrage ungeklärt bleibt?8
- Wurde mit dem neuen Tatbestand der relativen Marktmacht auch beim Bio-Lebensmittelmarkt und seiner Wertschöpfungsketten ein neues Zeitalter eingeläutet?
Diese unbeantworteten Fragen haben den Preisüberwacher darin bestätigt, dass er das Thema unter ständiger Beobachtung weiterverfolgen wird.
«fricktal24.ch – die Online-Zeitung fürs Fricktal
zur Festigung und Bereicherung des Wissens»